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100, 1. Mai. 1643 Nichtamtlicher Theil. -! es — ich möchte sagen — mit lachendem Mund. Man ließ cs sich von ihm gefallen. Von seinem natürlichen Muthe, der mit seiner Klarheit, Bestimmtheit und Entschlossenheit zusammenhing, habe ich auch ein Beispiel erlebt. Ein russischer Großer war in der „alten Stadt London", unweit unseres Ladens, eiugckehrl; dessen deutscher Be gleiter mit dem großplatzigen Wesen, das manche verrußte Deutsche annehmen zu müssen glauben, fand sich als Käufer ein und nahm für etwa 1500 Mark gebundene Bücher aus. Sie wurden in zwei große Kisten gepackt und ins Wirthshaus geschafft, die Rechnung übergeben. Aber die Bezahlung ließ auf sich warten, die beiden Prinzipale wurden unruhig; Perthes sagte zu Besser: „ich glaube den Patron wieder zu erkennen, es muß der N. N. sein". Ob ihm vielleicht eine zarte Erinnerung zugestellt worden ist, weiß ich nicht. Genug, der Mann erschien im Laden, Perthes ging ihm entgegen, pflanzte sich zwischen ihn und die Thür und redete ihn an: „Herr, Sie wollen uns betrügen." Wir waren alle starr und auf dem Sprunge, zu Hilfe zu eilen, aber der große, starke Mann gab klein bei, es endigte friedlich. Unterdessen war Besser mit einem Quar tiersmann und Schubkarren in „Stadt London" gewesen, hatte die Kisten wiedergeholt, sie wurden ausgepackt und davon für 800Mark doch noch verkauft und bezahlt. Aber Perthes besaß noch einen bessern und höhern Muth und dieser war es, der ihn in den vielen Prüfungen seines Lebens auf recht erhielt, nie verzagen und nie erschlaffen, nie am Vaterlande verzweifeln ließ. Dieser Muth war freilich auch Gottes Gabe, aber nicht umsonst geschenkt, er hatte sie sich durch ernste Arbeit an sich selbst errungen, bis er mit sich über die höchsten Fragen des Lebens i»i Reinen war und in festem Glauben und unerschütterlichem Gott vertrauen den Stürmen entgcgcntreten konnte, die über das Vater land und ihn selbst hereinbrachen. Das ist in dcrLebensbeschreibung vortrefflich geschildert und vor allem dem heutigen Gcschlechte zur Beherzigung zu empfehlen. Miöcellen. Aus Berlin, 25. April schreibt man der Dtsch. Allg. Ztg.: „Die Interpellation wegen desReichspreßgcsetzes im Reichs tage mit ihren mehr als 100 Unterschriften und die darauf ge folgte Discnssion, bei welcher nur im Sinne freiester Behandlung der Presse gesprochen ward, und zwar nicht bloß von Mitgliedern der nationalen und Fortschrittspartei, sondern auch von einem mehr rechts stehenden, überdies nach seiner amtlichen und socialen Stellung als völlig »unbetheiligt« anzusehendcn Redner — beides wird hoffent lich den verbündeten Negierungen die Ucbcrzeugung beigcbracht haben, daß eine große Mehrheit des Reichstages eine baldige zeit gemäße Erledigung dieser Angelegenheit wünscht, und daß keine Partei wenigstens öffentlich sich gegen eine solche zu erklären wagt. Insoweit hat also dieser Schritt jedenfalls seinen Zweck erreicht, ohne daß im Augenblicke ein besonderer Antrag daran geknüpft wird. Daß die Vorlegung oder mindestens die Durchberathung des Neichspreßgesetzes in dieserSession nicht mehr möglich sein würde, ohne letztere über das nach allseitigein Wunsche ihr zustehende Maß bedeutend anszudehnen — diese freilich bedauerliche Thatsache läßt sich nicht ablcugnen, und ein erneuter Antrag auf Erfüllung der Zusage vom vorigen Herbst wäre, wenn auch an sich gerechtfertigt, doch praktisch entweder unnütz oder sogar schädlich, sofern er höchstens zu einer übereilten Vornahme dieser so wichtigen Materie im letzten Moment des Beisammenseins des Reichstages, vielleicht bei schon sehr gelichteten Reihen desselben, führen könnte. Eine Vorlegung des Entwurfes im nächsten Frühjahre dagegen versteht sich ganz von selbst, und ebenso — nach dem Beschlüsse des Reichstages