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von Zeitungen gegeben ist. Je weniger behindert sich die Presse ans dem Boden der Gesetze zu bewegen vermag, desto nachdrücklicher kann jede Gefährdung öffentlicher oder privater Interessen getroffen werden, weil jedermann deren Schutz von den berufenen Faktoren der Staatsgewalt er wartet. Ein unerläßlicher Bestandteil der Freiheit der Presse ist die Unbeschränktheit in der Verbreitung ihrer Erzeugnisse, sie folgt schon aus der riesigen Ausdehnung des Verkehrs von selbst. Der Vertrieb der Zeitungen ist aber bisher durch das Verbot der Kolportage teilweise behindert, und dieser Zustand entspricht keineswegs dem Bedürfnis des Publikums, für welches in anderen Ländern durch Zulassung des Straßenverkaufes in ausreichender Weise Sorge getragen ist. Ein ferneres Argument für die Beseitigung der Beschränkung des Betriebes ist die nicht zu leugnende Bedeutung der Presse für die allgemeine Volksbildung. Wenn auch viele der Materien, welche die Zeitungen behandeln, vom Streite der Parteien so weit beeinflußt werden, daß von mancher Seite vielleicht auch jetzt noch der Wunsch gehegt wird, den Ver breitungskreis der Journale thunlichst einzuengen, so ist es doch wohl richtiger, einzelne Widrigkeiten mit in den Kaus zu nehmen, um den Gewinn zu sichern, der in der geistigen Fortbildung der breiten Schichten der Bevölkerung liegt. Von Gewicht ist endlich auch das materielle Moment, Die Herstellung einer guten Zeitung erheischt derzeit einen enormen Aufwand an Geld. Die ehemaligen geringfügigen Gehalte sind ansehnlichen festen Bezügen gewichen, das Personal der Redaktion und der Verwaltung wurde er heblich vermehrt, und die Druckkosten sind ungleich größer. Eine Erhöhung des Abonnementspreises kann dem Publikum nicht zugemutet werden. Nun käme allerdings der Anzeigen teil in Betracht, Aber das Annoucenwcsen hat bei uns bei weitem nicht jenen Umfang wie etwa in Deutschland, Eng land und in vielen anderen Staaten, Das Facit ist, daß im ganzen Reiche nur wenige Zeitungen prosperieren, der große Rest ein kümmerliches Dasein führt. Der Verkauf der Zeitungen auf den Straßen steigert erfahrungsgemäß ihre Auflage; er ist in den meisten Staaten, darunter in England, Deutschland und Frankreich, ihre eigentliche Basis und genügt zumeist, um das schwierige Unternehmen auch rentabel zu machen. Mit je geringeren Kosten aber der Vertrieb der Zeitungen verbunden ist, desto unabhängiger und reichhaltiger kann sich die Presse entwickeln, desto zuver sichtlicher kann von ihr erwartet werden, daß sie ein getreuer Spiegel der öffentlichen Meinung sei. Alle diese Erwägungen sichren dahin, die Kolportage der periodischen Druckschriften freizugeben und sie nur an die unerläßlichen Kautelen zu kniipfen. Auch das objektive Verfahren in seiner gegenwärtigen Gestalt vermag in unseren Tagen nicht mehr standzuhalten. Sowohl die Auffassung, daß damit den Journalen eine Wohlthat erwiesen werde, weil die Verfolgung und Ver urteilung der beteiligten Personen unterbleibe, wie die Ansicht der Presse, daß sie dadurch häufiger zu Schaden komme, als wenn eine persönliche Verfolgung eingeleitet werden müßte, drängen zu einer Aenderung des herrschen den Zustandes in der Weise, daß der Verfall einer Druck schrift wegen ihres strafbaren Inhalts, selbstverständlich durch einen Spruch des ordentlichen Gerichtes, nur dann erfolgen solle, wenn kein Schuldiger vom Gericht gefaßt werden kann, oder wenn die Strafbarkeit des Thäters auf gehoben, oder seine Strafverfolgung ausgeschlossen ist; also nur in jenen Fällen, in welchen keine verfolgbare Person existiert. Weiters wäre mit dem Verfallsverfahren, welches die jetzige objektive Prozedur zu ersetzen hat, bei jener dringenden