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1382 sM 109 Nichtamtlicher Th eil. Ethnologisches. Derjenige Zweig des Wissens, welcher sich mit der Geschichte des Menschengeschlechts im weitesten Umfange des Wortes befaßt, die Bewohner der verschiedenen Zonen in Hinsicht der Körperbildung und geistigen Kräfte betrachtet, und mit dem Namen „Ethnologie" bezeich net wird, hat sich als solcher bis auf neuere Zeit verbältnißmäßig ge ringer Berücksichtigung von Seiten der englischen Gelehrtcnwelt zu erfreuen gehabt. Noch vor wenigen Jahren erhob der vortreffliche, jetzt dahin geschiedene Prichard laute Klage, daß die „Brittische Asso ciation" den Forschungen auf diesem Gebiete die Aufnahme in ihre „Verhandlungen" versagt hätte. Das hat sich indessen geändert, seit dem diese Gesellschaft durch Errichtung einer besonderen Section die Ethnologie zur Würde einer selbstständigen Wissenschaft erhoben hat. Die „Koinbra äisjeola" sind dadurch in ein System gebracht, und wir können jetzt im geordneten Zusammenhänge übersehen, was die Sir William Jones, Marsden, Carey, Morrison, Uoung, Latham, Wilkinson, Lee, Wiseman, Lawrence, Prichard, Owen u. A,, jeder in seinem Fache, zur Förderung derselben beigctragen haben. Wir beabsichtigen baldthunlichst unfern Lesern eine Uebersicht des jetzigen Zustandes ethnologischen Wissens in England vorzuführen , für heute uns aber auf die ethnologischen Leistungen des „Amerikanischen Zwei ges der Angelsächsischen Familie" zu beschränken, wozu der uns vorlie gende zweite Band der: „Iianssolio»« ok tlio American LtlinoloAieal Society" die nächste Veranlassung gibt. Die Amerikaner haben sich dieser „jungen Wissenschaft" mit solchem frischen Eifer bemächtigt und eine so außerordentliche Thätigkeit darin entwickelt, daß es bereits den Anschein hat, als wollten sie ihren älteren englischen Brüdern, wie auf so manchem andern, so auch auf diesem Felde den Vorrang ablaufen. Mit hoher Achtung nennt die Gelehrtenwelt Namen wie Robinson, Dana, Bridgman, Wheaton, Prescott, Gliddon, Haight, John und Eharles Pickecing, Gallatin, Bartlett, Hodgson u. A> — Morton's craniologische Forschungen sind weltberühmt, während Horatio Hale's polynesische und amerikanische linguistische Studien der vergleichenden Sprachenkunde ein neues unabsehbares Gebiet eröffnet haben. Mit dem zuletzt genannten verehrungswürdigen Namen gehen wir sofort zu unserer unmittelbaren Aufgabe, der Besprechung des Inhalts des 2. Bandes der „Verhandlungen," über. Der erste sehr umfangreiche Artikel enthält Hale's vergleichende Wörtersammlungen der nordamcri- kanischen Jndianersprachen, welche in 32 Familien eingetheilt und mit einer geographisch-philologischen Einleitung von Albert Gallatin versehen sind. Die Sitze der verschiedenen Jndianerstämme, ihre Subsistenzmittel, die Eigenthümlichkeit ihrer Grammatik, climatische und sociale Verhältnisse sind darin auf das Genaueste erörtert und das Ganze als ein höchst schätzbarer Beitrag zur ethnologischen Kunde des nordamerikanischen Eontinents anzusehen. — Als Resultat der Ver gleichung der nordamerikanischen Sprachen durch Herrn Gallatin mag im Allgemeinen angeführt werden, daß daraus weder eine Bekräftigung des Ausspruches Franz Bopp's, sie seien analog mit dem Sanscrit, noch eine Widerlegung der Behauptung Buschmann's, daß sie gänzlich davon verschieden, hervorgegangen ist; ferner daß eine große Ähnlich keit in der Structur aller amerikanischen Sprachen zu bemerken ist, daß sie von großer Regelmäßigkeit und ungemeiner Präzision im Aus druck; dagegen arm an Jnflexionen sind. Trotz des letzterwähnten Mangels ist aber nicht anzunehmen, daß diese Sprachen nicht weiterer Ausbildung fähig sein würden; denn ein Hinblick auf die modernen europäischen Sprachen, die an Jnflexionen weit weniger reich sind als das Sanscrit, Griechische und Lateinische, ergibt die Thatsache, daß ihre Bildungsfähigkeit durch diesen Mangel keineswegs beeinträchtigt wor den