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114, 19, Mai 1904, Nichtamtlicher Teil. 4389 Die Bewegung war folgende: Im Laufe des Jahres 1903 traten 20 Konzessionsträger und 5 Teilhaber aus der Korporation aus; dagegen traten 32 Konzessionsträger und 3 Teilhaber in die Korporation ein. Von den ausgeschie denen 20 haben 15 ihr Gewerbe zugunsten ihrer Nachfolger, 5 dagegen ihre Konzession unbedingt zurückgelegt. Bei den Neueingetretenen handelte es sich dementsprechend in 15 Fällen um Übernahme zurückgelegter Konzessionen, während 17 neue Konzessionen erteilt wurden. Die Zahl der protokollierten Lehrlinge betrug am 31, Dezember 1903 64 (ausschließlich männliche); sie waren bei 46 Lehrherren untergebracht. Im Laufe des Jahres wurden 25 Lehrlinge freigesprochen; neu ausgenommen wurden 24 Lehrlinge, Die Zahl der Mitglieder der Ge hilfenkrankenkasse betrug am 31, Dezember 1963 557, und zwar 535 männliche und 22 weibliche; diejenige der Hilfs arbeiterkrankenkasse 915, nämlich 722 männliche und 193 weibliche. Im allgemeinen kann das vergangene Jahr als ein ruhiges bezeichnet werden, was schon darin seinen Ausdruck findet, daß nur drei Ausschußfitzungen abgehalten wurden, und zwar am 16, Juni, 17, November 1963 und 7, April 1964, Nichtsdestoweniger gelangten 555 Geschäftsstücke zur Erledigung, Da Sie über die wichtigeren Angelegenheiten durch die Protokollauszüge und sonstigen Verlautbarungen in der »Österreichisch-ungarischen Buchhändler-Coriespoiidenz- auf dem Laufenden erhalten worden sind, so erübrigt mir nur, über einige bedeutende Punkte besonders zu referieren. Die Berichtsperiode zeichnet sich durch eine namhafte Ausgestaltung der inneren Institutionen unserer Korporation aus. Die hohen Wogen, die die Frage des Bücherzolls anfangs des vorigen Jahres geworfen hat, sind wieder ge schwunden, zum Teil durch die Hoffnung, daß, wenn es uns auch nicht gelingen sollte, daß der Zoll auf gebundene Bücher aus dem autonomen Zolltarif gelegentlich der parlamentarischen Behandlung eliminiert werde, derselbe doch wenigstens in den Verhandlungen mit den wichtigsten Kulturländern im Vertragswege entfallen werde. Daß der autonome Zolltarif noch nicht zum Gesetze geworden ist und das Gespenst des Bllcherzolls immer noch droht, ist zum größten Teil der so bedauerlichen Untätigkeit unsers Parlaments zuzuschreiben und den ungeklärten inner- politischen Verhältnissen der Monarchie überhaupt. Diese Gründe haben auch bewirkt, daß die Preßgesetznovelle noch immer nicht aus dem Stadium der Vorberatung ge treten ist. Viele industrielle Körperschaften haben in der letzten Zeit Resolutionen gefaßt gegen diese bedauerlichen Zustände und an die Regierung und an das Parlament um Abhilfe appelliert. Unter den gegebenen Verhältnissen erscheinen aber alle diese Resolutionen als ein Schlag ins Wasser; viel wirk samer wäre es, wenn man sich an das Volk wenden und bei ihm eine höhere politische Einsicht erlangen und erreichen könnte, daß es künftig Männer zu seinen Vertretern wähle, die seine Interessen wahrnehmen und sich nicht in unfrucht baren Diskussionen abmühen würden. Nur das Erwachen eines regeren politischen Gefühls in den breiten Kreisen der Bevölkerung kann hier eine Besserung bringen. Vier Momente sind es, die in der inneren Entwicklungs geschichte unserer Korporation besondere Erwähnung verdienen. In Ausführung Ihres Beschlusses in der letzten Korporations versammlung wurde der Besuch der Gremialhandelsschule für unsre Lehrlinge obligatorisch erklärt und mußten infolge dessen alle Lehrlinge, die seit 1, Januar 1963 in die Kor poration ausgenommen wurden, im Oktober des verflossenen Jahrs in eine Gremialhandelsschule eingeschrieben werden. Im Herbst dieses Jahres hoffen wir auch einen Buchhändler spezialkurs eröffnen zu