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hierbei das Licht nicht mehr von der Rückseite, sondern von vorn. Gegen die Herstellung und Verbreitung solcher Wand bilder legte Hanfstängl-Müller Protest ein. Diese über schritten das Fabrikationsgebiet, was als »Diaphanie« der Firma Hollerbaum L Schmidt zur Ausbeutung freigcgeben sei. Wandbilder aller Art anzufertigen, bleibe auch bei diesen vier Kompositionen Sache seiner Verlagsthätigkeit. Die gerichtliche Untersuchung wegen ungerechtfertigter Nachbildung wurde eingeleitct, und im ersten Termine vom 30. März d. I. machten die Angeklagten den Gegeneinwand: »Die hinter dem Gelatinebilde liegende weiße Platte wirke als Reflektor, welcher Lichtstrahlen von hinten durch das Bild sende. Es könne für den Begriff der Diaphanie keinen Unterschied machen, ob ein selbständiger Beleuchtungskörper, oder die weiße Hinterfläche dieses Licht erzeuge; ihre Fabri kate seien auf lichtdurchlässige Unterlage gedruckt und könnten, wie als Wandbild, so auch als Durchscheinbild verwendet werden«. Um dies zu beweisen, setzten sie vier ihrer Bilder gleichen Formates (ohne die Papprückwand) zu einem Kasten zu sammen und beleuchteten ihn von innen. Der hohe Gerichtshof vermochte bei dieser verfänglichen Experimentation über das bei der Diaphanie im Unterschiede vom Wandbilde Wesentliche nicht sofort eine klare Vorstellung zu gewinnen. Er wünschte von den im Termine anwesenden Sachverständigen eine Darlegung des bei der Diaphanie-Herstellung angewendetcn »Kunstverfahrens«. Der gerichtliche Sachverständige für Photographie, I. Gae- dicke (Inhaber eines chemischen Laboratoriums), erklärte die Anfertigung der vorliegenden Fabrikate und suchte nebenher der Ansicht Geltung zu verschaffen, daß es bei einem trans parent hergestellten Bilde ganz und gar nicht darauf an komme, aus welcher Richtung es beleuchtet werde. Der Referent (gerichtlicher Sachverständiger beim König lichen Landgericht l für Kunstsachen, Eduard Qu aas) mußte dem cntgegentreten. Er versuchte den hohen Gerichtshof davon zu überzeugen, daß — von einem bestimmten Kunst verfahren aus — der Begriff der Diaphanie gar nicht festzustellen sei, weil bei der Mannigfaltigkeit der Kunst vorwürfe cs ein für alle gleich geeignetes Kunstverfahren gar nicht geben könne. Je nach den Erfordernissen einer linearen, einfach schattierten oder mit Farben reich ausgestatteten Bild- släche werden: die Lithographie (ein- oder mehrfarbig), die Photographie mit ihren Schwesterverfahren, die Glasmalerei, als Hilfsmittel auftreten; ja, man werde z. B. für die »Lithophanie« sogar zum Modellierholz greifen müssen, um den Bildschein hervorzurufen. Ein Teil dieser schwer zu schildernden Nachbildungsprozesse könne aber ebensogut dem Wandbilde dienen. Darum sei es ganz nutzlos, sich auf Ermittelung eines Kunst Verfahrens einzulassen; das Ent scheidende läge in Beantwortung der Frage, ob diese Ver fahren ein Produkt geliefert hätten, das als Durchschein- bild (Diaphanie) in den Handel gelangt sei und als solches verkauft werde. Diese Erklärungen genügten dem hohen Gerichtshöfe nicht. Es wurde die Einholung eines Gutachtens des Königlichen Berliner künstlerischen Sachverständigen-Vereins in Vorschlag gebracht und allseitig angenommen, die weitere Verhandlung aber bis nach Eingang desselben vertagt. Im Termin vom 16. Oktober d. I. kam dieses in zwischen eingegangene Gutachten vom 12. August d. I. zur Verlesung; wir lassen es hier im Wortlaut folgen: In der Strassache wider den Kaufmann Emil Kachholz zu Bertm und Genossen wegen unbefugter Nachbildung von Gemälden — 1. II. 1124. 