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3. Sind Bestimmungen zu treffen, welche die Mitgliedschaft für jeden Buchhändler zur geschäftlichen Nothwendigkeit machen? Herr Mayer: Wenn man diese Punkte beantworten wolle, so müsse man sich zuerst fragen: ist ein geschäftlicher Zwang vor handen, dem Verein beizutreten? Man müsse es versuchen, solche Vortheile in die Wagschale zu legen, die den Widerstrebenden an locken könnten. Man schaffe werthvolle Anstalten, z. B. eine all gemeine Bestellanstalt, die man nicht entbehren könne. Jedenfalls müsse der Sprung einmal gewagt werden. Herr Bö hl au nährt keine sanguinischen Hoffnungen. Müßten wir die Frage verneinen, so sei der Versuch mit einem Bruch- theil der College» zu machen. Können wir auch nicht große materielle Vortheile bieten, so müssen wir uns fragen: haben wir keine Mittel, die es zu einer sittlichen Nothwendigkeit machen, dem Verein anzugehören? Wer wirklich Sinn für seinen Berus hat, darf nicht bei uns fehlen. So etwas Verführerisches aber, daß Einer sich fragen könnte: „ist nicht meine Existenz gefährdet, wenn ich nicht Mitglied werde", haben wir nicht zu bieten. Wir wollen hoffen, daß der Verein eine starke Vermehrung seiner Mit glieder erfahre, noch mehr aber wollen wir wünschen, daß er an qualitativer Vermehrung gewinne, so daß es heißt, „er ist ein wahrer Buchhändler, denn er ist Mitglied des Vereins". Herr Kaiser: Wir haben es stets versucht, die Polizei und die staatliche Hilfe von uns fern zu halten, sollen wir uns nun mit Zwang Mitglieder zuführen? Wird der Verein wirklich mehr Gewicht haben, wenn er alle 5000 Firmen, die Schulz' Adreßbuch uns aufzählt, als die seinigen nennt? Glaubt man etwa, daß z. B. die Regierungen, welche ans die Stimme des Vereins in allen wichtigen Fragen so viel gegeben haben, darnach frugen, ob hinter dem Vorstand 1000 oder 5000 standen; sie haben die Stimmen gewogen, nicht gezählt. Man könne nicht den Verleger im voraus auf die Statuten von 2b Kreisvereinen, die noch gar nicht da sind, vereiden. — Redner werde für unser jetziges Statut ein Novum bringen, nämlich die Bestimmung, daß der Käufer eines Geschäfts für die Passiva seines Vorgängers auskommen müsse, selbstverständlich nur für die buchhändlerischen. Viele Verleger haben schon das Prinzip, mit Buchhändlern, die dies nicht thun, keine Verbindung zu pflegen. Schürmann habe diesen Punkt schon in seinen llsancencodex ausgenommen. Herr Enslin weist darauf hin, daß Morgenstern's Entwurf die Frage schon präcis beantwortet habe. 5000 Buchhändler haben wir, noch nicht 1500 von diesen sind Mitglieder des Börsenvereins', wenn also noch 3500 Nachkommen würden, so würde der Bereinscassirer zwar mit großer Befriedigung rechnen: 3500 X 30 Mark (Eintrittsgeld) macht in runder Summe 100,000 Mark. Das klinge recht annehmbar, „aber", würden von den 3500 sehr Biele fragen, „was bietet mir der Verein? Wo durch gefährde ich meine Existenz, wenn ich nicht beitrete?" Nein! wer nicht mit Ueberzeugnng zu uns kommt, den wollen und können wir nicht zwingen, und wir danken auch für Mit glieder, die nur ihre 30 Mark Eintrittsgeld bringen und weiter nichts. Herr Kröner. Das Nothwendigste von Allem sei als Novum das Bekämpfen der Schleuderei hineinzubringen. Wollen wir das nicht, so lassen wir lieber alles beim Alten. Er kann sich denken, daß ein Verein noch weiter existiren könne, dessen Mitglieder sich mit dem Rechte begnügen, die Börse und die Bibliothek benutzen zu dürfen; für diese genüge das alte Statut. Aber ein neues Statut zu machen und einen großen Apparat in Bewegung zu setzen, damit es bleibe, wie es war, damit