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130, 9. Juni 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 6855 sind, was umso bemerkenswerter ist, als die Sammlung fast aus schließlich erst in den letzten sechs Jahren zusammengebracht worden ist. Den Grundstock bildete die Bibliothek des alten Seminars mit etwa 5000 Bänden; dann stiftete Herr Mayer Sulzberger aus Philadelphia, ein Mitglied des Aufsichtsrates des Seminars, seine eigene Sammlung jüdischer Literaturwerke von etwa 10000 Bänden, darunter viele Seltenheiten, ferner der be kannte Finanzmann Jakob H. Schiff die berühmte Bibliothek des jüdischen Theologen vr. Moritz Steinschneider. Auch andere Zu wendungen kamen hinzu, so daß die Bibliothek heute rund 33000 Bände umfaßt. In der Sammlung befinden sich zahlreiche mittelalterliche wissenschaftliche Werke in hebräischer, arabischer und lateinischer Sprache, Handschriften und Rechtsentscheidungen, eine riesige liturgische Literatur mit zahlreichen seltenen Ritualien, ferner nicht weniger als 67 von den 101 überhaupt bekannten ver schiedenen Inkunabeln, sodaß nach der des Britischen Museums diese Sammlung hierin die vollständigste der Welt darstellt; des weiteren natürlich zahllose Ausgaben des Alten Testaments und des Talmud sowie eine ganze Bibliothek über die Geheimnisse der Kabbala. (Nach: »budlisbors'^Veslrl^«.) Zur Festlegung des Osterfestes und zur Kalenderreform. (Bgl. Börsenblatt 1910 Nr. 6, 72 u. 80.) — Im »Hamburgischen Correspondent« (Nr. 279 vom 5. Juni 1910) veröffentlichte Herr Admiralitätsrat Professor vr. Köppen, Abteilungsvorsteher an der Deutschen Seewarte, folgenden beachtenswerten Vorschlag. Er schreibt: Auf dem bevorstehenden internationalen Handelskammertag in London wird die Frage der Kalenderreform einen Gegenstand der Tagesordnung bilden. Es handelt sich nicht nur um Fest legung der beweglichen Feste, sondern um Festlegung der Wochen tage innerhalb des Jahres. Die niederländische ^laatsollippij va,u Nijverllijä hat dazu die Annahme eines Vorschlags beantragt, der von den Herren Armelin (1887) und Grosclaude (l900) gemacht worden ist und dahin geht, den Neujahrs- und den Schalttag aus der Zählung des Datums und der Wocheneinteilung aus zulassen. In Deutschland wird dieser Vorschlag von den Herren Hesse-Wartegg und W. Foerster vertreten, in Holland besonders von Herrn de Clerck. Das Befremdliche in ihm kann man durch eine leichte Abänderung ausmerzen. Man erreicht die gewünschte — und in der Tat höchst wünschenswerte — Kalenderreform nämlich in vollem Umfang, wenn man die drei Sätze annimmt: »Jedes Jahr, und in Schaltjahren jedes Halbjahr, beginnt und schließt mit einem Sonntag. — Der erste Monat jedes Viertel jahrs hat 31 und kein Monat weniger als 30 Tage. — Ostern fällt auf den 8. April.« Das übrige bleibt wie es ist. Man hat dann folgende ewige Datumtafel: So. Mo. Di. Mi. Do. Fr- Sa. So. 1 2 3 4 5 6 7 — Januar, April, 8 9 10 11 12 13 14 — Juli, Oktober 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 — — — — — — — — 1 2 3 4 — 5 6 7 8 9 10 11 — Februar, Mai, 12 13 14 15 16 17 18 —* August, Nov., 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 — — — 3 4 5 6 7 1 8 2 9 — März, Juni, 10 11 12 13 14 16 16 — Septbr., Dezbr. 17 18 19 20 21 22 23 — 24 25 26 27 28 29 30 (31-, Alle Monate haben hiernach 26 Wochentage, also, von den Festen abgesehen, gleiches Arbeitsmaß. Ihre Mittelpunkte stehen, was für die Wissenschaft wichtig ist, möglichst gleich weit vonein ander ab. Jedes Vierteljahr beginnt mit einem Sonntag. Der Beguem für die Einführung der Reform würde irgend ein Tag im Januar, Februar, September oder Dezember des nächsten *) Nur im Dezember jedes Jahres und im Juni jedes Schaltjahres. Jahres 1911 sein, weil sie dann ohne Uberspringung irgend eines Wochentags und im Gebiet des Gregorianischen Kalenders auch ohne Uberspringung eines Datums eingeführt werden könnte. Eine ebenso günstige Gelegenheit tritt im September und De zember 1916 ein. Ob die Regierungen so schnell zu einem Ent- schluß zu bringen sein werden, ist