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1588 Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 29, 5 Februar 1910. Kleine Mitteilungen. * Zur Frage des Religionsunterrichtes in den Volks schulen Sachsens. (Vgl. Nr. 4 d. Bl.) — Die Stadtverordneten von Dresden hatten beschlossen, das Königliche Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts unter Überreichung des bisher eingegangenen Materials zu ersuchen: 1. eine Abminderung und Neuauswahl des für den Unter richt in den evangelischen Volksschulen vorgeschriebenen religiösen Memorierstoffes herbeizuführen; 2. in Erwägung über eine Abminderung der Zahl der Religionsstunden in den evangelischen Volksschulen einzutreten und 3. den Entwurf eines neuen Volksschulgesetzes vor der Vor legung an die Ständekammern auch der Stadt- und der Schul gemeinde Dresden zur Begutachtung vorzulegen und den Rat um Beitritt zu diesem Beschlüsse zu ersuchen. Der Rat beschloß im Anschluß hieran in seiner letzten Sitzung, von Erlaß einer Petition des Rates in Sachen der Reform des Religionsunterrichts abzusehen, vielmehr u) der Königlichen Staatsregierung das bisher erwachsene Material sowie Druckabzüge der Berichte über die Sitzungen der Stadtverordneten vom 6. Februar 1908 und 30. Dezember 1909 gelegentlich der Erstattung des erforderten bezirksschulinspektio- nellen Berichts zu überreichen, b) die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, seinerzeit den Entwurf eines neuen Volksschulgesetzes dem Stadtrate zur Be gutachtung mit der Ermächtigung vorzulegen, auch den Schul- ausschuß als Vertreter der Schulgemeinde dazu gutachtlich zu hören. * Vom Reichsgericht. (Nachdruck verboten.) Wegen Feil haltens unzüchtiger Abbildungen hatte sich am 5. Juni v. I. vor dem Landgerichte Tübingen der Optiker Julius Ackermann zu verantworten. Er wurde jedoch freigesprochen. In seinem Laden in Reutlingen hält er Stereoskope und Bilder dazu feil, die er meist aus einem Geschäft in Berlin bezieht, einer sehr an gesehenen Firma, wie das Urteil hervorhebt. Der Angeklagte suchte sich Bilder aus, die meist wenig oder nicht bekleidete Frauenspersonen darstellten. Das Landgericht ist der Meinung, daß die hier in Frage kommenden Bilder das Leben der hoch- gestellten Weltdamen und der keuschen Unschuld darstellen sollen. Die Stellungen seien nicht herausfordernd. Mindestens nach An sicht des Künstlers habe ein idealer Zweck Vorgelegen. Der Künstler wolle dem Minderbemittelten einen idealen Lebensgenuß ver schaffen. Dem Geschmack der Zeit entsprechend, bewege sich der Künstler auf der Grenze des Erlaubten, ohne sie jedoch zu über schreiten. Gewiß würden die Sinne dadurch angeregt. Es sei auch möglich, daß bei manchen Menschen sinnliche Gefühle mit ausgelöst würden. Das sei aber nicht der Zweck des Künstlers gewesen. Es sei möglich, daß der Gesetzgeber sich auf den strengeren Stundpunkt gestellt habe; aber nicht eine Hebung und Schärfung des sittlichen Gefühls bezwecke das Gesetz, sondern es stelle sich auf den Standpunkt der allgemein geltenden Sitte. Auf diesem Standpunkte stehe auch die gesamte Kunst und die Recht sprechung. In einigen der Bilder sei das Geschlechtliche aller- dings so hervorgehoben, daß sie unzüchtig sind. Der Angeklagte habe sie aber nicht dafür gehalten. Gegen dieses Urteil hatte der Staatsanwalt Revision ein- gelegt. Der Reichsanwalt erklärte diese für begründet. Es sei im Urteil gar nicht berücksichtigt, daß die Bilder Serien bilden und daß die Frauenspersonen z. B. sich ausziehen, ohne die dazu zweckmäßigen Bewegungen auszuführen. Vielmehr nähmen sie Stellungen ein, die nur den Zweck der geschlechtlichen Anregung haben könnten. Eins der Bilder sei direkt schamlos. Das Reichsgericht hob das Urteil auf und verwies die Sache an das Landgericht Stuttgart. Faksimile-AuSgaben dänischer Inkunabeln. — Hermann Petersens Verlag (forhen A. Christiansen) in Kopenhagen, Gothersgade I3l, beabsichtigt, eine Reihe von Faksimile-Ausgaben dänischer Wiegendrucke herauszugeben. Zuerst soll erscheinen »?1oros oo LIu.nt./.egol«, das Gotfred af Ghemen (der, nachdem er in Holland gewirkt hatte, um 