könne er sich nicht befreunden. Herr Morgenstern. Hätten wir mit lauter idealen Menschen zu thun, so wäre es sehr leicht zu regieren. Der Verein war bis jetzt wesentlich kosmopolitischer Natur. Die Frage gipfelt aber darin, Pflichten, die Jeder ersüllen kann, aus zuerlegen und Rechte zu gewähren, die wirklichen materiellen Werth haben. Wir müssen deshalb werthvolle Anstalten ins Leben rufen. Solche Rechte, wie die Benutzung der Bibliothek, schaffen nicht Mitglieder; wer ein Buch aus der Bibliothek ent nehmen will, wird es bekommen, möge er Bcreinsmitglied sein oder nicht. Die geschäftlichen Beziehungen lassen sich auch ohne Verein erhalten. Haben wir nicht eine Möglichkeit, innerhalb gewisser Grenzen selbständig zu handeln, so bleiben wir beim Alten. Was die 5000 Firmen in Schulz' Adreßbuch betrifft, so werden sie ganz wesentlich zusammenschmelzen, wenn man sie genauer wägt, statt sie zu zählen. Herr 0r. Blockhaus verneint unbedingt die Möglichkeit, alle Buchhändler in den Verein zu zwingen. Man könne ein vortrefflicher Buchhändler und doch nicht Mitglied des Vereins sein; er stimme jedoch Kröner bei, daß die Frage einmal zur Entscheidung kommen müsse. Im Ganzen sei er kein Freund der Kreisvcreine. Er stelle den Börsenverein, wie er ist, sehr hoch; mache er sich nur in den nächsten 30 Jahren so verdient, wie in den verflossenen, so könne man nach seiner Ansicht außer ordentlich zufrieden sein. Das Statut sei sowohl reform bedürftig als reformfähig. Aber hiermit sei die Sache auch fertig; es sei durchaus nicht nöthig, den außerhalb des Vereins ehrenhaft bestehenden Buchhändlern entgegenzutreten, alles aus den Kopf zu stellen und ganz andere Ziele wie bisher zu verfolgen. Herr Müller und seine College» sind alle sür die Or ganisation der Kreisvereine mit festen Statuten. Der große Verein könne nicht eine Controle über den Einzelnen üben, das sei Aufgabe der Krcisvereine. Jetzt habe Niemand etwas zu fürchten; der Eine mache es dem Andern nach und verfahre in der willkürlichsten Weise. Herr Schmidt. Ist es nicht möglich, die zwei Fragen zu bejahen, so hätte man lieber ruhig zu Hanse bleiben sollen. Das Wagniß müsse einmal gemacht werden. Es muß eine Form gefunden werden, um dem beängstigenden Zustande ein Ende zu machen, unter welchem der Buchhandel leidet. Herr Kröner erkennt sicherlich die Verdienste des Börsen vereins an; die Frage sei nur, ob er auch künftig noch einen wesentlichen Nutzen stiften könne, wenn er nicht weiter gehen wolle. Wenn man Bedenken trägt, selbst nur den Wunsch nach Reform auszusprechen, wie wird es dann künftig werden? Er habe sich gedacht, daß die Statuten der Krcisvereine festzustellen hätten, was Schleuderei sei, käme nun eine Klage über solche, so gehe man aus die Statuten der Kreisvereine zurück. Der Ausschluß aus dem Vereine sei zwar in erster Reihe nur eine moralische Strafe, aber doch nicht ohne Gefahr sür den Be treffenden. In den Localvercinen werde der Credit ihm wenigstens thcilweise entzogen werden. Deshalb müsse er seinen Zusatz von der Pflege eines soliden Buchhandels vertheidigen. Wer nicht als Mitglied eines Kreisvereins dem Börscnvereine beitrete, müsse wenigstens gut empfohlen sein. Ein Hauptausschuß müsse geschaffen werden, der unter Anderem die Klagen gegen Schleu deren zu beurtheilen hätte. Mit der Brandmarkung der Schleuderei ist die eine Hälfte der Procedur gegen den Schleuderer voll zogen. Haben die Verleger erst an der Hand der Bestimmungen der Kreisvereine einen festen Anhaltepunkt zur Beurtheilung der Frage: „wer ist Schleuderer?", so werden sie sich auch gern der I Bewegung anschließcn. 511*