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12956 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 248. 28. Oktober 1912. nicht nötig; man könnte es so machen, daß in der Form einer Abstimmung zum Ausdruck gebracht wird, daß sich die Ver sammlung mit den Ausführungen des Herrn Dietrich voll kommen einverstanden erklärt. (Brado!) Vorsitzender: Ich darf vielleicht Herm Staar bitten, die Resolution schriftlich einzubringen. Herr Karl Siegismund. Berlin: Meine Herren, ich bin auf der Reise hierher leider etwas aufgehalten worden und war daher nicht in der Lage, das Referat des Herrn Dietrich anzuhörcn. Als ich aus der Tagesordnung für die Bayreuther Versammlung ersah, daß Herr Dietrich ein Referat über die Jugendschriften-Ausschüsse zu halten hätte, sagte ich mir: was uns Herr Dietrich vortragen wird, ist uns allen durch die Artikel, die Herr Dietrich im Börsenblatt bis jetzt über diesen Gegenstand veröffentlicht hat, bekannt. Ich war daher einigermaßen überrascht, als vor wenigen Tagen im Börsenblatt eine kurze Vorbemer kung über das Referat veröffentlicht wurde, aus der man ersehen konnte, daß Herr Dietrich den Standpunkt, den er bis jetzt in der Frage der Jugend- schriflen-Ausschiisse eingenommen hat, bei seinem Referat an scheinend verlassen wolle. Das Referat habe ich leider nicht gehört, aber aus den Ausführungen des Herrn Boysen- Hamburg habe ich doch entnehmen können, daß es wesentlich milder abgesaßt worden ist, als man nach den bisherigen Auslassungen des Herm Dietrich wohl annehmen konnte. Herr Boysen hat sich ja auch dahin geäußert, daß er eine schärfere Tonart des Herrn Dietrich erwartet hätte. Nun, meine Herren, ich freue mich, daß der Herr Referent in seinem Vortrage zu dem vorgetragenen Endergebnis ge langt ist. Ich habe mich kürzlich schon in einer anderen Ver sammlung ähnlich geäußert, wie ich es jetzl zu tun die Absicht habe. Meine Herren, es steht doch gänzlich außer Frage, daß die ganze Bewegung gegen die Schundliteratur von seiten der Lehrerschaft in die Wege geleitet und in Fluß gehalten worden ist. Wir wissen, daß zuerst einzelne Lehrer, dann Lehrergrnppen sich gegen die Schundliteratur in den Kampf gestellt haben, und wir wissen, daß sie auch tatsächlich viel Gutes erreicht haben, und wir sollten also von vornherein mit den Lehrern Schulter an Schulter stehen. Wir müssen auch weiter zugestehen, daß die Lehrerschaft der Ratgeber der Jugend und vielfach auch der Eltern ist. wenn es sich dämm handelt, den Kindern, die sich im schulpflichtigen Alter be finden, Unterhaltungslektüre zu empfehlen, und es geht weiter daraus hervor, daß wir Buchhändler uns an der Erziehungs arbeit der Lehrer nach dieser Richtung hin betätigen sollten, so weit als das nur denkbar ist. Ich habe es immer lebhaft bedauert, daß es seither nicht möglich gewesen ist, mit den Prüfungs-Ausschüssen zu einem vernünftigen Einvernehmen zu kommen. Wenn zwei aufeinander angewiesen sind, so ist es der Buchhandel und die Lehrerausschüsse, und diese beiden Gruppen, die bei ihrer Arbeit innigst Hand in Hand gehen sollten, stehen sich feindlich gegenüber. Meine Herren, ich will nicht untersuchen, woher dieses Mißverhältnis gekommen ist, ich will auch nicht weiter auf einzelne Persönlichkeiten, die den Kampf mit vielleicht etwas scharfen Worten geführt und Verärgerungen auf beiden Seiten hervorgerufen haben, eingehen. Aber wenn wir alles das einmal außer Acht lassen, so sollten wir Buchhändler doch versuchen, dähin zu kommen, mit den Prüfungsaus schüssen und mit der Lehrerschaft zu einem friedlichen und guten Einvernehmen zu gelangen. Das habe ich in der Praxis versucht und kann Ihnen sagen: es geht. Ich habe als Mit glied der Schuldeputation meines Ortes Steglitz, als vor drei Jahren die Lehrerschaft an die Verwaltung mit dem Ersuchen herantrat um einen Zuschuß und um Zurverfügungstellung des Rathaussaales