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12954 s«r>-ndl»il!. d. Dtlchn. «uchhaiü-i. Mchtamtlicher Teil. ^ 248, 2S. Oktober 1912. Berlin. Dieses Werk ist in dem rechtskräftigen Urteile der IV. Strafkammer des Königlichen Landgerichts I Ber lin vom 19. Dezember 1911 in der Strafsache gegen den Buchhändler Walther Meyer — 38 I. 1042 — für unzüchtig erklärt worden, dagegen hat später das Land- gericht III Berlin dasselbe Werk nicht für unzüchtig er achtet. Wie nun der Herr Erste Staatsanwalt beim König lichen Landgericht I Berlin, dem Börsenverein mit Schrei ben vom 2l. Mat 1912 mitgeteilt hat, ist das zweite Urteil auf den Rcchtsbestand des ersten Urteils ohne Einfluß, d. h. alle Rechtsfolgen desselben, wie Unbrauchbarmachung aller Exemplare, die sich im Besitz des Verfassers, Druckers, Herausgebers, Verlegers oder Buchhändlers befinden, wir ken fort! außerdem besteht noch die Möglichkeit eines straf gerichtlichen 'Verfahrens gegen die genannten Personen weiter. Gegen diese Rechtsauffassung des Herrn Ersten Staatsanwalts können begründete Zweifel nicht erhoben werden, sie dürfte dem objektiven Rechtszustand ent sprechen. Es läßt sich aber nicht verkennen, daß daraus schwere Schäden nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch persönlicher Art für die Beteiligten entstehen müssen. Selbst wenn es nicht zu einer Verurteilung derselben kommt, also ein Verlust an persönlicher Ehre nicht in Frage steht, können doch für die Beteiligten, die z. B. auf die Autorität eines voraufgehenden sreisprechenden Urteils gebaut und große Geldmittel in einem literarischen Unternehmen und seinem Vertriebe festgelegt haben, durch ein späteres, seine Un züchtigkeit seststellendes und die Unbrauchbarmachung aus sprechendes Urteil auf das schwerste geschädigt werden. Wenn man nun weiter bedenkt, wie verschieden die Gut achten in derartigen Prozessen je nach den Persönlichkeiten der Gutachter ausfallen, so kann nur der dringende Wunsch ausgesprochen werden, daß die Rcchtsunsicherheit, die sich bei dem heutigen Rechtszustand ergibt, so bald als mög lich beseitigt werde. Immer und immer wieder werden im Buchhandel Stimmen laut, die Abänderung gebieterisch verlangen, da dieser sich durch die Unsicherheit in seiner Entwicklung bedroht fühlen muß. Diesem Wunsch kann sich der ehrerbictigst Unterzeichnete Vorstand nur in vollster Überzeugung anschließen und er richtet an das Hohe Reichs-Justizamt die dringende Bitte, die jetzt bestehende Rechtsunsicherheit durch Aufnahme geeigneter Vorschriften bei der bevorstehenden Strafprozeßreform zu beseitigen. Erwünscht erscheint cs insbesondere, daß der Zentral- stelle beim Landgericht I. Berlin alsbald alle Verfahren auf Grund von 88 184 Ziffer 1 und 2, 184 a St.G.B.s mitgeteilt werden, und daß diese ihrerseits wieder die Ge richte verständigt, falls bereits über dasselbe Werk ein Verfahren im Gang oder durch rechtskräftiges Urteil abge schlossen ist. Der Zentralstelle sind alle rechtskräftigen Ur teile zu übersenden. Will nun ein Gericht von dem Urteil eines anderen abweichen, so hätte es von der Urteils fällung abzusehen und die Sache unter Mitteilung seiner Ansicht dem Reichsgericht zur Entscheidung vorzulegen, die auch das frühere Urteil beeinflußt. Ferner empfiehlt es sich, derartige Verfahren einigen wenigen Landgerichten, sei es in den Landeshauptstädten oder an gewissen Kulturzentren, zuzuweisen, die von der Zentralstelle aus in steter Fühlung mit einander gehalten werden müßten. Diesen hervorgehobenen Gerichten wären besondere Sachverständigenkammern anzugliedern, für die die bereits bestehenden literarischen