ist. Die englische Sprache ist vor allen europäischen die am we nigsten der Jnflexionen fähige und am meisten von fremden Elemen ten durchdrungene; und dennoch steht sie für alle möglichen Zwecke kei ner andern nach. Es scheint deshalb, daß alle Sprachen Keim und Anlage der Ausbildung in sich tragen, daß diese Eigenschaften durch die Zunahme des Wissens und der Eivilisation entwickelt werden, und daß schwerlich eine Sprache existirt, die nicht im Stande wäre, einem solchen Zustande der Gesellschaft, sobald er in das Leben getreten, voll ständige Genüge zu leisten. — Die Abhandlung, welche zunächst unsere Aufmerksamkeit in An spruch nimmt, behandelt die Entdeckung von Monumenten der Ur einwohner des Mississipithales und speciell die Untersuchung derjenigen, die sich im Staate Ohio, im Thale des Sciotoflusses vorgefunden ha ben. Den Herren Squier und Davis gebührt das Verdienst, zuerst systematische Ausgrabungen vorgenommen und bestimmte Folgerungen aus dem Beobachteten gezogen zu haben. Daraus geht hervor, daß die fruchtbaren Thäler, in denen sich die alten Denkmäler befinden, einst von einer zahlreichen Bevölkerung bewohnt waren, welche feste Wohnsitze hatte und sich mit dem Ackerbau beschäftigte, — daß des halb dieselbe in Hinsicht auf gesellschaftliche Organisation, Sitten und Gebräuche, Handlungs- und Denkweise gänzlich verschieden sein mußte von den Jäger- und Nomadenstämmen, welche von den Europäern im Besitze des Landes gefunden wurden. —> Noch ist nicht abzusehen, zu welchem Resultate die künftigen Forschungen der Herren Squier und Davis führen werden; so viel steht jetzt aber schon fest, daß das Volk, welches in uralter Zeit das Thal des Mississippi bewohnte und so sprechende Zeugen von Kunstsinn und Eivilisation in seinen Monu menten hinterließ, unmöglich mit der noch existirenden Jndianec-Race verwandt sein konnte. (Ein vollständiger Bericht über die Entdeckun gen am Mississippithale ist inzwischen von den Herren Davis und Squier zu New-Vork veröffentlicht worden.)— Die folgenden Artikel: Alte Geographie der Arktischen Region Amerika's, von Rafn; — Morton's Bericht über seine Schädelsammlung; — Skizze der polynesischen Sprachen, nach Hale; — Sprache der Mosquitoindianer, nach Hen- derson; — William's Bericht über die gegenwärtige Lage des chinesi schen Reiches — übergehen wir sowol wegen Beschränktheit des uns »erstatteten Raumes, als auch, weil ihre Materie in anderer Form zu gänglich ist, und wenden uns zu der im 8- Artikel enthaltenen höchst interessanten Abhandlung über die Mpongwes und ihre Sprache von I. L. Wilson, einem amerikanischen Missionär. Die Mpongwes (Delaporte'sPongos, Vater und Jülg's Empoongwas) bewohnen einen schmalen Landstrich bei der Mündung des Gabunflusses, ungefähr 20 Meilen nördlich vom Aequator, unmittelbar unter der Bucht von Biafra. Das Land hat guten Boden, ein günstiges Elima und ist sehr ergiebig, auch vortrefflich für den Handel gelegen. Das Volk steht in mehrfacher Beziehung über den andern Stämmen des westli chen Afrika, ist lebhaft, gutartig und friedlich. Ueberlieferungen be treffs ihres Ursprungs, ihrer Wanderungen besitzen die Mpongwes nicht; auch ist nichts bei ihnen zu treffen, was geeignet wäre, Licht auf ihre Geschichte zu werfen. Während mehr denn zwei Jahrhunder ten haben sie einen ziemlich lebhaften Handel als Factoren zwischen den Stämmen im Innern und fremden Schiffen betrieben. Ihre Regierung hat die Form einer Monarchie, welche durch eine Aristocra- tie bejahrter Leute, sowie durch Volksversammlungen beschränkt ist. Der Senat erfreut sich großer Achtung und öffentliche Versammlun gen werden mit Anstand und Ordnung gehalten; allein die Stimme des Volkes gibt immer den Ausschlag. Ein Religionssystem, Geist lichkeit oder Abgötterei sind nicht bei ihnen vorhanden. Das Merk würdigste an diesem Volke ist aber seine Sprache, die von den Missio nären für die vollkommenste erklärt wird, von der sie Kenntniß haben.