für die Jugendschristen-Ausstellung, der Lehrerschaft mitgeteilt, daß wir seitens der Verwaltung bereit seien, den Rathaussaal zur Verfügung zu stellen, und auch bereit seien, einen Koslenbeitrag zu gewähren, unter der Voraussetzung, daß die Buchhändler des Ortes zu dieser Arbeit mit herangezogen werden, daß diese in dem betreffenden Komitee ausgenommen werden, und daß die ganze An gelegenheit gemeinsam mit den Buchhändlern des Ortes ins Werk gesetzt wird. Seit drei Jahren wird das in meinem Orte gemacht, und meine Kollegen sagen mir immer, daß sie mit dem erzielten Resultate außerordentlich zufrieden wären. Ich habe nur die Bedingung gestellt, daß sämtliche Buch händler, d. h. sämtliche Herren, die wir als Buchhändler be trachten, an der Sache beteiligt werden, und wir haben damit den besten Erfolg erzielt: das Lehrerkollegium ist zufrieden, und die Buchhändler sind auch zufrieden. Es ist nun vorhin der Vorschlag gemacht worden von seilen des Herrn Staar und des Herrn Boysen, daß man die Hamburger ausschalten möchte, bzw. daß Herr Brunckhorit ausscheiden müsse, daß man einen andern Verein, eine andere Organisation als gerade die Hamburger Prüfungsausschüsse suchen müsse, um Friedensverhandlungen mit den Ausschüssen zustande zu bringen. Meine Herren, ich stehe nicht auf dem Standpunkte, daß man so Vorgehen sollte, ich bin vielmehr der Meinung, daß hier in diesem Falle die einzelnen Orts- bzw. Kreisvereine einzutreten hätten. Das Bestreben des Börsenvereinsvorstandes geht ja seit Jahren darauf hin, den Buchhandel an den einzelnen Orten möglichst in Ortsvereine zusammenzuschließen, und wir haben von seiten des Vorstands immer und immer wieder bei den Kreisbereinen dahin zu wir ken versucht, dort, wo fünf, sechs Kollegen an einem Orte sind, diese Kollegen zu einer freien Vereinigung zusammenzubrin gen. Es braucht nicht gleich ein Verein mit Statuten, Bei trägen usw. zu sein, eine zweimonatliche oder vierteljährliche Zusammenkunft bei einem Glase Bier und zu einer freien Aussprache genügt vollständig. Aber dort, in diesem kleinen Zirkel, ist die Grundlage gegeben, von wo aus die Verständi gung mit den Lehrerkollegien vor sich gehen sollie. Da kann der Zentralverein, ich will nicht sagen: nichts nützen, aber er kann nicht viel nützen. Hier handelt es sich um eine Sache, die die ortsangesessenen Buchhändler in erster Linie angeht, und wir wissen doch alle: der Buchhändler gehört nun einmal in jeder Stadt zu den gehobenen Persönlichkeiten, unter den vier oder fünf Kollegen ist sicherlich einer, der als Stadt verordneter, Stadtrat oder sonstwie Beziehungen zu der Ver waltung, Beziehungen zu den Rektoren der einzelnen Schulen und zu den Vorsitzenden der Prüfungsausschüsse hat und der durch seine persönlichen Verbindungen an diese Körper schaften herankommen kann. Da sollen die einzelnen Kollegen zusammentreten und soffen nun versuchen, wie ich das in Steglitz getan habe und wie es mir gelungen ist, in ähn licher Weise Fühlung mit den Prüfungsausschüssen zu be kommen und in engen Beziehungen mit ihnen zu bleiben. Das wird uns in dieser Frage vorwärts Helsen, und wenn die Sache so gemacht wird, dann wird sie auch zum Segen des ortsangesessenen Sortiments ausschlagen. Da brauchen wir also keine große Organisation. Natürlich soll damit nicht gesagt sein, daß nun die großen Körperschaften sich nach wie vor zurückhaltend Verhalten und sich den Prüfungsausschüssen ablehnend gegenüberftellen sollen; das soll auch nicht der Fall sein. Auf der andern Seite ist es aber ganz klar, daß vor wenigen Wochen das Erscheinen der Brunckhorstschen Bro schüre eine solche Verärgerung im Buchhandel hervorgerufcn hat, daß es, wenn von seiten der Hamburger Prüfungs ausschüsse, oder von seiten des Herrn Brunckhorst Wünsche uns ausgesprochen würden, ob der Börsenverein nicht mit ihnen in Verhandlungen eintreten sollte, uns kaum mög-