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780 Nichtamtlicher Theil. 50, 29. Februar. indem er das große Wort „Centralisirung des Capitals und der intellcctucllen Kräfte" so gelassen ausspricht, wie vielleicht die alten Hirtenvölker den projectirten Thurmbau zu Babel besprochen haben, ans welchem bekanntlich die babylonische Verwirrung hervorging. Bon hier an entwickelt sich der wahrhaft elasstsche Humor immer freier, der Styl erinnert thcilweise stark an Karlchcn Micßnik, z. B. in den Schlagworten „der Buchhandel und dessen verwandte Ge schäftszweige," „eine vergangene Zeitepoche" re. Die Hyperbeln werden immer kühner: „die wenigen Commisstonsfirmen" (cs sind in Leipzig deren nur etwas über 90) „können den Ansprüchen ihrer Committenten nicht genügen", „ihr Geschäft steht ohne jede Concurrcnz da"; in unser geliebtes Deutsch übertragen soll dies natürlich heißen: „cs gibt gar manchen CommissionLr, welcher sehr- gut in der Lage wäre, den Ansprüchen noch recht vieler Commit tenten zu genügen, und welcher deshalb mit anerkenncnswerther Betriebsamkeit nicht nur dichtet, sondern auch „trachtet", nämlich darnach, „Menschen zu fischen" wie Petrus, und welcher durch diese Genügungssucht (nicht zu verwechseln mit Genügsamkeit) seinen Herren Collegen möglichst viel Concurrcnz bereitet. Ferner sagt der Vers.: „Die wenigen Commissionsfirmen haben Millionen gewonnen", verschweigt aber die „Zeitepoche" und ob dieser Gewinn jeder einzelnen Firma zugcfallen sei oder sich auf alle 90 vertheilt habe; Namen von Millionären nennt er nicht, während er doch am Ende des zweiten Hauptabschnittes in nicht gerade zu billigender Weise Namen citirt. Von großer Wirkung ist die Antithese, daß die Millionen besitzenden Commissionäre doch „unvermögend" seien, um ihren Committenten hinreichend Credit zu gewähren. Wahrhaft grausam ironisch ist die Bemerkung: „der Buchhandel mit Capital ist stets rentabel"; wenn die Schatten der trotz „großem Capital" Gefallenen dem Vers, im Traum erscheinen und ihm ihre Maculaturballen als Alp ans die Brust wälzen, so geschieht ihm recht daran. Diese Rache dürfte noch schlimmer sein, als „der Blumen Rache". Die „reale volkswirthschaftlichc Basis, auf welcher 3500 Firmen Credit zu beanspruchen berechtigt sind", verräth einen so tiefen Blick in die Nationalökonomie, daß dem Verfasser dieses Axiom wohl von einer Autorität auf diesem Gebiete, welche schon im Reichstage eine tiefe Kenntniß der Verhältnisse des Buch handels entfaltet hat, zugerannt worden sein muß. Roscher möge sich diese Belehrung für seine Nationalökonomie »ä notam nehmen. Die Aufschlüsse darüber, daß „kein Buchhändler andern Credit ge nießt als den seines Commissionärs", werden die Buchdrucker, Papierhändler und Bankiers zu schätzen wissen. „Di? absolute Sicherheit" des Commissionärgcwinnes wird die Commissionäre heiter berühren. So bringt der Verfasser, wie das Mädchen aus der Fremde, Jedem eine Gabe! Die nun folgenden technischen Wendungen „Waarenhand- lungen" und „Geldzahlungen" sind schätzenswerthe Bereicherungen der geschäftlichen Terminologie und werden in dem höheren Cursus der Buchhändlcrlehranstalt gewiß cingefnhrt werden. Der zweite Hauptabschnitt handelt so ziemlich von allen Dingen und von noch einigen anderen. Als Intermezzo wird eine Variation über das alte Thema „viele Köche verderben den Brei" unter dem Titel „Bildung von Schriftsteller- und Verlegervereinen" mit großer Virtuosität pro- ducirt. — Die Klimar der sodann eröffnet«:» rosigen Perspective ist meisterhaft, doch erreicht hier auch die Grausamkeit des Verfassers ihren Höhepunkt; wir schauen wie Moses in das gelobte Land, wel ches wir ohne „Centralisirung des Capitals und der intellectuellen Kräfte" doch nicht betreten sollen! Denn leider geht