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^ 123, 30. Mai 1906. Nichtamtlicher Teil. 5409 »Wegen des Musen-Almanachs ist ein Rescript von Han nover hierher gekommen, und Dieterich ist vor dem Prorektor deswegen gewesen; auch wird Bürger noch vor müssen. — Mit Bürgern ist es also nun wohl hier vorbey in eaoeuls. saseuloruw.« Und an Meyer berichtet er unterm 16. März 1789:') »Bon den Schicksalen des hiesigen Musenalmanachs werden Sie gehört haben. Es war sehr arg. Zimmermann hatte, wie man glaubt, die gantze Schuld, doch hat dafür der beste Theil des Volcks den Almanach blos unter die Märtyrer erklärt. Bürger hatte an Kästnern sehr schön, aber sehr hefftig geschrieben, und ließ mich den Brief lesen. Ich rieth aber ab. Er schrieb einen andern, und ich rieth wieder ab, um Frieden zu halten. Was am Ende daraus geworden ist, weiß ich nicht. Allein ich glaube doch durch meine Jntercession eine hefftigc Revolution abgewendet zu haben. Kästner ist seit einiger Zeit rasend fromm, vermuthlich weil er, wie sein Abelard, in mehr als einer Rück sicht nichts weiter auszustrecken hat, als die Arme zum Gebet - Ab und zu macht sich auch Lichtenberg lustig über Dieterichs Kalenderliebhaberei. So schreibt er einmal 1772:«) »Von dem Tode des Herrn Achenwall hatte ich schon Nach richt, aber nicht von dem Schrecken des guten Dieterich. Ich bedaure Key solchen Borfällen mehr seine Frau als ihn, weil sie ihren Mann nicht so gut kennt als ich. Sein Schrecken geht selten tief, und wird gewöhnlich durch eine Nachricht von einem guten Absatz seiner Calender wieder geheilt. Er hat die glückliche Constitution, daß ihn alles etwas und nichts recht anficht, wobey man so ziemlich alt werden kann.« Wie eifrig er bemüht ist, dem Freunde neue Autoren zu gewinnen, dafür mögen noch zwei Briefe zeugen. Lichten berg war befreundet mit Müller-Itzehoe, dem Verfasser des Siegfried von Lindenberg, und auch Dieterich war mit ihm bekannt und hatte einige Sachen von ihm verlegt. Später hatte Müller aber andre Verleger bevorzugt, und Lichtenberg versuchte nun, ihn wieder für Dieterich zu gewinnen Am 16. Juli 1794 schreibt'er ihm in Beantwortung eines früher empfangenen, längere Zeit unbeantwortet gebliebenen Schreibens'.b) »Aus meinen Hertzen sind Sie, guter Mann, warmer Freund und — deutscher Fielding, nie gekommen, so wenig nach meiner Auferstehung, als vor meinem Hintritt. Ihren Brief, den mir Ihr vortrefflicher von Brincken überbracht hat, habe ich nicht ohne die größte Rührung gelesen. Wäre Dietrich damals hier gewesen, dessen Gegenwart zu einer vollständigen Antwort nvthig war, so hätte ich sogleich wieder geantwortet, aber der blieb lange aus, weil er von Leipzig über Gotha zurückkehrte, wo die künftigen Schwiegereltern seines ältesten Sohnes wohnen und noch eine Menge Menschen, mit denen Dietrich vor 50, schreibe fünfzig Jahren gewirtschafftet hatte und nun in seinem 73ten Jahre auf demselben Fuß zu wirt schafften anfing. Als er kam, stellte sich mit dem sudheißen Wetter wieder meine fürchterliche Jndolentz ein, und so unterblieb die Antwort bis heute, da sich Ihr vortrefflicher Freund er bietet, sie Ihnen zuzustellen. Dieterich ist wahrlich Ihr Freund vor wie nach. Etwas Nachlässigkeit, die ihm immer eigen war, und etwas Gedächtniß Schwäche, wodurch allein sich sein Alter etwas offenbart, und allerley häußliche Umstände, von der traurigsten Art, worunter aber Gottlob Abnahme an Handels Wohlstand nicht gehört, haben mehrere solche Stillstände veran laßt, wie der zwischen Ihnen und ihm. Er liebt Sie unaus sprechlich und hält sich von Ihnen vergessen. Vergessen Sie ihn doch nicht und seegnen Sie einmal seine Presse wieder. Ich weiß, er wird selbst die Brosamen begierig aufnehmen, die von Ihrem Tische fallen, denn es hat ihn nicht wenig geschmertzt, daß Sie Ihre Ananas nach Berlin und Stettin geschickt haben Wollen Sie ihn wieder zu Gnaden annehmen; so lassen Sie die Sache durch meine Hände gehen.