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Redaktioneller Teil. X- 125, 31. Mai 1922. Neue Bücher für Bücherliebhaber und Büchersammler. Von v>. G. A. E. Bog eng. V. <IV s. Bbl. Nr. 8V.) Die Betrachtung der »Billigkeit« eines Buches ist von zwei Seiten her möglich. Man kann den Buchpreis schlechthin entschei dend sein lassen, die Buchware nach ihrer Quantität, nach Buch- größe und Buchumfang vergleichen wollen. Das kommt auf eine Berechnung bedruckter Papierbogen hinaus, ganz gleichgültig, welchen sonstigen Wert sie haben. Man kann aber auch die äuße ren und inneren Buchwerte mit in die Rechnung stellen, die Qualität wägen, nicht die bedruckten Bogen zählen. Dabei drängt sich die Frage nach den Grenzen der möglichen Verbilli- gung eines guten und schönen Buches auf. Wenn, wie die im Börsenblatt veröffentlichte Weihnachtsrundfrage zeigte, die Bücherkäufer lieber einen etwas höheren Preis anlegen wollten, um ein besser gebundenes, besser auf besserem Papier gedrucktes Buch anzuschasfen, so spricht sich darin das deutliche Verlangen aus, nicht schlechthin billige, sondern preiswerte Bücher zu erhal ten und nicht die Wohlfeilheit durch eine Sparsamkeit erkaufen zu müssen, die schließlich Verschwendung ist, da sie ihnen nicht einen Besitz für den Bücherschrank verschafft, sondern etwas, das von Anfang an zu raschem Vergehen und Zerlesen bestimmt scheint. Billigster Preis sollte deshalb auch für den Buchhändler nicht derart maßgebend sein, wie das heute noch vielfach der Fall ist, er sollte lieber das Vergleichen des Preiswerten und Wohlfeilen bei den Betrachtungen über das billige Buch voranstellen, und er wird dabei dann den Bücherkänser auch sehr viel geneigter finden, notwendigen Preiserhöhungen zu folgen, als wenn er ihm stän dig vorrechnet, das sei dann und dann der äußerste Preis ge wesen, der sich trotz des Mühens, an allen Ecken und Enden etwas einzusparen, nicht mehr halten lasse, das Buch werde um eine Mark teurer. Das ist ein Verfahren, das etwa dem Vorgehen des Zigarrenhandels entsprechen würde, der anzeigte: unsere billigste und schlechteste Zigarre, 1914 5 Pfennige, 1921 I Mark 50 Pfennige. Es liegt eine gewisse Kleinlichkeit in dieser buch händlerischen Preispolitik, für die man früher die amüsantesten Beispiele in den Antiquariatskatalogen finden konnte — heut zutage Mallen sich im Gegenteil viele deutsche Antiquariats- katalogc in den merkwürdigsten Preisüberhöhungen —, wenn es hieß: 45 Mark, schon vor Jahren von einem Münchener Antiqua riat für 50 Mark angeboten. Aber wenn es auch eine einheitliche erklärende Formel gäbe, die alle Ursachen der gegenwärtigen schwankenden Verhältnisse des deutschen Wirtschaftslebens zu sammenfaßte, so böte sie noch keine »Stabilisierung« unseres buchgewerblichen Marktes mit seiner so verschiedenartigen Ware. Praktisch dürfte die Regelung doch immer davon abhängen, in wieweit ein ausreichender Käuferkreis gewillt und in der Lage ist, diesen oder jenen Buchpreis für diese oder jene Buchware zu zahlen. Das gilt überall im buchgewerblich-wirtschaftlichen Leben, für die Autorhonorare ebenso wie für die Herstellungsauf- träge, wie für die Sortimenterrabatte, wie für die Ladenpreise, überall wird es gewisse Grenzen geben, die sich nicht überschrei ten lassen werden. Der Verleger wird dem Autor, mit dessen Büchern er nichts verdienen kann, ganz gleich, ob diese Bücher nun gute oder schlechte sind, keine hohen Honorare zahlen, trotz aller Kulturabgabenvorschläge, er wird auf ein Buch nicht Her stellungskosten verwenden wollen, von denen er von vornherein weiß, daß er sie nicht wieder einbringt; er wird, und sei er noch so einverstanden mit dem Verlangen des Sortiments nach aus reichendem Geschäftsgewinn, keine Nettopreise ansetzen, die die Herstellungsmöglichksiten ausschließen, und der Sortimenter keine Ladenpreise, die die Verkaufsmöglichkeiten ausschließen. Ganz gewiß, in dieser Perspektive liegen Absatzstockung und sogar Auf hören des Buchhandels. Für die Betrachtung des Buchgewerbes und des Buchhandels als Geschäftsbetriebe ist es jedoch klar, daß niemand sich auf die Dauer wird Geschäften widmen wollen, bei denen er nicht verdient, und sei es noch so wenig, sondern zusetzt, 774 und sei es noch so wenig. Das deutsche Buchgewerbe und der