Volltext Seite (XML)
Nichtamtlicher Teil Zur Kundenrabattsrage. (Vgl. Börsenblatt Nr. 144, 150, 152, 159, 161, 165, 167, 169, 170, 173, 175, 178, 181, 182, 185.) Offenes Wort an meine Herren Kollegen in den Vorständen der Kreis- und Ortsvereine. Die seither im Börsenblatt erschienenen Artikel haben aufs neue bewiesen, wie überall im deutschen Buchhandel, im Verlage wie im Sortiment, der Ausnahmezustand, den Berlin und Leipzig in der Rabattfrage einnehmen, als ein — sei es gerade herausgesagt — Krebsschaden empfunden wird! Die Berliner und Leipziger haben s. Z. nicht mit machen wollen, als es sich darum handelte, die chaotischen Zustände auf dem Gebiete des Rabattunwesens zu beseitigen. Man war sich überall in ganz Deutschland darüber einig, daß eine feste Basis zur Aufrechterhaltuug des Ladenpreises geschaffen werden müsse, man hat daher auch überall der durch Herrn Adolf Kröner ergriffenen Initiative dankbar zu gestimmt, wobei der Hoffnung und Erwartung Raum gegeben wurde, daß die einzig Widerstrebenden, Berlin und Leipzig, sich schließlich auch fügen würden. Was aber ist statt dessen geschehen? Berlin und Leipzig beharren noch heute auf ihrem Ausnahmestandpunkt! Der gesamte deutsche Buchhandel hat es sich bedauerlicherweise gefallen lassen, daß Berlin sein ablehnendes Votum mit Bezugnahme auf die königlich preußischen Behörden, Biblio theken rc. begründete! Leipzig folgte dann selbstverständlich nach, wenngleich hier bekanntlich nicht die königlich sächsischen Behörden rc. vorgeschützt werden konnten, sondern die Leipziger durften der Berliner Konkurrenz nicht weichen — das war ja einfach selbstverständlich! Wenn nun das Rabattgeben von 10o/g und mehr be schränkt geblieben wäre auf das Geschäft in loeo (für Berlin und Leipzig), so hätte der übrige deutsche Buchhandel nicht nötig, sich heute wiederum mit der Rabattfrage zu be schäftigen, denn wenn unsere Kollegen in Berlin und Leipzig durchaus weniger oder überhaupt nichts verdienen wollen, so ist das ja ihre eigene Sache! Aber — die lOO/j, Rabatt und mehr werden bekanntlich von den Berlinern und Leipzigern nicht nur in loeo gegeben, sondern unentwegt und ganz allgemein auch nach auswärts, d. h. in allen Gebieten der Kreis- und Ortsvereine im deutschen Buchhandel, wo man sich auf 5o/g Skonto bei Barzahlung geeinigt hat. — Die Herren in Berlin und Leipzig wissen zwar ganz genau, daß ihre höhere Rabattierung in die Provinz ein Unrecht ist; indessen der deutsche Buchhandel läßt es sich ja gefallen! Warum also nicht?! Vive ls. eouourrsnos!! Herr Adolf Kröner hat im Börsenblatt Nr. 181 zur Rabattfrage nochmals das Wort genommen, und ich möchte aus diesem hier citieren: »Verliert der Provinzial-Sortimenter durch das Festhalten an fünf Prozent so viel oder gar noch mehr, als er auf der andern Seite gewinnt? Genaue Aufstellungen hierüber lassen sich ja nicht machen; aber ein annäherndes Bild von der Sach lage läßt sich doch wohl gewinnen. Hoffentlich er halten wir es bald durch die Veröffentlichungen der Orts- und Kreisvereine.