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Redaktioneller Teil. .V 109, 12. Mai 1918. Kameraden geworden durch den Irenen Kameraden im unschein baren Gewände der Druckerschwärze. Das Buch ist ein Prediger im Felde. Auf ihn zu hören sind nicht alle von Hause aus gewöhnt. Nicht alle suchen das Buch, viele mutz das Buch erst suchen. Aber das ist nur eine neue herrliche Aufgabe für den treuen Gesellen. Wo hätten wir jemals Gelegenheit gehabt, so andauernd und so planmäßig auf die Seele unseres Volkes, auf die Erwachsenen in unserem Volke zn wirken! Wie viele finden in ihrer Arbeit nie Zeit und Lust zu sehen, wie sich die Welt, die Welt überhaupt, nufere nationale Welt im besonderen, spiegelt in Kopf und Herz der Andere», der eigenen Volksgenossen! Vor allem nicht Zeit, sich eingehend und fortdauernd mit dem Denken und Fühlen ihres Volkes zu befassen! Wie viele haben das Geld nicht, um sich in Friedenszeitcn von dem rcichgcdeckten Tische nuferes literarischen Besitzes zu nähren! Darum so viel Einseitigkeit, so viel Mißver stehen und so viel Entfremdung. Und nun steht unser Volk in Waffen jahrelang da draußen! Das können für sie Jahre des Kulturstillstandes, verlorene Jahre werden. Aber es können auch reiche Saat- und Erntejahre werden. Hunderttauscnde in Re serve- und Ruhestellung, im Quartier und iin Lazarett, im Wach- und Etappendienst und selbst ini Unterstand und im Schützen graben haben Zeit und warten auf Anregung. Die Langeweile mutz abgewehrt und verscheucht werden. Da lernen sie auch das Buch schätzen als Genußmittel; da lernen sie lesen, d. h. lesen mit Auswahl und Verstand. Und wir sollten diese herrliche Ge legenheit nicht ausnützen? Das ist die Zeit, wo unsere Kamera den nicht nur ihren Nebenmann, sondern ihres ganzen Volkes geistige Arbeit kennen lernen können aus Büchern, die ihnen ge schichtliche Entwicklungen deuten, neue Perspektiven zeigen, unge wohnte Stimmungen und Gesinnungen nahcbringen, die ihnen Geahntes greifbar, Unbegriffenes verständlich, Abgelehntes wie der diskutierbar, Vergessenes wieder lieb machen und ihnen den ganzen Reichtum des Lebens der Ration erschließen. Das Buch ist eine Kulturmacht und «ine nationale Macht. Drum schickt Bücher ins Feld! Mannigfache Bücher! Gute Bücher! A. SchowaIter, Overpfarrer. Zur Frage des Buchhandels an der Ostfront. Das Bedürfnis nach Lesestoff bei den im Felde stehenden Truppen kann naturgemätz nur bei längerer Kriegsdauer, und namentlich bei einem langen Stellungskriege, sich stärker geltend machen. Aber selbst bei der unkultiviertesten der kämpfenden Armeen, bei der russischen, konnte man auch unter anderen Um ständen, schon in den ersten Monaten des Krieges, ein solches Verlangen beobachten. Als die Russen bei ihrer Offensive im Herbst 1914 in die galizischen Städte einrückten, sah man vielfach gleich nach dem Einzüge die Soldaten ukrainischer Her kunft in die Buchläden strömen, um sich dort mit den in ihrer Heimat auf dem Index stehenden Büchern in ihrer Muttersprache zu versorgen. Obschon hier politische und nationale Strömungen besonderer Art mitspielten, so verdient diese Erscheinung in einer Armee, die in ihrer überwiegenden Mehrheit aus Analpha beten besteht, doch als bemerkenswert hervorgehoben zu werden. Was das deutsche Heer betrifft, so werden wir in der An nahme wohl nicht fehlgehen, daß unter allen kämpfenden Ar meen hier das Bedürfnis nach Büchern neben Zeitungen am weitesten verbreitet ist. Ans die Frage, welche Bücher von den Soldaten mit Vorliebe gelesen werden, kann man zur Zeit, bei der großen Verschiedenheit des Geschmacks in einer Millionen- armec, eine ausreichende Antwort Wohl kaum geben, denn gerade während der Kriegsdauer ließe sich eine zuverlässige Statistik darüber Wohl kaum aufstellen. Wie mir zahlreiche Feldgraue bestätigten, wird von der großen Mehrzahl im allgemeinen leichte, unterhaltende Lektüre besonders begehrt, wie ja auch die aus dem Felde zurückkehrendeu Urlauber im Theater meist deu ganz leich ten Schwänken den Vorzug geben. Über die Verhältnisse an der Westfront, wo übrigens der Nachschub jeder Art sehr viel leichter ist als im Osten, ist mir nichts näheres bekannt. Anders stehen die Dinge an der Ost- 574 front. Was die Einrichtung und Organisation von Fcld- büchereien betrifft, so gibt es stellenweise fahrbare