1490 die Buchdruckerkunst in Kopen- Hagen einführte) 1509, also vor gerade 400 Jahren, druckte, und wovon nur 2 Exemplare, beide jetzt in der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen (das eine noch dazu unvollständig), bekannt sind. Das Buch wird 80 Seiten groß, auf Papier gleich dem des Originals gedruckt und in Kalbleder, mit der Buchdruckermarke Ghemens in Blinddruck auf dem Deckel, gebunden werden. Die dänische Nationalbibliothek hat mit großer Freude die Erlaubnis zur Herstellung gegeben und an dem Unternehmen mitzuwirken versprochen, wodurch hoffentlich eine Reihe der ältesten Erzeugnisse dänischer Buchdruckerkunst, die jetzt teilweise nur in einem oder ein paar Exemplaren noch vorliegen, in getreuen Nachbildungen an Bücherfreunde und Bibliotheken hinausgehen können. (»UsrlinSslre l'ickenäe«, Kopenhagens Konkurs eines dänischen Verlages. — Verlagsbuchhändler Lau ritz Eiby in Kopenhagen, Badstuesträde 10, wurde am 25. Januar in Konkurs erklärt. Sein seit 1892 betriebener Verlag umfaßte in den letzten Jahren hauptsächlich billige Ausgaben von Romanübersetzungen (Zola, Tolstoj u. a.). Da er als sehr vor sichtiger Geschäftsmann bekannt ist, so kommt seine Insolvenz überraschend. Sie rührt namentlich von dem Mißerfolg her, den ein in Deutschland gedrucktes und von ihm eingeführtes Monats- Heft des Nick Carter-Typus hatte. — Die Passiva sollen etwa 80 000 Kr., die Aktiva kaum 10 000 Kr. betragen. Konkurs- Verwalter ist Rechtsanwalt Schoustrup. (»üolitilcen«, Kopenhagen.) Ein schnell hergestelltes Buch. (Vgl. Nr. 26 d. Bl.) - Zu dieser Mitteilung in Nr. 26 d. Bl. empfingen wir von der Buchdruckerei Oscar Brandstetter in Leipzig folgende ein schränkende Ergänzung: Die unter diesem Stichwort aus »Üudlisdsrü' ^Veekl^« über nommene Notiz könnte die Meinung erwecken, daß die berichtete Übersetzung und Drucklegung eines Buches iunerhalb 6 Tagen eine besonders hervorragende buchgewerbliche Leistung sei. Wenn der Übersetzer flott gearbeitet und sein Manuskript der Druckerei laufend zugestellt hat, so bleibt für Satz und Druck gut so viel Zeit übrig, als den Druckereien bei sehr dringenden Arbeiten im allgemeinen zur Verfügung steht. Das trifft auch noch zu, wenn der Umfang des Buches, der nicht angegeben ist, sich über die gewöhnliche Bogenzahl einer Gelegenheitspublikation erhoben haben sollte. In Berücksichtigung dieser Umstände erscheint die Vermutung nicht unbegründet, daß der englische Verlag die Notiz nur behufs Reklame für das Buch lanciert hat, was ihm ja nicht zu verdenken ist; es möchte aber demgegenüber festgestellt werden, daß jede leistungsfähige deutsche Druckerei ohne Schwierigkeit gleich schnell arbeitet. LtaatSunlerstühung zur Herausgabe von Lverr HedinS wissenschaftlicher Reiscbeschreibung. — In dem Gesetzentwurf betreffend den Staatshaushaltsvoranschlag, der dem schwedischen Reichstag bei seiner Eröffnung im Januar vorgelegt wurde, wird zur Bearbeitung und Herausgabe der wissenschaftlichen Ergebnisse von vr. Sven Hedins Reise in Zentralasien 1906—1908 ein Beitrag von 75 000 Kr. vorgeschlagen, der auf die Jahre 1911, 12, 13 mit je 26 000 Kr. zu verteilen ist. (Nach »8ven8ka vn^dlackst«.) * Kunstgewerbemuseum in Berlin. Ausstellung orien talischer Buchkunst. — Eine neue Sonderausstellung im Lichthof des Kunstgewerbemuseums in Berlin unter dem Titel »Orientalische Buchkunst« umfaßt Handschriften und Miniaturen aus den Ländern des Islam einschließlich der Funde aus Ost-Turkistan. Die reizvollen farbigen Miniaturen der persischen Manuskripte seit dem Mittelalter, die virtuosen deko rativen Zeichnungen persischer und indischer Künstler und die prachtvolle Kalligraphie der ganzen arabischen Welt haben neuerdings das lebhafte Interesse der Kunstfreunde und Museen erweckt und sind zu begehrten Sammelgegen ständen geworden. Es ist gelungen, eine wertvolle Übersicht des ganzen reichen Gebietes lediglich aus Berliner Privat- snmmlungen und öffentlichem Besitz zu vereinigen, besonders aus der Handschriftenabteilung der Königlichen Bibliothek, dem Museum für Völkerkunde, den Sammlungen Or. Walter Schulz, Professor