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6968 Nichtamtlicher Teil. .8 194, 22, August 1904. Nicht alle Unternehmungen glückten; aber große Er folge des bis ins Greisenalter rastlos und mit Verständnis tätigen Mannes vermehrten seinen Wohlstand und ge statteten ihm, den Neigungen eines Kunstsammlers nachzu gehen; das Vertrauen seiner Kollegen berief ihn zum Amte des zweiten, dann des ersten Schatzmeisters im Börsen verein, und als rüstiger Achtzigjähriger konnte er mit stolzem Selbstbewußtsein auf ein taten- und erfolgreiches Leben zurllckblicken. Das Bild, das der Biograph von seiner Person entwirft, wird auf jedermann sympathisch wirken: ein ehrenhafter Mann, nicht wortreich, aber in allem strengste Auffassung betätigend, im Geschästsleben pedantisch und doch weitblickend, seinen Freunden gegenüber hilfreich und warmherzig. Am 8. Februar 1901 verschied er sanft, von allen betrauert, die ihn kannten. Die Beziehungen Haessels zu Konrad Ferdinand Meyer verdienen eine gesonderte Betrachtung. Gleichwie dem Buchhändler die Namen Schiller und Goethe mit Cotta, Heine mit Hoffmann L Campe zusammenklingen, so wird für Jahrzehnte der Name Konrad Ferdinand Meyer mit dem seines getreuen Verlegers Haessel zusammen genannt werden müssen. -Mit sicherem Urteil«, sagt Sorgenfrey, »hat Haessel zuerst die Bedeutung von Konrad Ferdinand Meyer erkannt.« Sicheres Urteil! Die wich tigste Eigenschaft des unternehmenden Verlegers! Heut zutage wird freilich Konrad Ferdinand Meyer von den be rufenen Literarhistorikern in einer Reihe mit Gottfried Keller genannt; aber damals, in den sechziger Jahren, hat er vergebens an allerhand Türen geklopft. Jahrelang hat er sich mit »Taglöhnerei«, mit Übersetzungen aus dem Deutschen ins Französische und umgekehrt beholfen, vergebens hat er sein Manuskript -Bilder und Balladen« der Leipziger Firma I. I. Weber angetragen. Von dieser erhielt er abschlägigen Bescheid und den Rat, sich an Costenoble oder an Cotta zu wenden. Gleich höfliche und doch nichtige Ablehnung erfuhr er bei der Redaktion des Morgenblatts in Stuttgart. Noch 1863 meinte Professor Pfizer, um ein Urteil über die ihm im Manuskripte vor gelegten Gedichte angegangen, er sei wohl ein bedeutendes Talent zweiten Ranges, es fehle ihm jedoch der Hauch, an dem man den Dichter erkenne. Endlich will eine Verlagshandlung den Band (wie Meyers Schwester ihm schreibt: 4 sss risgues st psrils) drucken, das Ganze sollte auf 400 Frcs. zu stehen kommen; endlich, 1864 (im 39. Jahre seines Lebens), erreichte der Dichter, daß die Metzler'sche Buchhandlung -Zwanzig Balladen von einem Schweizer- ohne Nennung seines Namens auf dem Titel blatt akzeptiert. Aber noch fehlte der Erfolg; da brachte eine Schweizer reise Hermann Haessel mit dem Dichter zusammen, und dieser las dem Buchhändler einige seiner Gedichte vor. Freudig griff Haessel zu, wie er auch ein Jahr später lebhaft genug die Hand nach dem Jenalsch ausstreckte, dessen Plan ihm der Dichter mitteilte. Ende 1869 erschien ein Bändchen Gedichte unter dem Titel -Romanzen und Bilder- von Konrad Ferdinand Meyer; gleichzeitig traten auch die