freilich sehr zweifelhaft. Ein besonders schwieriges Objekt bildet dabei die russische; aber es ist möglich, daß gerade ein so kräftiges Mittel wie diese Kalender reform auch Rußland den Anstoß geben wird, feinen leidigen »alten Stil« aufzugeben. Denn die erhöhte Unannehmlichkeit, auch in der Wochenzählung isoliert zu sein, wird es doch nicht gern auf sich nehmen, und dem nationalen Ehrgeiz ist es ansprechender, als Gleichberechtigter etwas anzunehmen, was für alle neu und ein Fortschritt ist, als etwas, das im Ausland seit Jahrhunderten besteht und dem Oberhaupt einer fremden Kirche zugeschrieben wird. Es ist zu hoffen, daß der Londoner Kongreß den Wunsch nach einem einfacheren, für die ganze Welt brauchbaren Kalender aus sprechen wird. Eine folgende Konferenz sachverständiger Personen wird dann beschließen können, welcher der vorgeschlagenen Kalender die meisten Vorteile bietet. Der hier gemachte Vorschlag hat keinen anderen Anspruch, als daß er das erstrebte Ziel anscheinend mit den geringsten Opfern an Gewohntem erreichen läßt. Wieviel Analphabeten es gibt. — Ein schwedischer Ge lehrter hat über die Zahl der Analphabeten, die jedes Land zählt, genaue Forschungen gemacht. »Die gesammelten statistischen Daten«, so liest man im »Llovimsuto Ns-Aistr-ile«, »können Italien zum Tröste gereichen.« Während sich nämlich in Italien die Zahl der Analphabeten auf 31,3 v. H. beläuft, zählt Bulgarien 53 v. H. Analphabeten, Serbien und Rußland je 62 v. H., Portugal 60 v. H., Rumänien 75 v. H. Und nun zu den Nationen, die an der Spitze der Kultur marschieren: das Deutsche Reich mit nur 0,06 v. H. Analphabeten, Schweden mit 0,01 v. H., die Schweiz mit 0,1 v. H., Dänemark mit 0,2 v. H., England mit 1 v. H., die Niederlande mit 2,1 v. H., Frankreich mit 2 v. H. Italien kommt nach Österreich-Ungarn und auch nach Griechen land, das 30 v. H. Analphabeten zählt. Andere statistische Daten des schwedischen Gelehrten betreffen den Schulbesuch in denselben europäischen Staaten, und es ergibt sich aus seinen Berechnungen, daß insgesamt 50 v. H. der schulpflichtigen Kinder (vom 6. bis zum 15. Lebensjahre) die Schule regelmäßig besuchen. Für den Volksunterricht gibt Europa im ganzen zwei Milliarden Kronen aus; auf Rußland entfällt davon nur ein Zwanzigstel, auf Deutsch land ein Drittel, auf England ein Viertel, auf Frankreich ein Achtel, auf Österreich ein Zehntel. Europa hat endlich 465 461 Schulen, 1060 634 Schullehrer und 41 281 691 Schüler — ein wahres Heer, das ständig noch wächst. Preisausschreiben. — Die Fürstlich Jablono wskisch e Gesellschaft zu Leipzig hat für die nächsten Jahre ver- schiedene Preisaufgaben gestellt. Darunter befindet sich folgende: Die Gesellschaft wünscht eine Untersuchung über die Neuen Zeitungen in Deutschland bis zum Erscheinen der ersten gedruckten Wochenzeitungen. Die Anfänge des modernen Zeitungswesens gehen bis ins 15. Jahrhundert zurück, wo fast gleichzeitig auf handwerksmäßiger Herstellung beruhende, periodisch versandte geschriebene Avisen und unperiodisch bei be stimmten Anlässen von Buchdruckern herausgegebene Flugschriften (»Neue Zeitungen«) auftreten. Während wir über die ge schriebenen Zeitungen und die Organisation der Nachrichten sammlung, auf der sie beruhen, durch die Forschungen Graßhofss, Opels u. a. einigermaßen unterrichtet sind, entbehren die in den meisten älteren Bibliotheken noch zahlreich vor handenen gedruckten »Neuen Zeitungen« — abgesehen von den bibliographischen Zusammenstellungen Wellers — bis jetzt der näheren Untersuchung. Eine solche erscheint aber ebensowohl durch die Massenhaftigkeit ihres Auftretens nahe gelegt wie durch ihre Verbreitung über alle Kulturländer Europas und durch den Einfluß, den sie nachweisbar als Träger der öffentlichen Meinung ihrer Zeit ausgeübt haben. Die Untersuchung würde vorzugsweise die Technik der Herstellung und des Vertriebes der Neuen Zeitungen ins Auge zu fassen haben. Es erscheint möglich, schon aus ihrem Inhalt die Quellen ihrer Nachrichten, die Art ihrer Sammlung und Bearbeitung, die Orte