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pjf 213, 12 September IS12. Nichtamtlicher Teil. «SrI-nil-U f, d DIschn. Buchhandel 1084S frieden und geneigt, die Arbeit der Prüfungsausschüsse herab zusetzen, Es wird ihnen vorgeworfen, daß sie den Buch handel bevormunden wollen, daß sie das billige Buch bevor zugen und daß sie Bücher mit religiöser oder patriotischer Ten denz ablehnen. Diese Vorwürfe bedürfen der näheren Unter suchung, Zuvor aber muß man sich vergegenwärtigen, was die Prüfungsausschüsse geleistet haben. Sie haben den An stoß zu einer gründlichen Reform der Jugendschriften-Kritik :n allen Lagern gegeben, indem sie die Mängel der Jugend- lektllre erkannt und die Menge des vorhandenen Schundes aufgedeckt haben. Sie haben sich seit etwa >5 Jahren der Aufgabe unterzogen, die gesamte Jugendliteratur kritisch durchzuarbeiten und das Gute auszuwählen. Sie unterziehen sich dieser Aufgabe noch jetzt, Jahr für Jahr, Sie haben eine mächtige Organisation geschaffen, um diese große umständ liche und schwierige Aufgabe erfüllen zu könne», und sie sind nicht bei der Kritik stehen geblieben, sondern sie haben auf die Produktion anregend gewirkt, haben Dichtern und Künstlern Aufgaben gestellt, haben die Herausgabe von Büchern bei den verschiedensten Verlegern angeregt, haben Bücher und billige Sammlungen geschaffen und damit auf ihre Weise und nach ihrem Vermögen die borhandeneu Mängel auszufllllcn ge strebt, Diese Leistung muß man sich bergegenwärtigen, wenn man den Prüfungsausschüssen gerecht werden will. Wie weit sie im einzelnen den höchsten Ansprüchen genügt haben, ist Sache des persönlichen Urteils und Geschmacks und wird des halb von manchen verschieden bewertet werden. Einzelne Mängel können aber nicht angesichts der Gesamtleistung we sentlich in Betracht kommen. Was nun die Vorwürfe betrifft, so ist dazu zu sagen: 1, Bevormundung, Es wird geklagt, daß die Lehrer ohne Rücksicht auf die Interessen und Bedürfnisse des Buchhandels verlangen, daß ihre Forderungen allein berück sichtigt werden. Was von einzelnen Lehrern in diesem Punkte gefehlt worden ist, darf aber nicht den Prüfungsausschüssen als solchen zum Vorwurf gemacht werden, denn man muß unterscheiden zwischen Lehrerschaft und Prüfungsausschüssen, Die in den Ausschüssen wirkenden Lehrer bilden hinsichtlich ihres literarischen Urteils und der kritischen Übung eine Elite unter der Lehrerschaft, Wie sich die Bevormundung in ein zelnen Fällen abgespielt hat, ist mir nicht bekannt. Dagegen weiß ich, daß Buchhändler, die bei Elternabenden in Schulen Bücher ausgestellt und verkauft haben, außer den von den Lehrern empfohlenen Büchern auch andere ausgestellt haben, ohne daß es ihnen verboten wäre. Es wird also in jedem Falle auf die beteiligten Persönlichkeiten, Lehrer oder Buch händler, ankommen. Die Leitung der Prüfungsausschüsse hat den Wunsch, sich mit dem Buchhandel zu verständigen, und das lebhafte Verlangen, die Prüfungsausschüsse durch Persönlich keiten außerhalb des' Lehrerschaft zu ergänzen, damit die Ein seitigkeit der Lehrerschaft bei Sichtung und Auswahl der Bücher aufgehoben werde. Es besteht nur die Befürchtung, daß sich solche Persönlichkeiten nicht finden lassen, wegen der großen Arbeitslast und des bedeutenden Zeitaufwandes, die dafür nötig sind. Wenn sich im Buchhandel Persönlichkeiten finden, die sich der Mühe unterziehen wollen, so werden die Prüfungsausschüsse sie mit Freuden begrüßen, Angesichts der Größe und Schwierigkeit der von den Ausschüssen geleiste- ien Arbeit mutz der Buchhandel eigentlich für die Hilfe dank bar sein, denn er selbst ist nicht imstande, diese Arbeit von sich aus zu leisten, 2, Bevorzugung billiger Bücher, Es ist klar, daß die Prüfungsausschüsse auf die billigen Bücher beson deren Wert legen müssen, weil die Eltern der Kinder, für die sic sie aussuchen, sich in ihren Ausgaben beschränken müssen, übrigens enthalten die Verzeichnisse auch genug Bücher in höherer Preislage, Vergleicht man dagegen die Jugcnd- Börftnbtatt für den Deutschen Vuchl,anbei. 