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235, 9. Oktober 1909. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 11859 der Buchmalerei für lange Zeit vorbildlich gewirkt hat. Von ihm stammen auch die Bilder der sieben freien Künste in der Historia, Lelwlastiea, ferner die Kopie einer im Jahre 1168 im Kloster Prüvening bei Regensburg entstandenen Sammelhand schrift mit zahlreichen getönten Federzeichnungen. Das dreizehnte Jahrhundert ist in der Ausstellung außerdem durch die eigenartigen Illustrationen der berühmten Benediktbeurer Sammlung lateinisch.deutscher Vagantenlieder vertreten, die Liebe und Lebensgenuß zum Gegenstände haben. An Denkmälern aus der Blütezeit der mittelhochdeutschen Dichtung können ferner ge nannt werden die interessanten Bilderzyklen, die den Tristan des Gottfried von Straßburg, den Parzifal des Wolfram von Eschen bach und den Wilhelm von Orleans des Rudolf von Ems illustrieren. Ein ganz hervorragendes Dokument deutscher Jllustrierkunst ist die aus bayerischem Privatbesitz stammende Weltchronik des Rudolf von Ems, in der sich ein Geschmack und eine künstlerische Kultur offenbart, die den Beschauer in Entzücken versetzen. In diesem Zusammenhang sei auch gleich das prächtig erhaltene, 1483 in Konstanz entstandene Wappenbuch des Ritters Kvnrad von Grünen berg genannt. Als Repräsentanten eines von Böhmen beeinflußten, deko rativ sehr wirksamen Jlluminierstils lernen wir in der Ausstellung zwei in Kloster Metten 1414/1415 geschriebene, mit Federzeich nungen und Malereien reichgeschmückte Handschriften kennen: die Regel des hl. Benedikt und eine Armenbibel. Gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts führt das von dem Regensburger Meister Bertold Furtmeyr für den Salzburger Erzbischof Bernhard von Rohr gemalte fünfbändige Meßbuch, worin in zahlreichen Bildchen, die wie zarte Verkleinerungen größerer Gemälde an muten, mit unendlicher Liebe und einer Naturfreudigkeit ohne gleichen der ganze bunte Reichtum der Welt dargestellt ist. Von gleicher köstlicher Wirkung wie die Bilder ist auch der Jnitial- und Rahmenschmuck. Das sechzehnte Jahrhundert ist mit drei sehr charakteristischen Werken vertreten. Da sind zunächst das mit den wundervollen Randzeichnungen Dürers geschmückte Gebetbuch Kaiser Maximi lians I., sodann die Wittenberger Bibel mit den von Lukas Cranach d. I. gemalten Bildnissen Luthers und Melanchthons und endlich die beiden Prachtbände der Bußpsalmen Orlando di Lassos, denen Hans Mielich in den Jahren 1565—1570 fall der Buchmalerei hindeuten, besitzen wir im Gebetbuch des Kaisers Maximilian ein unübertroffenes Denkmal echter Buch kunst. Typographisch ist dieses Dokument von ganz besonderem Reiz. Die Buchstaben stehen satt und schwarz auf dem warmen Grunde des Pergaments. Um das Buchstabenrechteck, das ge schlossen als festgefügte Wand auf der Seite steht, ziehen sich wie ein leichtes, flüssiges Spiel die feinen, in farbiger Tinte ausge führten Federzeichnungen. Das Arrangement durchbricht die ge bräuchliche strenge Ordnung der Seitenleisten und baut sich wie eine Trophäe in einer reizvollen Unsymmetrie auf. Auch gibt Dürer in seiner Rahmendekoration dem gedanklichen Zierat vor dem rein ornamentalen den Vorzug. Er will nicht bloß schmücken, sondern illustrieren, erläutern, vertiefen. Trotzdem sind die Rahmen aus einem Guß, die Wirkung des Ganzen ungemein maßvoll und ruhig. Jedenfalls gebührt der Direktion der Münchener Hof- und Staatsbibliothek für die Veranstaltung dieser bedeutsamen Minia turenausstellung, über die ein Katalog von Oberbibliothekar v>-. Leidinger orientiert, der Dank aller derjenigen, die an der Entwicklung der Buchkunst interessiert sind. E. N. Kleine Mitteilungen. Neuere gerichtliche Gutachten der Handelskammer in Berlin. — Klischees. Im Handelsverkehr zwischen Ätzanstalten (nicht Lithographen) und Buchdruckereibesitzern — nicht nur gegenüber Privatpersonen — werden handelsüblich Klischees, die kleiner als Reklame. In der Reklamebranche besteht kein Handels gebrauch, nach welchem für einen auf Bestellung gefertigten Reklameentwurf dann keine Vergütung gezahlt wird, wenn auf Grund des Entwurfs kein Auftrag erteilt wird und bei der Be stellung des Entwurfs über die Zahlung einer Vergütung nichts vereinbart worden ist. Es ist vielmehr handelsüblich, auch mangels einer besonderen Vereinbarung bestellte Entwürfe zu bezahlen, sofern keine Ordererteilung auf Grund dieser Entwürfe erfolgt. 