und künstlerischen Sach« berständigenkammern, oder wenigstens als Vorbild, in Aus sicht genommen werden könnten. Weiter empfehlen sich folgende Zusätze in 8 214 und 478 Strafprozessordnung. Zu 8 214: Handelt es sich um ein Hauptverfahren auf Grund von 8 184 Ziffer 1 und 2, 8 184 a Strafgesetzbuchs, so ist der Beschluß auch den aus den Schriften, Abbildun gen, Darstellungen genannten Autoren oder Verlegern zu zustellen, sofern diese am Verfahren nicht unmittelbar be teiligt sind. Die genannten Personen können alle Rechte ausüben, die einem Angeklagten zustehen, und sich auch durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger ver treten lassen. Zu ß 478: Zusatz zu Absatz 2. Sie sind zu laden, wenn es sich um ein Verfahren auf Grund von 8 184 Ziffer 1 und 2, 8 184 a Strafgesetzbuchs handelt. Der ehrerbictigst Unterzeichnete Vorstand bittet, diese Vorschläge nur als Anregung aufzufassen, er wird sich mit jeder anderen Fassung einverstanden erklären, durch die die Rechtsunsicherheit und die Ausschließung der beteiligten Kreise vom Verfahren beseitigt wird; er erklärt sich sehr gern bereit, seinerseits bei etwa gewünschten Beratungen des Gegenstandes mitzuwirken, und stellt sich zu weiteren Auskünften gern zur Verfügung. Im Anschluß an diese Ausführungen bittet der Vor stand, dem Hohen Reichs-Justizamt noch einen weiteren Wunsch für die Strafprozeßreform unterbreiten zu dürfen. Die 88 99 bis 101 der Strafprozetzordnung bedürfen ebenfalls dringend einer Abänderung, wenigstens soweit der Buchhandel in Frage kommt. Die in diesen Para graphen vorgesehene Postsperre wirkt äußerst hemmend auf den buchhändlerischen Geschäftsverkehr und ist geeignet, den Geschäftsbetrieb einer Buchhandlung völlig lahmzulegen, obwohl ihr Inhaber gar nicht als Beschuldigter in Frage kommt. In Leipzig, dem Hauptkommissionsplatz des deut schen Buchhandels, gibt es z. B. Firmen, deren jede mehrere hundert Kommittenten vertritt. Der buchhänd lerische Kommissionär vermittelt bekanntlich den Vertrieb von Gegenständen des Buchhandels zwischen ihren Her stellern (Verlegern) und ihren Verbreitern (Sortimentern). Wenn nun ein einziger Kommittent verdächtig ist, unzüch tige Literatur herauszugeben oder zu verbreiten, so kann die Postsperre über ihn verhängt werden. Infolgedessen kann auch die Auslieferung der gesamten Post an seinen Kommissionär verweigert werden, weil darunter sich mög licherweise auch Sendungen von dem Beschuldigten befin den können. Durch diese Sperre können aber gleichzeitig die Sendungen der übrigen Kommittenten an den betreffen den Kommissionär berührt und ihre geschäftliche Bearbei tung gehemmt werden. Dies hat wiederum für die betei ligten Firmen schwere finanzielle Schädigungen und Ein buße an Ansehen zur Folge, da sie als nicht leistungs fähig erscheinen und ihre Kunden abspringen. Wir rich ten daher an das Hohe Reichs-Justizamt die Bitte, die Aufnahme einer Vorschrift in die Strasprozeßordnung her beizuführen, durch die bei Verhängung der Postsperre die damit befaßten Behörden angewiesen werden, die Adres saten der Sendungen sofort von deren Eingang zu benach richtigen, die sofortige Prüfung der Sendungen eventuell unter Hinzuziehung geeigneter Sachverständiger vorzu- nehmen und, sofern sie oder ein Teil von ihnen einwand frei befunden werden, die Sendungen dem Empfänger als bald ganz oder teilweise auszuhändigen. Damit dürften wenigstens die schwersten Schädigungen für die beteiligten Firmen vermieden werden. Der Unterzeichnete Vorstand beehrt sich, als Material die folgenden Zeitschriftenartikel: »Unnötige Härten im Kampse Wider den Schmutz