können, vorausgesetzt, daß es uns Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 71, Jahrgang gelingt, eine dafür geeignete Lehrkraft zu gewinnen. Auch haben wir uns der Mithilfe mehrerer Prinzipale versichert, die ebenso wie der Konsulent der Korporation die Güte haben werden, in diesem Kurs einige Vorträge über spezielle Gegen stände, wie insbesondere über den Musikalienhandel, Antiquar buchhandel, die preß-, gewerbe- und urheberrechtlichen Be stimmungen zu halten. In Ausführung eines weiteren Beschlusses der letzten Korporationsversammlung wurde ein llnterstützungs- fonds ins Leben gerufen, der schon jetzt manches zur Lin derung unverschuldeter Not beiträgt, Herr Dachauer als Kassierer unserer Korporation wird Ihnen über diesen Fonds ziffermäßigen Bericht erstatten, eine namentliche Aufführung der Beteilten ist jedoch nach einem Beschluß der Vorstehung in öffentlicher Versammlung nicht statthaft. Im Herbst vorigen Jahres hat die niederösterreichische Statthalterei eine Verordnung erlassen, wonach nunmehr für das Handelsgewerbe die volle Sonntagsruhe in Wien ein geführt worden ist. Bedeutet dieser Beschluß der politischen Behörde auch für manchen eine Einschränkung in seinem Geschäftsbetriebe und hat er auch in mehreren Korporationen schon auf starken Widerspruch gestoßen, so ist durch denselben doch eine Ursache entfernt, die seit Jahren immer wieder auch in unserer Korporation zu Differenzen mit der Gehilfen schaft geführt hat. Die Einführung der Sonntagsruhe ist aber noch mehr als aus diesem Grunde deshalb zu begrüßen, weil sie ebenso den Chef wie den Gehilfen zwingt, am Sonntag der bei der neroenanstrengenden Tätigkeit unserer Zeit doppelt notwendigen Ruhe zu pflegen, Ende November vorigen Jahres ist endlich das neue Übereinkommen unserer Korporation mit dem Finanzärar betreffend die Pauschalierung der Rechnungs- und Bücherstempel perfekt geworden. Nach dem neuen, in der »Buchhändler-Correspondenz» abgedruckten Übereinkommen ist dasselbe nicht mehr ein obligatorisches, sondern ein fakul tatives, dem bis heute 186 Mitglieder beigetreten sind. Vor kurzem wurde eine Anzahl Wiener Buchhändler von der Polizei verwarnt, weil sie anstößige Literatur erzeugnisse zum Teil mit marktschreierischen Bemerkungen in die Auslage ihres Geschäftes gestellt hatten. Es ist gewiß auch Ihrer Wahrnehmung nicht entgangen, daß im Laufe der letzten Jahre die sogenannte pikante Lite ratur, Werke mit zweideutigem, unanständigem und auch direkt unsittlichem Inhalt, mit Abbildungen, die auf den Sinnen kitzel spekulieren, in erschreckender Weise zugenommen hat. Die moderne Buchausstattung, die ohne anreizende Abbil dungen auf dem Umschlag ihr Auskommen nicht zu finden glaubt, trägt an dieser Erscheinung gewiß auch das ihre bei, bringen uns die Leipziger Sendungen doch allwöchentlich Bücher ins Haus, deren harmloser, oft trivialer Inhalt durch grelle, pikante und unanständige Titelbilder leichter an den Mann gebracht werden soll. Auch ohne prüde zu sein, kann man ein Gefühl des Bedauerns nicht unterdrücken, wenn man beobachtet, wie namentlich die schöngeistige Literatur in dieser Hinsicht sich verflacht und verschlechtert, und beängstigt wird man, wenn man bedenkt, welch Unheil die frivole, lüsterne Literatur in den Köpfen der Heranwachsenden Jugend anzurichten vermag. Nur zu begreiflich ist, daß gegen das Überhandnehmen dieser Literatur sich eine starke Bewegung bemerkbar macht, und wenn ich auch nicht glaube, daß dieser aus unserer kulturellen Entwicklung erwachsenden Erscheinung durch Polizeimaßregeln Heilung gebracht werden kann, so ist durch die Stellungnahme des Buchhandels doch eine gewisse Ein dämmung hierin möglich, und deshalb bringe ich gern die in der letzten Sitzung der Vorstehung zutage getretene An schauung zum Ausdruck. 581