vom vorigen Frühjahre — eine rechtzeitige vorherige Veröffentlichung, auf welche außerdem auch in der neulichen Discnssion der erste Redner ganz ausdrücklich hinwics. In der That scheint es auch nicht, als ob von irgendeiner Seile weitere Schritte in dieser Sache für den Augenblick beabsichtigt würden." Aus Breslau vom 23. April wird der Dtsch. Allg. Ztg. be richtet: „Der Ausschuß des Deutschen Journalisten'- tages wird nach dem Beschlüsse des diesjährigen Vorortes (Bres lau) Sonntag 5. Mai, Vormittags 11 Uhr, in Dresden (Brühl'- sche Terrasse, Separatzimmer) zusammcntreten. Gegenstand der Berathung wird sein: Festsetzung des Ortes, Termines und der Tagesordnung des siebenten Journalistentages. Als Orte sind vor läufig genannt worden: Mannheim, Hannover, Hamburg. Wir bemerken bei dieser Gelegenheit, daß der diesjährige Vorort Bres lau dem Reichstage 400 Exemplare des vom letzten Journalisten- tagc berathenen Preßgesetzcntwurfes für das Deutsche Reich zu gesandt hat; auch dem Bundcsrath und dem preußischen Ministerium des Innern ist eine Anzahl Exemplare übersandt worden. Selbst verständlich haben auch sämmtliche Mitglieder desJournalistcntages die Broschüre erhalten. Sobald das Abgeordnetenhaus wieder Zu sammentritt, wird der Vorort nicht verfehlen, demselben ebenfalls eine Anzahl von Exemplaren zu übersenden." Am 27. April fand in dem großen Saale der Deutschen Buch händler-Börse die alljährliche Generalversammlung des Deutschen Buchdruckcrvereins unter Vorsitz des Stadtältesten R. Härtel statt. Die Versammlung war, so berichtet die Deutsche Allgemeine Zeitung, von 90 Mitgliedern aus allen Theilen Deutschlands be sucht. Nach der Erstattung des Berichtes über das Vereinsjahr durch den Vorsitzenden, Ergänzung des Vcreinsvorstandes, Rechen schaftsbericht des Cassirers und Genehmigung des Budgets für das vierte Rechnungsjahr beschloß die Versammlung nach längerer Debatte die Gründung einer Central-Unterstützungscasse für deutsche Buchdruckergehilfen, ihre Wittwen und Waisen; das provisorisch an genommene Statut soll durch eine Commission revidirt werden; die Mitgliedschaft an der Casse ist an die Mitgliedschaft an dem Vereine gebunden, die jährlichen Beiträge sind in das freiwillige Ermessen der Mitglieder gestellt. Eine weitere Debatte knüpfte sich an den Antrag des Vorstandes, den auf dem Buchdruckertage in Eisenach gefaßten Beschluß über das Verhalten der Vereinsmitglieder in Fällen eines Strike in die Statuten aufzunehmen; der Antrag fand einstimmige Annahme, ebenso ein dazn gestelltes Amendement, wonach vor Anrufung des dabei vorgesehenen Ausschusses von fünf Vertrauensmännern Ausgleichsverhandlungen in einer aus Prinzi palen und Gehilfen gemischten Commission stattfindcn sollen. Endlich wurde auch nach längerer Debatte die Einführung eines Normaltarifs für ganz Deutschland unter dem Namen Deutscher Buchdruckertarif beschlossen, der unter Zugrundlegung des Leipziger Tarifs von einer Tarifcommission, womöglich gemeinschaftlich aus Prinzipalen und Gehilfen zusammengesetzt, sestgcstellt und einer spätestens im October stattfindenden außerordentlichen Generalver sammlung vorgelegt werden soll. Ein sehr erfreuliches Zeugniß von dem weiten Ruf, in welchem Leipzigs Kun st druckereien stehen, gibt ein in zehn Farben ge- grucktes, lithographirtcs Placat größten Formats, das gegen wärtig von der Buch - und Steindruckcrci von C. G. Naumann ausgestellt und für eine Maschinenanstalt in Rußland bestimmt ist. Personalnachrichten. Der preußische Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, Graf Jtzenplitz, hat Herrn Alexander Dunckerin Berlin zum Mitglied der königl. Landes-Commission für die Wiener Weltausstellung ernannt, „da es wünschenswerth erscheine, daß in der Commission auch der Buch- und Kunsthandel vertreten sei". 220*