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Nummer 165, 18. Juli 1936 sind solche Gerechte hingestreut, die aus keinem anderen Grunde sich dahin verkrümelten, als weil sie zusällig an ein Saugeröhr chen des guten Auskommens gerieten, und sie saugen still daran ohne Heimweh nach dem alten, ohne Liebe zu dem neuen Lande, ohne einen Blick in die Weite und ohne einen für die Nähe, und gleichen daher weniger dem freien Menschen, als jenen niederen Organismen, wunderlichen Tierchen und Pflanzensamen, die durch Luft und Wasser an die zufällige Stätte ihres Gedeihens getragen worden.- So einer war mein guter Freund Peter nicht! Du lieber Gott, wie tapfer mußte er sich als Student durchs Leben schlagen! Das Wechselchen von zu Hause reichte knapp für die Miete, und an jedem Ersten tat es Peter leid, dieses Geld von seinen armen Eltern annehmen zu müssen. Er war »nebenbei« Klavierspieler in einer Tanzkapelle, Zigarettenboy während der Messen, gelegent licher Berichterstatter für Zeitungen, vergaß dabei durchaus nicht aufs Studieren und — das ist das Wunderbare — war immer froh und guter Dinge, war der Lustigste von uns allen! Ein wahrhafter Lebenskünstler! Das kann aber keiner sein, wenn er nicht Zugänge zu tieferen Kraftquellen gefunden hat, wenn er nicht hinter die Kälte und Erbarmungslosigkeit des Lebens zu schauen vermag. Dem einen mag es der starke Glaube an den Sieg seines Willens sein, dem anderen eine tiefe Frömmigkeit. Peter verband einen gesunden Glauben an sich mit der Demut vor dem Göttlichen, und er hatte außerdem einen sichtbaren Kraftquell in seinem ärmlichen Zimmer stehen: Das war sein kleiner Bücherschatz. Peter vermochte es wirklich, sich aus der Zwiesprache mit seinen geliebten Büchern eine vertiefte Freudig keit zu holen, sie vermittelten ihm eine höheren Anschauung vom Sinn des kämpferischen Lebens. Ihnen wandte er sich in freudigen Stunden zu, bei ihnen suchte er Zuflucht in Schicksalsschlägcn aller Art. Da war kein Geburtstag, an dem er sich nicht ein Buch — weiter nichts als ein Buch! — gewünscht hätte, da war keine ersparte Mark, die er nicht in Büchern angelegt hätte! Zwei Erlebnisse, die diesen Lcbcnskünstler in seiner ganzen Buchver- bundcnheit zeigen, haben sich mir vor allem unauslöschlich cin- geprägt. Einmal widerfuhr ihm etwas so Trauriges, daß auch ein wahr hafter Lebenskünstlcr darüber aus seiner Bahn geworfen werden könnte. Es war Peters Art und Wunsch, in solchen Zeiten zu nächst ganz allein mit sich zu sein. Wir warteten also bang einen ganzen Tag, und am Spätabend des nächsten ging ich zu ihm. An die hundert Stufen mußte ich zu seiner kleinen Studentenbude Hinansteigen. Da saß er am offenen Fenster und blickte über die Dächer der großen Stadt. »Peter», sagte ich leise, denn er hatte mich scheinbar nicht cintrcten hören. Nun wandte er sich um. Und er sah mich mit Augen an, die voller Licht und Entschlossenheit waren. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte und stand ratlos vor ihm. Nach einer Pause gab er mir die Hand mit festem Druck. »Bitte nicht mehr drüber reden! Das ruht nun...« Dann ging er hin zu seinem Bücherbrett, nahm mit sicherem Griff einen Band aus Goethes gesammelten Werken, schlug die mit einem Lesezeichen versehene Stelle aus und reichte mir das Buch über den Tisch. Literarische Eine große Anzahl von Schriftstellern und Dichtern hat sich bereit erklärt, in den Zeltlagern der HA aus ihren Werken zu lesen. Aus einer Ausstellung des Kulturamtes der Reichsjugendführung ent nimmt der »Reichs-gugend-Pressedicnst« u. a. folgende Namen: Karl Bröger, Werner Bcumelburg, Josefa Berens-Totcnoht, Friedrich Bcthge, Hans Carossa, Peter Dörfler, Edwin Erich Twingcr, Richard Enringcr, Friedrich Griese, August Hinrichs, Hanns Johst, Ernst Jünger, Kurl Kluge, Woifgang Eberhard Möller, Agnes Miegel, Hans Jürgen Nieren», Felix Riemkasten, Franz Schauwecker, Rainer Schlösser, Gerhard Schumann, Hans Schwarz, Jakob Schaffner, Heinz Steguweit, Margaret- Schicsti-Benilage, Ina Seidel, Lulu von Strauß und Torney, Luis Trcnker, Joses Magnus Wchncr, August Winnig, Hans Zöberlein. Haus Rüschhaus in Münster, der Wohnsitz der Droste, wird als Droste-Erinnerungsstätte hcrgcrichtct. Im Hauptgebäude sollen 840 »Da!