79. Jahrgang schriften-Verzeichnisse in den Katalogen der Buchhändler, so kann man da häusig beobachten, daß die billigen Bücher säst ganz unberücksichtigt geblieben sind. Die Klagen der Prüfungs ausschüsse, daß die Buchhändler die billigen Bücher nicht führen wollen, sind im allgemeinen berechtigt, wenn auch nicht verkannt werden darf, daß es den Buchhandlungen viel fach an Raum für die vielen billigen Sammlungen fehlt und es auch keinem Buchhändler verdacht werden kann, daß er lieber die Bücher verkauft, an denen er mehr verdient. Daß trotzdem auch mit den billigen Büchern infolge größeren Um satzes ein gutes Geschäft gemacht werden kann, bestätigen die Handlungen, die sich auf diesem Gebiete bemüht haben. So schreibt ein Hamburger Buchhändler im Börsenblatt: »Einen Schaden für den Buchhandel im allgemeinen kann ich in den Ausstellungen (an Elternabenden) keinesfalls sehen, und wenn der erste Erfolg einer solchen Ausstellung meist den Erwar tungen nicht entspricht, so darf das nicht entmutigen. Die Wiederholung der Ausstellung bringt sicher den gewünschten Erfolg.« Die Buchhandlung Aderjahn L Lehmkuhl in Königs berg, die eine Zentralstelle für Volks- und Jugendlektüre für die Stadt Königsberg, später auch für die Provinz, mit ihrer neuen Volksbuchhandlung verbunden hat und von allen be kannten und guten Sammlungen ein ständiges Auslieferungs lager halten will, schreibt in einem Brief: »Wir schließen uns nicht der üblichen Meinung des Sortimentsbuchhandels an, daß die billigen Sammlungen geeignet wären, den regu lären Buchhandel zu beeinträchtigen, sondern glauben viel mehr, daß es an kaufmännischem Unvermögen liegt, einer Li- teraiurgattung, die ganz neue Volkskreise sucht, Eingang und Verbreitung nicht verschaffen zu können.« Wenn solche Er fahrungen schon jetzt gemacht werden, wo wir noch in den An fängen stehen, welche Perspektiven eröffnen sich da für die Zukunft! 3, Ablehnung der Tendenz, Der Vorwurf, daß die Prüfungsausschüsse Bücher mit religiösem und vaterlän dischem Gehalt ablehnen, wird nicht mit Recht erhoben. Bei der Sichtung der vorhandenen Jugendschriften ergab sich, daß sich unter dem Deckmantel einer religiösen oder patriotischen Tendenz eine Menge Schund versteckte. Dadurch wurden die Ausschüsse gegen alle Bücher skeptisch, die das vaterländische oder religiöse Moment stark in den Vordergrund stellten. Wer die Verzeichnisse durchsieht, wird dennoch eine ganze Reihe von Büchern religiösen oder vaterländischen Gehalts finden. Wenn die Reihe nicht noch größer ist, so wird das Wohl an dem Mange! guter Bücher auf diesem Gebiete liegen, und gegen den Mißbrauch so wertvoller Güter, wie Religion und Vaterlandsliebe, mutz der zuerst und am meisten protestieren, der ein Freund und Verehrer von ihnen ist. Daß auch auf diesem Gebiet Urteil und Geschmack verschieden sind, darf nicht vergessen werden, und man soll bei der Auswahl guter Jugendschristen seine Ansprüche nicht zu niedrig stellen. Es erweist sich also bei näherer Betrachtung, daß die Vorwürfe gegen die Prüfungsausschüsse sachlich nicht haltbar sind. Es soll gewiß nicht verkannt werden, daß die Ausschüsse zuweilen Mißgriffe gemacht und damit den berechtigten Un willen des Buchhandels Herborgerufen haben, aber damit darf der Buchhandel seine ablehnende Haltung nicht rechtfertigen. Er darf seine Kraft nicht in unfruchtbarem Kampf zersplit tern, sonst werden unterdessen andere, Vereine oder Hand lungen, die Arbeit an seiner Stelle aufnehmen. Der positiven Arbeiten gibt es genug, Herr Brunckhorst, der Vorsitzende der Vereinigten deutschen Prüfungsausschüsse für die Jugendschriften und der Verfasser der Broschüre »Grundsätzliches und Praktisches von der Verbreitung guter, billiger Jugend- und Volks-Literatur«, hat allerlei Material zusammengestellt, um die Frage zu beantworten, was bis jetzt schon vom Buchhandel für die Volksbildung im Sinne der 137«