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Redaktioneller Teil. 171, 3. August 1920. Material, das eine Übersicht über ein volles Geschäftsjahr gibt. Wenn cs so weit ist, und das sich als notwendig erweist, dann wird der Vorstand der Deutschen Buchhändlergilde an Sie her antreten, und er wird sicher das Material von Ihnen bekommen, dessen er bedarf. Aber ein Tcilmaterial zu geben über Woche» und Monate, das haben wir abgclehnt, und mit Recht abgelchut, und das werden wir auch in Zukunft ablchnen. Meine Herren, Herr Geheimrat Siegismund hat gesagt: Es ist vielleicht möglich, datz der 20prozentige Zuschlag vom Wirt schaftsministerium doch nicht genehmigt wird. — Eine derartige Gefahr ist meiner Ansicht nach absolut ausgeschlossen. Aus dem Schluhsay des Protokolls, das Herr vr. Dietz« ausgenommen hak, geht bereits hervor, daß der Vorsitzende der Versammlung, Herr 1)r. le Coutre, der die maßgebende Persön lichkeit dem Minister gegenüber für diese Frage ist, sich unzweideutig dahin geäußert hat, daß er die Sache dem Mini sterium gegenüber vertreten wolle, und wenn ein Referent, der sich seit Monaten mit der Sache beschäftigt, dem Minister sagt: Die Sache liegt so, daß du das genehmigen kannst, der Buch handel ist tatsächlich nicht so gestellt, daß er ohne den 20prozenti- gen Zuschlag auskommen kann, — dann möchte ich den Minister sehen — und zumal einen guten alten Gewerkschaftsführer —, der ohne Kenntnis der Sachlage sagt: Ich verstehe dom Buch handel mehr als du, der du dich vier Monate mit der Frage beschäftigt hast. .— Also diese Gefahr liegt nicht vor. Jeden falls teile ich di« Befürchtungen keinesfalls, und meiner von Anfang an optimistischen Auffassung dieser ganzen Angelegenheit hat ja die Zeit rechtgegeben. Es ist tatsächlich so gekommen, wie ich es seit Monaten vorhergesagt habe. Wir haben kein Material — oder wenigstens kein allgemeines Material — ge liefert, sondern die Wirtschaftslage geschildert. Wir haben Sta tistiken geliefert, und das Rcichswirtschaftsministerium hat sich damit einverstanden erklärt. Zum Schlüsse ist Herr Geheimrat Siegismund eine Pythia geworden. (Heiterkeit.) Er hat gesagt: Es muß die letzte Er höhung gewesen sein, wie auch die Verhältnisse sich gestalten mö gen; ob sich die Zukunft rosig oder dunkel gestalten möge, es ist nicht möglich, über den Mprozcntigcn Zuschlag hinauszukom- men. — Ich bin nicht in der angenehmen Lage, ebenso in die Zukunft sehen zu können wie Herr Geheimrat Siegismund; aber ich sage mir: heute, wo wir nicht über vier Wochen im voraus urteilen können, wie die Verhältnisse sich gestalten wer den ; heute, wo jeder von uns, ob groß oder klein, aus der Hand in den Mund lebt; heute, wo wir nicht wissen, ob nicht die ganze Entwicklung des Wirtschaftslebens in wenigen Wochen über uns hinwcggegangen sein wird, ob wir nicht als wirtschaft liche Leichen daliegen, und wo wir nicht wissen, ob nicht die Wirtschaftslage sich mit einem Schlage durch Besserung unserer Valuta, durch Verbesserung unserer Stellung im Ausland, durch Bündnisse und dergleichen heben wird, lassen sich derartige Aus sprüche meiner Ansicht nach überhaupt nicht rechtfertigen. Wir sollten uns jedenfalls vorsichtig zurllckhaltcn. Meine Herren, ich habe im Reichswirtschastsministerium gesagt: es ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß wir auf 3V Prozent, auf 40 Prozent, auf 50 Prozent, vielleicht auf 100 Prozent Aufschlag kommen müssen. (Zuruf.) Wir wissen ja gar nicht, ob das Beispiel des Verlegers Vobach nicht Anklang findet, daß der Verlag zu einem großen Teil dazu übergeht, zu Nettopreisen zu liefern und uns Aufschläge auf die Gestehungspreise zu überlassen. Das ist doch nicht ausgeschlossen. Wir wissen ja gar nicht, ob nicht Zuschläge kommen, von denen Sie und wir uns heute noch gar kein Bild machen können. Heute zu sagen: über 20prozentige Zuschläge kommen wir nie hinaus, — dazu gehört ein Mut, den ich nicht aufbringen laiui. Andere Mittel und Wege sollen gefunden werden — hat Herr Geheimrat Siegismund zum Schlüsse gesagt —, um den Zuschlag gewissermaßen abzuschwächen. Ja, meine Herren, nach anderen Mitteln und Wegen haben wir doch alle seit Jahren mit redlichem Bemühen gesucht, und der Verlegcrvercin hat unlängst erst wieder den Versuch gemacht, bei seinen Mitgliedern eine Umfrage zu veranstalten: welches