es uns hier wie Gocthe's Faust: „die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der -«Glaube". Hilarius Tou^us. Das Buchbindergewerbe in Leipzig hat in den letzten Jahrzehenden einen Aufschwung genommen wie wohl kaum ein anderes Gewerbe. Seitdem die 1862 cingeführte Gcwerbefreiheit bei Thcilung der Arbeit auch die Verwendung von nicht gewerbsmäßig gelernten männlichen und weiblichen Arbeitern gestattete, besonders aber seit die Benutzung so vieler Maschinen den Großbetrieb ermöglichte, ist es der Strebsamkeit Leipziger Buch- bindcrcibesitzcr gelungen, in Bezug auf Billigkeit und Trefflichkeit der Arbeit mit allen Städten Deutschlands, ja man kann wohl ohne Ueberhebung sagen, auch Englands und Frankreichs zu concurriren. Neben großen Buchbindereien, von denen einige mehr als hundert Arbeiter beschäftigen, hat sich auch eine große Zahl kleinerer Etablissements gebildet und darunter znm Nachtheil des ganzen Gewerbes auch solche, von denen im voraus schon, wegen un genügender Fachkenntniß und Geschäftsroutine, keine solide Con currcnz zur gewärtigen war. Gegenüber dieser immer bedeuten der gewordenen Concurrcnz fehlt cs doch nicht an Verlagsbuchhand lungen, welche mittleren und kleineren Buchbindereien vollständige Beschäftigung, also Existenz bieten können; den größeren Buch bindereien sind solche Kunden weg« n des in ihren Geschäftseinrichtungen fest angelegten größeren Capitals selbstverständlich auch von Wich tigkeit. Dadurch ist nun eben ein Druck auf die Preise entstanden, welche mit den von Jahr zu Jahr gestiegenen Matcrialpreisen und Arbeitslöhnen so wie den theuern Lebensbedürfnissen in keinem Vcrhältniß mehr stehen und, wenn es so bleiben sollte, einen Rück gang des Gewerbes besürchten lassen. Cs ist Thatsache, daß in vielen älter» größer» Buchhandlungen noch Einbandpreise fcstgehalten werden, welche vor Jahrzehendcn calculirt wurden; für neuere soll der Maßstab nach diesen angelegt werden. Wollte nun ein einzelner Buchbindereibesiher eine Er höhung der alten Preise bewerkstelligen, so setzte er dadurch die Existenz seines Geschäftes aufs Spiel oder führte eine bedeutende Reduction desselben herbei. Dazu kommt noch die Unzuverlässigkeit besondcrsder flottircndcn Arbeitskräfte, bei welcher es Stabilität gar nicht mehr gibt, — Striken liegt ja in der Luft der Gegenwart. Alles dies hat nun in einer Versammlung von Buchbinderei- bcsihern zu dem Beschluß geführt, einen Verband zu gründen. Dieser Verband, welchem 60 der größern Buchbindereibesitzer bei getreten sind, hat den Zweck: „die Interessen seiner Mitglieder vermittelnd auszugleichen und geregelte Beziehungen zu ihren Arbeitskräften zu erzielen, im erster» Fall durch Preisaufschlag auf ihre Gewerbserzeugnisse, im andern durch Ausarbeitung einer Geschäftsordnung sowie eines Tarifes für Stückarbeit, welche bei der Vielfältigkeit der Arbeiten und ohne alle Grundlage die meisten Hindernisse bietet, und schließlich durch Vorkehrung gegen die ohne Kündigung die Arbeit einstellenden Hilfsarbeiter". Nach offener Darlegung dieser Zustände, welche zu geben der Zweck dieser Zeilen ist, wird es das verständig denkende Publicum und das Arbeitspersonal nur billigen können, wenn dem Rückgänge eines Gewerbes in solcher Weise entgegen gearbeitet und der ein reißenden Unordnung ein Damm gesetzt wird. Der Verband Leip ziger Buchbindcrcibesitzcr darf daher wohl erwarten, keiner falschen Beurtheilung ausgesetzt zu werden. (Lpzg. Tagbl.) Personalnachrichten. Herrn Julius Sch über th, Chef der Firma Jul. Schuberth <L Co. in Leipzig n. New-J)ork, ist vom Großherzog von Sachsen- Weimar „in Anerkennung des von ihm an den Bildungsanstalten desGroßherzogthums bewiescnenwerkthätigenJnteresses" die große goldene Civilverdicnstmedaille verliehen worden.