deutsche Buchhandel haben den Bücherkäuser sehr verwöhnt, es wird notwendig werden, daß auch er seine Ansprüche vernünf tigerweise sich ausgleichen läßt. Wie weit er das jeweilig tun kann oder will, das ist dann wieder jeweilig eine Frage, der eine Antwort zu geben allein dem Buchgewerbe und dem Buchhandel nicht möglich ist. Man nehme etwa das Beispiel der berühmten geschichtlichen Griffelkunstblätter. Um 1900 konnte ein einigermaßen geschickter und wohlhabender Sammler ein vollständigeres Dürer- und Rem- brandt-Werk zu einigermaßen erschwinglichen Preisen zusammen bringen, die Abzüge ersten Ranges, wenn sie im Handel auftauch, ten, waren aber bereits für ihn unbezahlbar. Inzwischen sind aber auch die durchschnittlichen Originalblätter außerordentlich im Preise gestiegen, eine Preissteigerung, die auch ohne den Krieg und seine Nachwirkungen, nur vielleicht langsamer, eingetreten sein würde. Da es indessen auch hier eine gewisse Grenze gibt, an der die gute Nachbildung den schlechten Originalabzug über- trifst, werden immer mehr Kunstfreunde auf die Reproduktionen angewiesen bleiben. Sie müssen sich bescheiden und an diesen Gedanken gewöhnen, die besonderen Verhältnisse des Sammel marktes zwingen sie dazu und das Haushalten mit ihren eigenen Mitteln. Um 1900 ließen sich noch die kostspieligsten Reproduk- tionstechniken mit einer gewissen Verschwendung anwenden, gegenwärtig ist die Ausnutzung eines jeden Vervielsältigungs- bersahrens ein ökonomischer Zwang, der die billigeren Versah, ren vorziehen läßt. Aber es braucht in der notgedrungenen Aus- Nutzung der Vervielsältigungsverfahren nicht lediglich eine Er sparnis der Herstellungskosten zu liegen, denn diese Ausnutzung kann auch zu einer Ausnutzung ihrer technischen Qualitäten wer- den, sodaß ein an den gegenwärtigen Preisen gemessenes billiges Dürer- und Nembrandt-Werk seine kostspieligeren Vor gänger technisch übcrtreffen kann. In dieser technischen Aus nutzungsmöglichkeit der billigeren Vervielfältigungsverfahren, die sich durch die hierauf erstreckenden Bemühungen noch vervoll kommnen werden, ist etwas Tröstliches zu finden. Und es ist ebenso ein Trost, daß man nicht allein mit imaginären Valutazahlen auszurechnen braucht, was jetzt die Originale eines Dürer« oder Nembrandt-Werkes kosten würden, sondern daß man noch im Buchhandel einen sehr annehmbaren Ersatz für sie erhält: Albrecht Dürer Kupfer st ich e. In getreuen Nach, bildungen mit einer Einleitung herausgege- den von Jaro Springer. München, Holbein. Verlag 1920, und Rembrandts sämtliche Radie- rungen. In getreuen Nachbildungen. Heraus gegeben miteiner Einleitung von Hans W. Sin ger. München, Holbein-Verlag. (Mappe l—III.) Diese Prachtwerke in einem schönsten Sinne des viel mißbrauch ten Wortes sind mit aller wissenschaftlichen Sorgfalt bearbeitet worden, von der die Einleitungen zeugen. Ebenso wichtig ist es, daß sie, trotzdem sie billigere Vervielfältigungsverfahren wählen konnten, um einen wohlfeilen Preis zu erreichen, dank deren Aus- bildung die älteren kostspieligen Werke an Genauigkeit und Treue übertresfen, teilweise auch an Vollständigkeit, sodaß einmal der Fall zu verzeichnen ist (der übrigens häufiger ist, als man ge- meinhin meinen möchte), daß die »populäre Edition« aus künst lerischen und wissenschaftlichen Gründen den Luxuseditionen vor zuziehen ist. Erreicht ist diese Höhe der Leistung durch die Aus schaltung manueller Korrekturen, durch die Beschränkung auf die mechanische Reproduktion. Nun ist es freilich nicht gesagt, daß eine mechanische Technik, sei es auch die teuerste, ganz und gar zuverlässig ist, auch das optische Auge, auch die photomechanische Hand sind nicht ohne Schwächen. Aber darum handelt es sich hier nicht, zu untersuchen, bis wieweit graphische Reproduktionen überhaupt möglich sind, sondern darum, einmal festzustellen, welch einen Schatz diese vier großen Mappen umschließen, den zu heben (nach dem postalischen Umrechnungskurse) noch nicht ein mal ein Zwanzigmarkstück erforderlich sein würde. Es wäre leicht gewesen, mit einiger »Aufmachung« (dafür ist diese unschöne Be zeichnung richtig), mit ein paar überflüssigen Zutaten eine erheb liche Verteuerung zu erreichen. Wir wollen es dem Herausgeber und dem Verlage Dank wissen, daß sie einer solchen Versuchung