könnten denn die anderen Mittel und Wege S»2 > sein, um dem Sortiment unter Umständen behilflich zu sein, wenn es eine Erhöhung braucht? Der Verlegcrvercin wird die an deren Mittel und Wege nicht nennen können, und Herr Geheim rat Siegismund auch nicht. Ich kann sie ebensowenig nennen. Wenn jemand andere Mittel und Wege weiß, die uns einen Ersatz bieten für eine Erhöhung des Teucrungszuschlags oder für die Notstandsordnung, dann heraus mit den Geheimnissen! Wir sind Ihnen dankbar. Wir werden Sie als wirtschaftlich« Koryphäen ansehen. Herr Geheimrat Siegismund muß doch wissen, wie diese Mittel und Wege aussehen, wenn er sie auf die Tapeten malt. Wir können nur sagen: Was heute notwendig ist, haben wir erreicht. Wir haben es mit heißem Bemühen erreicht, und ivtr werden wahrscheinlich eine Weile damit auskommen. Wie lange, das steht dahin. Darüber wird die wirtschaftliche Entwicklung entscheiden. Ich knüpfe aber jetzt an den Anfang an. Herr Geheimrat Siegismund hat im Anfang gesagt, welch unendliche Mühe uns allen diese Fragen des 20prozentigen Teucrungszuschlags beim Wirtschastsministerium gemacht haben. Ich unterschreibe das Wort für Wort. Aber ich kann Ihnen aus einem Briefe, den ich vom Wirtschaftsministertum besitze, sagen, wer das Material geliefert hat, auf Grund dessen uns diese Mühe erwachsen ist. Der Brief des Reichswirtschaftsministeriums lautet dahin, daß auf Grund der »Sachverständigengutachten der Verleger-- (Hört! hört!) der Widerstand des Reichswirtschaftsministeriums ent standen ist. Meine Herren, die Sortimenter sind zunächst nicht gefragt worden. Der Reichswirtschaftsminister hat sich an die Verleger gewandt. Wer das Material geliefert hat, will ich nicht entscheiden. Ich weiß nicht, ob er hier im Saale ist. Ich weiß nicht, ob Sie ihn kennen. Aber jedenfalls haben die be treffenden Herren, die dieses Material geliefert haben, falsches Material — und meiner Ansicht nach vielleicht sogar bewußt falsches Material — geliefert. (Oho I) — Ich will Ihnen den Beweis dafür erbringen. In den Akten des Reichswirtschafts- ministeriums findet sich der Hinweis auf «in »Gutachten-, wo nach der Sortimenter bei schöner Literatur heute durchweg SO Prozent Rabatt bezieht, und wonach nur in einzelnen Fällen daruntergegangen wird, wonach er im übrigen — also bei wis senschaftlicher Literatur — 35 und 33sh Prozent Rabatt rmd nur in ganz wenigen Fällen einen Rabatt von 25 Prozent hat. Meine Herren, wer dem Rcichswirtschaftsministerium solches Material geliefert hat, kann es nicht gutgläubig geliefert haben; denn jeder Buchhändler, ob Verleger oder Sortimenter, weiß, daß es einen SOProzentigen Rabatt heute überhaupt nicht mehr gibt, oder daß er nur in so seltenen Ausnahmefällen vorkommt, daß man ihn mit der Laterne suchen kann. Ich habe dem Reichswirtschafts ministerium gesagt: Ja, allerdings, wenn Sie auf Grund der artigen Materials zu einem Verbot kommen, sind Sie vielleicht dazu berechtigt. Aber wir haben das Reichswirtschaftsmini« sterium aufgeklärt, wie das Material wirklich zu bewerten ist, und wie die Umsätze und Rabattsätze im Buchhandel beschaffen sind. Das ist ausschlaggebend gewesen. Das hat die abschließen den Verhandlungen im Reichswirtschaftsministerium herbeige führt, und das wird das Reichswirtschaftsministerium veran lassen, in Zukunft nicht lediglich das sachkundige Urteil der Ver leger einzuholen, sondern voraussichtlich auch das sachkundige Urteil der Sortimenter. (Bravo! — Lebhaftes Händeklatschen.) Geheimer Hoftat, Kommerzienrat Karl Siegismund (Ber lin) : Meine Herren, Ihr Beifall zu den Ausführungen des Herrn Nitschmann und die Stille, die nach meinen Ausführungen folgte, beweist ja ganz klar, welcher Resonanzboden hier in der Ver sammlung für die verschiedenen Auffassungen vorhanden ist. (Sehr richtig!) Aber, meine Herren, ich möchte Sie doch noch über das eine oder das andere informieren und dringend warnen, sich diesem optimistischen Standpunkt des Herrn Nitschmann nun voll anzuschließen. Herr Nitschmann hat doch die Dinge viel fach anders beurteilt, als sie in Wirklichkeit sind, und, meine Herren, wenn es gelingt, den 20prozentigen Teuerungszuschlag zur Durchführung zu bringen, so ist nicht das mehr oder minder große Geschick oder Ungeschick des Herrn Nitschmann oder das mehr oder minder große Geschick oder Ungeschick des Börsen-