96 — erteilt der Königliche künstlerische Sachverständigen-Verein, nach stattgehabter mündlicher Beratung, an welcher teilgenommen haben: l)r. Dambach, Wirklicher Geheimer Rat und Professor der Rechte als Vorsitzender, "HÄLSS"- «TpE» Jacobh, Professor und Kupferstecher s ' ^ Sch aper, Professor und Bildhauer, > als stell- Manzel, Professor und Bildhauer, vertretende Thumann, Professor und Gcschichtsmaler, j Mitglieder, sein pflichtgemäßes Gutachten auf die von der Strafkammer 4 des Königlichen Landgerichts I zu Berlin vorgedachte Frage ein stimmig wie folgt: Die sogenannte -Plastophanie - stellt sich der -Dia phanie- gegenüber nicht als ein besonderes Vervieliälti- gungsvcrsahren dar; .es ist also derjenige, welcher das Recht hat, nach einem Gemälde -Diaphanieen- herzustellen, da durch zugleich berechtigt, auch »Ptastophanieen- herzustellen. Begründung: Der Hofkunsthändler Eduard Müller zu Berlin hat durch Ver träge vom 5. Juni 1887, 27. Dezember 1886 und 13. Juni 1888 von dem in Wien lebenden Maler E. Schweninger das Verviel fältigungsrecht folgender Bilder erworben: 1. Behüt' Dich Gott (Abschied), 2. Werner überrascht Margareta in der Laube (Ueberraschung), 3. Dornröschen bei der Alten, 4. Dornröschen und der Prinz. Durch Verträge vom 6. und 11. Mai 1895 hat Müller an den damaligen Inhaber der Firma Hollerbaum L Schmidt zu Berlin, den Kaufmann Otto Schmidt ebenda, das alleinige Recht zur An fertigung von Diaphanieen nach den vorbezeichneten Gemälden abgetreten. Schmidt hat nun nicht nur Diaphanieen hergestellt, sondern auch sogenannte -Plastophanieen- nach jenen Gemälden angefertigt in der Weise, daß er die einzelnen Bilder auf dünnes Papier druckte und dieselben alsdann zwischen je eine undurch- fia,Uge Glas- und Porzcllanplatte und eine farblose Glasschewe befestigte, so daß die Bilder nicht, wie die Diaphanieen, unter der Einwirkung des von hinten einfallenden Lichtes wie Glasmalereien erscheinen, sondern Porzellanmalereien ähneln und demgemäß auch als Wandschmuck verwendet werden können. In gleicher Weise haben die späteren Inhaber der Firma Holler baum >ü.' Schmidt, die Kausleutc Emil Kachholz und Hermann John zu Berlin, nach den Schweningerschen Gemälden -Plastophanieen- hergestellt und im Handel vertrieben. Der Hofkunsthändler Müller behauptet nun, daß die Inhaber der Firma Hollerbaum L Schmidt zur Herstellung dieser -Plasto- phanieen- nicht berechtigt seien, da ihnen vertragsmäßig lediglich das Recht zustehe, nach den Schweningerschen Gemälden -Dia phanieen-, d. h. bildliche Darstellungen zu ferrigen, bei welchen das Licht aus der Rückseile durch eine Glasplatte falle, die also durch sichtig und zum Fensterschmuck bestimmt seien. Müller hat des halb unter dem 23. Oktober 1896 bei der Königlichen Staats anwaltschaft I zu Berlin die strafrechtliche Verfolgung des früheren Inhabers und der jetzigen Inhaber der Firma HollerbaumL Schmidt, sowie mehrerer Kunsthändler, welche die vorgedachten -Plasto- phanieen- vertrieben haben, beantragt. Die Beschuldigten haben erklärt, daß die -Plastophanieen- nur als eine besondere Art der Diaphanieen angesehen werden könnten, da das Eigentümliche der letzteren, das Durchdringen des Lichtes von hinten, auch bei ihnen zutreffe, wenngleich das Licht nicht direkt einfalle, sondern erst durch die undurchsichtige Glas- oder Porzellanplatte reflektiert werde. Nach Vernehmung mehrerer Sachverständiger hat die König liche Staatsanwaltschaft unter dem 28. Januar 1897 gegen die Beschuldigten wegen Vergehens gegen das Reichsgesetz vom 9. Ja nuar 1897 die öffentliche Klage erhoben. Das Hauptverfahren ist eröffnet. In der am 30. März 1897 stattgehabten Hauplverhand- lung hat die 4. Straskammer des Königlichen Landgerichts l nach Anhörung von Sachverständigen beschlossen, zunächst noch ein Gut achten des Königlichen künstlerischen Sachverständigen-Vereins dar über einzuholen: ob die sogenannte Plastophanie sich der Diaphanie gegen über als ein besonderes Vervtelfältigungsversahren darstellt, so daß derjenige, welcher das Recht Hai, von einer Photo graphie Diaphanieen herzuslellen, dadurch zugleich berechtigt ist, auch Plastophanieen heczustellen oder nicht? I. Bei den Förmlichkeiten findet sich nichts zu erinnern. II. In der Sache selbst mußte der Sachverständigen-Verein sich unbedenklich dahin aussprechen, daß Plastophanieen und Diaphanieen aus einem und demselben Vervielfältigungsvcrfahren beruhen und demnach ihrem Wesen nach miteinander identisch sind. Unter -Diaphanieen- versteht man im allgemeinen einfarbige