Veranlassung vorzugehen, welche keinen Aufschub verträgt: wenn in Kriegszeiten einem erlassenen Verbot zuwidergehandelt wird. In allen übrigen Fällen hat der Journalist und Schriftsteller das volle Maß seiner persön lichen Verantwortlichkeit zu tragen; das ist allein das richtige Gegengewicht zu den ihm zugestandenen Freiheiten und dem von ihm in Anspruch genommenen Rechte, seine persönliche Meinung vor der gesamten Oeffentlichkeit aussprechen zu dürfen. Das Berichtiguugswesen ist eine der meist erörterten Partien der Preßgesetzgebung, Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß eine Zeitung, welche eine unwahre Nachricht enthielt, gezwungen sein soll, diese zu widerrufen. Und noch weiter reicht ihre Verpflichtung: sie muß auch die an die Stelle ihrer eigenen Unwahrheit zu setzende Wahrheit Mit teilen, Weigert sie sich dessen, so soll sie durch das Gericht dazu gezwungen und unter Umständen sür ihre beharrliche Ablehnung gestraft werden. Aber die Voraussetzung dieses Zwanges ist doch, daß die Zeitung die Unwahrheit, der Be richtiger die Wahrheit spreche, Ergiebt sich daher, daß der Berichtiger das ihm eingeräumte Recht durch wissentliche Anführung falscher Angaben in seiner Berichtigung miß braucht hat, so gebietet die Gerechtigkeit, daß auch die Zeitung eine entsprechende Genugthuung durch die Bestrafung des unwahrhastigen Berichtigers erhalte. Eine gesetzliche Bestimmung, die in dieser Art Sonne und Wind gleich teilt, wird sich als ein wirksames Mittel erweisen, um den nicht in Abrede zu stellenden, vielfach hervorgetretenen Mißbrauch der Berichtiguugsbefugnis zu verhüten. Noch zwei Neuerungen in diesem Belange sind hervor zuheben, Die Verfügung, daß amtliche Berichtigungen ohne jede Bemerkung iviedergegeben werden müssen, wurde fallen gelassen, »nd ebenso beschränkt sich die Verpflichtung des Abdruckes jeder Art von Berichtigung auf die Unter bringung an einer entsprechenden Stelle im inhaltlichen Teile des Blattes, In ersterer Beziehung wäre zu bemerken, daß die einzelne Nummer einer Zeitung doch nur als flüch tige Erscheinung eines Tages zu bettachten ist, deren In halt schon am nächsten durch die inzwischen eingetretenen Ereignisse vergessen gemacht wird, und es daher einer kaum zu rechtfertigenden Zumutung an den Leser gleicht, wenn man von ihm erwartet, daß er am nächsten Tage sich noch genau an eine, meist nur Detailfragen berührende Berichtigung erinnern solle. So kommt es, daß die Zeitung, die das letzte Wort hat, meist auch recht behält, während es doch auch im wohlverstandenen Interesse der Behörden wünschenswerter ist, daß die amtliche Berichtigung und die Gegenerklärung des Journals gleichzeitig vorliegen und sich so das Urteil des Lesers an beiden bilde. Ebenso ist das bestehende Anrecht auf einen bestimmten Platz für die Berichtigung sachlich nicht begründet; es genügt vielmehr die Anordnung, daß die Berichtigung im inhaltlichen Teile und mit der Schrift der zu berichtigenden Mitteilung aufzu nehmen sei. Die Voraussetzungen, unter welchen die Auf nahme einer Berichtigung erfolgreich verweigert werden kann, sprechen für sich selbst: der Nachweis ihrer Unwahr heit, die Ueberschreitung einer bestimmten Frist oder eines gewissen Umfanges, ein strafbarer Inhalt und der Gebrauch einer anderen Sprache, Eine wesentliche Beschränkung haben die Fälle der Zulässigkeit einer nichtrichterlichen vorläufigen Beschlag nahme erfahren. Inwieweit hier der Zusammenhang zwischen Preßgesetz und Strafgesetz in Betracht kommt, wird noch in einer Schlußbemerkung zu erörtern sein; ent scheidend aber bleibt die in den einleitenden Sätzen dieser Darstellung entwickelte prinzipielle Anschauung über das Maß der der Presse einzuräumenden Freiheit, mit welcher die bis-