Kriegs- büchereien, die für größere Truppenkörper bestimmt sind und den dringendsten Bedürfnissen einigermaßen genügen. Von der Einrichtung von Kompagnie-Büchereien wußte mir bisher noch niemand etwas zu berichten. In allen größeren Städten im Rücken der Ostfront sind ferner von der bekannten Berliner Firma Stille auf den Bahnhöfen Verkaufsstände eingerichtet worden, so auch in Milan, Libau und Umgegend. Indessen habe ich von vielen der gebildeteren Feldgrauen in Kurland darüber klagen gehört, daß das Bedürfnis nach Büchern und Druckschriften belehrenden Inhalts über die okkupierten und benachbarten Gebiete durch die Sortimenter und, wie es scheint, auch durch die Verlagsbuch händler gar nicht befriedigt wird. Hierbei ist zu beachten, daß, abgesehen von größeren Werken, wie z. B. den Büchern von Pros. Hötsch, Schulze-Gävernitz u. a., die das gesamte russische Reich be handeln, gerade die dicht hinter den schwarz-weißen Gronzpfählen liegenden Nachbargebiete bis zum Ausbruch des Krieges in Deutschland ganz unbekannt geblieben sind und auch literarisch so gut lvie gar nicht berücksichtigt wurden. Selbst in manchen militärischen Kreisen begann man erst 1914 sich mit dem Stu dium dieser Gebiete in kultureller und ethnographischer Bezie hung eingehender zu befassen. Obschon es in Kurland viele alte deutsche Buchhandlungen gibt (Beslhorn in Mitau und Zimmermann in Libau sind Wohl die bedeutendsten), so sagten mir doch einige Verlagsbuchhändler in Berlin, daß es ini verflossenen Winter noch nicht möglich gewesen sei, mit ihnen in Geschäftsverbindung zu treten und Warenlieferungen dorthin zn befördern. Das einzige literarische Erzeugnis der oben bezeichnet«, Art, das bisher in größerer Menge nach Kurland gelangen konnte, ist der 1915 im Verlage von Gerhard Stalling in Oldenburg erschienene, mit einem let tischen und estnischen Sprachführer verbundene »Führer durch Liv-, Est- und Kurland«. Natürlich ist schon jetzt das Bedürfnis nach Büchern und Druckschriften dieser Art bei den zahlreichen neuernannten Zivilbeamtcn im besetzten Gebiet noch größer als beim Militär. Zum Schlüsse inöchte ich schon jetzt die Aufmerksamkeit des deutschen Buchhandels darauf lenken, daß in den nächsten Wochen oder Monaten eine Reihe von Druckschriften der bczeichneten Art erscheinen wird, deren Absatz in dem ganzen besetzten Gebiet, namentlich aber in Kurland, ein recht bedeutender werden kann. vr. H. v. Rosen, ckn. Kleine Mitteilungen. falsch deklarierte Auslandssendttttgcn. Von dein Stellvertr. Generalkommando des 19. (2. K. T.) Armeekorps (Leipzig) wird uns !ieschrieben: Das Stellvertr. Generalkommando hat in letzter Zeit häufig beobachten müssen, daß der Inhalt von für das Ausland be stimmten Post- und Bahnsendungen falsch deklariert war und daß diese Sendungen deshalb an den GrenzüberwachnngSstellcn angehalten und von der Beförderung ausgeschlossen wurden. Das gilt zunächst von Sendungen Privater an Angehörige des Auslands einschließ lich Österreich-Ungarns —, denen beispielsweise Eßwarcn aller Art, Schuhwcrk oder sonstige jetzt von der Ausfuhr ans Deutschland aus geschlossene Gegenstände beigepackt waren, ohne sie ans den Zoll deklarationen zn erwähnen. Das gilt aber auch » a m entlich von Sendungen b u ch h ä n d l e r i s ch e r Firmen, denen häufig briefliche Mitteilungen beigegebcn sind, obwohl ans den Dekla rationen ausdrücklich erklärt ist, daß sich im Paket außer den dekla rierten Büchern, Zeitschriften nsw. keinerlei schriftli ch e Mit teilungen befänden. Abgesehen davon, daß derartig falsch deklarierte Anslandsscndnngen von der Beförderung ausgeschlossen werden, machen sich die Absender dieser Sendungen auch strafbar. Denn sie verstoßen durch die falsche Deklaration gegen die Verfügung der kom mandierenden Generale des XII. und XIX. Armeekorps vom 18. I. 1910, bekanntgegeben in der Leipziger Zeitung vom 21. 1. 1910, wonach die falsche Deklaration solcher Sendungen mit Strafe bis zn l Zahr Gefängnis belegt ist. Um für die Zukunft solche Beanstandungen von Paketen an den Grenzüberwachungsstellen und die damit verhangene Bestrafung der Schuldigen nach Möglichkeit zn vermeiden, sieht sich das Stellvertr. Generalkommando veranlaßt, ans jene Verordnung erneut hinzuweisen und ihre peinlichste Beobachtung allen Betroffenen zur besonderen Pflicht zn machen.