10268/09. Verlag. Im Verkehr zwischen Verleger und Autor wird mangels entgegenstehender Abrede ein festes Honorar pro Druck bogen für Lieferung einer literarischen Arbeit nach allgemeinem Brauch auch dann in voller Höhe gezahlt, wenn der Text durch Illustrationen unterbrochen wird. Es muß sich aber hierbei um Illustrationen handeln, deren Anordnung und Bezeichnung eine geistige Arbeit des Autors darstellt. Ob der Verleger die rein technische Fertigstellung des Jllustrationsmaterials selbst besorgt, ist unerheblich. 8. ^V. *Bom Geldmarkt. (Vergl. Nr. 78 d. Bl.) — Die Bank von England hat am 7. Oktober die Diskontrate von 2*/, auf 3A hinaufgesetzt. Der Satz von 2'///o bestand seit 1. April 1909. Er hatte sich in dieser Höhe vom 28. Mai 1908 bis 14. Januar 1909 erhalten. Vom 14. Januar 1909 bis 1. April 1909 betrug die Rate 3"/g. Der Weltpostverein. — In seinem Buche »8'Union p08t,a.lk universelle« (Bern 1908, 2. Auflage) erwähnt der Sekretär des Berner Weltpostamtes Hubert Krains, daß der deutsche Schriftsteller Klüber schon 1811 von einer »Weltpost anstalt« sprach. 1859 gab der dänische Postmeister Joseph Michaelsen bereits die unmittelbare Anregung zur Schaffung einer Weltpostvereinigung. Aber die Zeit war noch nicht erfüllt. 1863 fand in Paris auf Antrag des Generalpostmeisters der Ver einigten Staaten von Amerika Blair eine bloß beratende, nicht beschließende Konferenz der Vertreter von fünzehn europäischen und amerikanischen Postverwaltungen statt, um Vorschläge zu prak tischen Grundsätzen für die Verbesserung der internationalen Post verhältnisse auszuarbeiten. Im Jahre 1869 trat der Norddeutsche Bund mit einem von dem großen Postfachmann Heinrich von Stephan ausgearbeiteten, sehr eingehenden Planeines Weltpost vereins und eines Weltpostkongresses an die Regierungen der Kulturstaaten herum Nach einer durch den Krieg von 1870/71 verursachten längeren Unterbrechung nahmen die diplomatischen Verhandlungen einen lebhaften Fortgang, und nur die zögernde Haltung der russischen Postverwaltung verschuldete es, daß der geplante Kongreß, vom schweizerischen Bundesrat nach Bern einberufen, erst am 15. September 1874 zusammentreten konnte. Mit Recht betont Krains, daß von Stephan für die Vorarbeiten zur Gründung des Weltpostvereins, der in Bern bereits nach vier Wochen zustande kam, schon deshalb die geeignetste Persön lichkeit war, weil er an dem ihm nahestehenden deutsch-österreichisch- ungarischen Postverein (seit 1860) ein gutes Vorbild hatte, der namentlich seit 1868 ein Muster von Einfachheit und Einheitlichkeit der postalischen Beziehungen geworden war. Bei den Berner Beratungen von 1874 handelte es sich vor wiegend um die folgenden Prinzipien, die im großen ganzen den Stephanschen Vertragsvorschlägen zugrunde lagen: Vollkommene interstaatliche Durchzugsfreiheit der Postsendungen; Festlegung einheitlicher, mäßiger Transitgebühren; Verbilligung und Gleich förmigkeit der Frankatur- und Portosätze; Beseitigung jeder Frankatur- und Portoteilung zwischen den an einer Sendung beteiligten Staaten; Regelung der Haftpflicht für in Verlust geratene Sendungen; Gründung einer Weltpostvereinigung ohne politische Grenzen und Schaffung einer Zentralstelle in der neutralen Schweiz nebst Herausgabe eines Vereinsorgans (»I/l7nion postale« Bern) in den drei Hauptsprachen. Man einigte sich auf ein Briefporto von 25 Centimes (2'/s Pence, 20 25 H.) für je 15 S, auf ungefähr die Hälfte für Postkarten, auf 5—7 Centimes für 50 § Drucksachen und andere gleich niedrige Sätze, die seitdem immer wieder ermäßigt worden sind. Auf diesem ungemein soliden Fundament erfolgte der Weiterbau und die Ausgestaltung des Weltpostvereins zu einem immer vollkommener werdenden Bau, der jetzt 113 Millionen Quadratkilometer mit 1150 Millionen Bewohnern umfaßt. Im Gesamtverkehr des Welt postvereins wurden im Jahre 1908 ausgetauscht (in runden Ziffern): 18 Milliarden Briefe, 6 Milliarden Postkarten, 16 Milliarden Druck sachen, Warenmuster, Zeitungsnummern und Geschäftspapiere, 1541*