« Lichtenberg erwähnt also hier die auch von Bürger ge rügte Nachlässigkeit bei Dieterich, die sich vielfach im ver- ') Lichtenbergs Briefe II, 367. «) Ebenda I, 46. ») Ebenda III, 124. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 73. Jahrgang. spätsten Beantworten von Briefen und Anstagen, manchmal auch in der Ausführung von Aufträgen usw. zeigte. Seinem Freunde Wolfs empfiehlt er Dieterich 1787 als Verleger mit folgenden Worten^:") »Dieterich ist der großmüthigste Verleger, den Sie sich denken können, das wissen unsere eigentlichen Geldsammler Hof Rath Richter und Murray nur allzu wohl. Ich weiß, daß er erstcrem, der wohl nächst Püttern der reichste Professor, wo nicht gar Mann in der Stadt ist, 100 Ducatcn pränumerirt hat, blos um ihn zur Fortsetzung seiner chirurgischen Bibliothek anzuspornen. Findet das Buch Beyfall, so bekommen Sie für die neue Auflage grade so viel. Freylicb anfangs ist er zurückhaltend, er giebt als dann gewöhnlich halb Bücher und halb Geld usw. Man kann ihm dieses nicht verdenken. Die vortrefflichsten Werke werden leider nur zu offt Makulatur, und aus manchem Bogen Packpapier ist mehr zu lernen, als aus dem offt mehr glücklich als ver ständigen Buch, das sich froh über den unverdienten Triumph darin einpacken läßt. Schreiben Sie nur so populär als möglich, so wird die Sache gewiß Anschlägen, sollten es auch hundert Kupferplatten werden. Die Bogen werden nach dem Druck be zahlt und nicht nach dem Manuskript, wenigstens würde, wenn ein Autor letzteres verlangte, jeder Factor einer Buchdruckerey gleich die Vergleichung zu machen wissen, so daß es völlig einerley wäre. Sie schaden sich gewiß, bei Dieterich wenigstens, gar nicht, denn nehmen Sie seinen Druck, so erhalten Sie mehr und der Contract wird nicht eher geschloffen bis Sie den Druck gesehen haben. Sie suchen sich ein Buch aus, das Dieterich ge druckt hat, auch in Papier, und sagen dieses wünsche ich, als dann wird contrahirt.« Von den geschäftlichen Unternehmungen Lichtenbergs bei Dieterich finden verhältnismäßig wenige im Briefwechsel Erwähnung. Da Lichtenberg im Dicterichschen Hause wohnte, ist dies erklärlich; im brieflichen Verkehr zwischen seinem Verleger und ihm, aber auch in Briefen an andre Persön lichkeiten, finden sich nur vereinzelte Hinweise, ein voll gültiger Beweis dafür, daß Differenzen nie bestanden haben. Es find vor allem die großen Unternehmungen, die Lichten bergs Namen mit dem Dicterichschen Verlag innig ver binden: der schon erwähnte Kalender, das Göttingsche Ma gazin und die Erklärungen zu den Hogarthschen Kupfern; daneben geht aber noch eine Anzahl kleinerer Gelegenheits schriften, wissenschaftlicher Arbeiten usw.; auch besorgte Lichtenberg die Neuausgaben des Kompendiums des früh verstorbenen Professors Erxleben, eines damals sehr begehrten Lehrbuchs der Naturlehre. Es erlebte allein von 1772 bis 1794 sechs Auflagen, von denen Lichtenberg fünf herausgab Dieser klagt oft über die Arbeit, die ihm damit erwuchs, und war häufig nicht mit den Kupfern zufrieden, klagt wohl auch manchmal über Druckfehler u a. m. An Sömmering schreibt er einmal im August 1784:") -Ich habe etwas viel zu thun, den Calender zu schreiben, das Erxleben'sche Compendium zu ediren, die englischen Dichter zu besorgen, zuweilen eine Recension zu machen, den Musen almanach zu corrigiren, das Magazin; kurtz meine Stube und hauptsächlich die Stubenthürschlöffer stincken beständig von Druckcrschwärtze. Es ist abscheulich.- Wie wenig er manchmal mit seinem Kalender zufrieden war, darüber teilte ich schon Äußerungen von ihm mit. Auch in andern Briefen kehrt oft die Klage wieder, daß ihm die Arbeit recht schwer gefallen sei und ihn der Inhalt des Kalenders wenig befriedige; gleichwohl ist er immer mit Leib und Seele bei dem Unternehmen, bemüht sich um Bei träge und ist unermüdlich tätig. »Es freut mich, daß Du mit dem Calender zufrieden bist- — schreibt er 1785 an Dieterichs). — -Er hat mir dieses Jahr viele Mühe gemacht, nicht aus Mangel an Material, sondern Lichtenbergs Briefe II, 292. -') Ebenda II, 142. ") Ebenda II, 233. 706