« — Dieser Hoffnung möchte ich mich im Namen des Buch händler-Verbandes »Kreis Norden« anschließen. Am 10. September d. I. wird zu Lübeck die Hauptversammlung unseres Verbandes stattfinden, und ich werde in dieser eine Besprechung nnd Beschlußfassung hinsichtlich der Rabattfrage herbeiführen und das Resultat im Börsenblatt veröffentlichen. — Ich bitte meine verehrten Kollegen in den Vorständen der Kreis- und Ortsvereine, die Rabattfrage jetzt nicht wieder einschlummern zu lassen, sondern ihre ganze Kraft einzusetzen, daß sie einer Lösung entgegengebracht werde! Was zur Erreichung dieses Zieles geschehen muß, wird natürlich nicht ein Einzelner bestimmen können; sondern es handelt sich nach meinem Dafürhalten jetzt um eine ganz energische Kundgebung seitens aller Kreis- und Ortsvereine, die in dem Verbandsvorstande das selbstgeschaffene Mittel besitzen, ihren Willen zur Geltung zu bringen. Im übrigen liegt das anzustrebende Ziel klar und deutlich vor uns; nur über die zu ergreifenden Maßregeln könnten die Meinungen auseinandergeheu. Wenn Berlin und Leipzig sich nicht fügen wollen, würde allerdings ein ernster Kampf unausbleiblich sein. So wenig ich die Macht der beiden großen Städte unterschätze, so müßte doch die Entscheidung gegen sie fallen! Es handelt sich dabei nur darum, ob der gesamte deutsche Buchhandel sich aufraffen und die ihm innewohnende Macht gebrauchen, oder ob er die sich selbst auferlegte traurige Rolle weiter spielen will! — Als man s. Z. Berlin und Leipzig die geforderte Aus nahmestellung zuerkannte, handelte mau sicherlich schwach, wiewohl gewiß im guten Glauben! Heute aber, wo dieser gute Glaube sich als trügerisch erwiesen hat, da wäre jede neue Schwachheit, jedes erneute Zugeständnis in der Rabatt frage eine verderbenbringende Thorheit! Gleiches Recht für alle, aber auch gleiche Pflichten für alle, das wäre die richtige Antwort für Berlin und Leipzig schon damals gewesen! Heute aber, wo in ganz Deutschland die Rabattfrage mit 50/g sä maximum gelöst ist, wissen wir doch, daß nur durch einmütiges, fest entschlossenes Handeln solches Ziel erreicht wurde — im Gegensatz zu Berlin, wo man erklärte, es ginge nicht! Nun werden ja die Herren in Berlin die maßgebenden Verhältnisse und Menschen in Preußen besser kennen als ich oder sonst ein Einzelner; indessen es handelt sich bei der Rabattfrage gar nicht um Berlin oder Preußen, sondern um das Wohl und Wehe des ganzen deutschen Buchhandels! Dieses aber mußte empfindlich getroffen werden, sobald man den allge meinen Rechtsboden verließ und sich auf die schiefe Ebene von Kompromissen begab. Man sollte denken, daß die für den Provinzialbuchhandel geradezu ruinöse Ausnahmestellung von Berlin und Leipzig nachgerade derartig empfunden werden müßte, daß man endlich entschlossen wäre, den Kampf auf zunehmen ! Kurz und scharf gefaßt, spitzt sich die Angelegenheit jetzt zu der folgenden Frage zu: Soll und darf der deutsche Buch handel seine ehrenhafte Existenz fernerhin gefährden und dem allmählichen Ruin entgegenführen lassen aus Rücksicht gegen zwei Bezirke, deren Vertreter eine ebenso ungerecht fertigte als nachweislich verderbliche Ausnahmestellung ein nehmen? Oder ist es nicht vielmehr Pflicht und Aufgabe für alle maßgebenden Vertreter des deutschen Buchhandels, ihre Stimme und Kraft zusammenzulegen, um Berlin und Leipzig zum Aufgeben ihrer Ausnahmestellungen — wenn es sein muß — zu zwingen?! Nur von einem solchen Vorgehen verspreche ich mir Heil und Besserung. Ich werde mich mit meinen Freunden aufs eingehendste beraten und hoffe, daß durch einen am 10. September d. I. zu fassenden Beschluß der Buchhändler- Verband »Kreis Norden« mit bestimmten Vorschlägen her vortreten werde. Hamburg, 10. August 1899. Hermann Seippel, z. Z. Erster Vorsitzender des Buchhändler-Verbandes, Kreis Norden.