Balladen wieder auf den Plan, die Haessel aus dem Metzler- scheu Verlag erworben und mit neuem Umschlag und Titel blatt ausgestattet hatte. (Adolf Frey, Conrad Ferdinand Meyer. Sein Leben und seine Werke. Seite 206.) Dichter und Verleger, die sich gefunden hatten, blieben nun unzertrennlich beisammen; kein Werk Meyers ist in einem andern Verlag erschienen. Langsam eroberte sich Meyer die Gunst des Publi kums; es hat ja, wie sich Ludwig Fulda in einem Feuille ton über Theaterstücke kürzlich drastisch ausdrückte, immer mehr Kartoffelesser als Kaviaresser gegeben, und Meyer ge hörte nicht zu den Dichtern, die im Sturm für sich ein nehmen, er war vielmehr einer, der dem Leser viel bietet — aber auch viel von ihm verlangt. Das Publikum ging nicht gleich mit; aber Haessel harrte aus. Bevor die erste Auflage des -Hutten« vergriffen und ihre Kosten ge deckt waren, ließ Haessel im August 1872 eine zweite und mit ihr gleichzeitig »Engelberg« erscheinen, beide ohne sonderlichen Erfolg; denn zehn Monate später, im Juni 1873, waren von »Engelberg« ungefähr 360 und von der zweiten Huttenauflage noch keine ISO Exemplare verkauft Aus Basel zum Beispiel, klagt Haessel, war trotz einer in den Basler Nachrichten erschienenen umfangreichen und günstigen Besprechung von Buchhändlern bis zum Hochsommer 1872 überhaupt auch nicht ein einziges Exemplar »Hutten« verlangt worden. Im September 1876 erschien »Jürg Jcnatsch-, und im Oktober klagte Haessel, daß das Buch gar keinen Anklang finde. Von Interesse ist eine Abrechnung vom 14. September 1874, die wir dem Buche von Adolf Frey entnehmen: Amulet. Herstellungskosten ISS Thlr. Auflage 750 Vorrat 33l Freiex. 69 400 ab 350 L 11-/, Ngr. --- 134.5 Herstellungskosten 1S5. Eugelberg. Herstellungskosten Thlr. 147 28 Auflage 1000 Vorrat 433 Freiex. 71 504 verlaust 496" ä 14-/, Ngr. -- 239.22 Herstellungskosten 147.26 Gewinn 91.96 ! 91 96 Hutten. <2. Ausl.) Herstellungskosten Thlr. l48.5-/, Auflage 1000 Vorrat 620 Freiex. 59 679 verkauft 321 L 14-/, Ngr. -- 154.5-/, Herstellungskosten 1485-/, Gewinn 6.— Ab: Entschädigung für den bei der 1. Auf lage des Hutten gehabten Vertust Ab -/, Gewinn für H. Haessel Bilder und Romanzen Auflage 500 Vorrat 374 Freiexpl. Ihnen 45 Sonst verteilt 23 442 abgesetzt 58 L 6 Ngr. 14. September 1874 Barsendung 11.18 107 1 50 57 1 28 15 28 > 15 11 40.3 5 j 40 18 Aus dem Verlagsverzeichms ist der Siegeslauf der Werke Konrad Ferdinand Meyers zu ersehen: den größten Erfolg hatte Jürg Jenalsch mit — 61 Auflagen; sodann erlebten, von den Gesamtausgaben abgesehen, die Gedichte 26 Aus lagen, Huttens letzte Tage 25 Auflagen, Der Heilige 23 Auf lagen, Die Versuchung des Pescara 22 Auflagen usw. An dem deutschen Buchhandel ist in letzter Zeit viel fach herbe Kritik geübt worden; doch ist kein Grund vor handen, zu verzagen. Die Arten des Vertriebs mögen sich ändern, Reformen sich durchsetzen, die heute noch von manchen als unangebracht bezeichnet werden — solange der deutsche Buchhandel noch über Männer vom Schlage Haessels verfügt, ist jede Befürchtung für die Zukunft unbegründet. Wien, Mitte August 1904. Friedrich Schiller.