« — Ich las Goethes wunderbaren Trost im »Buch des Sängers«: »Im Atemholen sind zweierlei Gnaden: Die Luft einziehn, sich ihrer entladen. Jenes bedrängt, dieses erfrischt; So wunderbar ist das Leben gemischt. Du danke Gott, wenn er dich preßt, Und dank' ihm, wenn er dich wieder entläßt.« Peter hat das Leben gemeistert! Er ging mit seinen lachenden Augen in den Tag und packte an, wo er konnte. Unermüdlich war er im Erfinden immer neuer Lebensmöglichkeitcn. Dann machte er Examen und bestand vorzüglich. Eine Tante von ihm — er glaubte sich von ihr seit langem vergessen — schickte ihm darauf hin hundert Mark. Einhundert Mark!! Das war für Peter ein Vermögen, etwas fast Unvorstellbares, eine kühne Idee! Und in der wunderbaren Entlastung, die der Spannung der Prüsungs- tage folgte, tat Peter etwas, was nur er vermochte! Ich traf ihn lesend und freudestrahlend in seinem Zimmer an. »Du», sagte er lachend zu mir, «heute bin ich mal John Kabys». Ich blickte ihn verständnislos an, und er reichte mir das Büchlein. Es war Kellers »Der Schmied seines Glückes«. Die Erzählung von dem faulen John Kabys, dem das launische Schicksal einige Monate schlemmerhaften Lebens beschert. »Seit einer Stunde bereite ich mich vor, diesen Vormittag einmal so ganz, ganz behäbig zu ver leben. So wie einer, der es restlos geschafft hat, einer, der keine Sorgen mehr hat! Da! So werde ich's gleich mit dir machen!!« Ich las die Stelle, in der Keller den John Kabys so recht im Glücke sitzen läßt: »Als er eine halbe Stunde lang den Duft und Sonnenschein, den Schatten und die Frische des Brunnens genossen, ging er ernsthaft hinaus auf die Straße, um die Ecke und trat in einen Gebäckladen, wo er drei warme Pastetchen samt zwei Spitz gläsern feinen Weines zu sich nahm. Hieraus kehrte er in den Garten zurück und spazierte abermals eine halbe Stunde, doch diesmal eine Zigarre dazu rauchend. Da entdeckte er ein Beet voll kleiner, zarter Radieschen. Er zog ein Bündel davon aus der Erde, reinigte sie am Brunnen, dessen steinerne Tcitonen ihn mit den Augen ergebenst anzwinkerten, und begab sich damit in ein kühles Bräuhaus, wo er einen Krug schäumendes Bier dazu trank ...- Peter zwinkerte mich lustig an, und dann ging er mit mir los, klimpernde Silbcrstücke in der Tasche. Er schenkte sich sein kleines Fest! In der Markthalle kaufte er pikante Appetits- Happen, erstand auch einen mächtigen »Radi«, und dann gings mit Riesenschritten in den »Thüringer Hof», in eine kühle, stille Ecke hinein. Und als der erste Schluck des kühlen, köstlichen Bieres durch seine Kehle rann, hob er den Kopf wie ein trinkendes Huhn, lächelte dankbar und glücklich und sagte: »Prost, Tante!... Und Prost auch, Keller!«... Am Nachmittag dieses Tages aber packte er den »Schmied seines Glückes« wieder weg und ging erneut an sein Schaffen. Über seinen Schreibtisch hing er sich einen Zettel, und darauf stand Goethes Wort aus dem »Buch der Sprüche«: »Noch ist es Tag, da rühre sich der Mann! Die Nacht tritt ein, wo niemand wirken kann.» Nachrichten die von der Dichterin als Wohnung benutzten Räume in den früheren Zustand versetzt werden. Für die Inneneinrichtung wird die Droste- Gesellschaft Material zur Verfügung stellen. Betreuer des Nüschhauscs ist Prof vr. Schulte-Kemminghausen. Die Diele des Hauses soll für literarische uud kanuuermusikalische Veranstaltungen dienen. Auch in diesem Jahre wirb Ilmenau in althergebrachter Weise Goethes Geburtstag festlich begehen. Am 28. August be wegt sich in der Mittagsstunde der Zug der »Auswanderer« aus Goethes »Hermann und Dorothea« nach dem Marktplatz, wo die Be gegnung mit »Hermann und Dorothea« stattsindet. Nachmittags wird »Hermann und Dorthea« auf der Waldbühne am Lindenbcrg durch die Schüler und Schülerinnen der Goethefchule aufgeführt. Vom 26. September bis 2. Oktober wird in Detmold, in der Heimat Christian Dietrich Grabbes, zur Erinnerung an den hun-