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Nichtamtlicher Teil. ^ 130, 9. Juni 1910 Aus Pietro del Becchios graphischem Kabinett in Leipzig. — In Pietro del Vecchios graphischem Kabinett haben sich gegenwärtig drei ausgezeichnete Graphiker eingefunden: zwei Leipziger: Bruno Heroux und Richard Preuße und der Meißner P. Börner. Bruno Herouxs feinsinnige Kunst ist ja von uns an dieser Stelle schon des öftern eingehend gewürdigt worden, und da er außer einigen kleineren trefflichen Porträt- Radierungen in dieser Kollektion nichts Neues bietet, so mag der kurze Hinweis diesmal genügen. — Richard Preuße, der ab und zu schon einzelne graphische Arbeiten auf hiesigen Ausstel lungen zeigte, bietet jetzt eine größere und höchst interessante Kollektion ein- und mehrfarbiger Original-Radierungen. Unter den einfarbigen Blättern interessieren namentlich die beiden Dar stellungen vom Völkerschlachtdenkmal-Bau, von denen besonders die größere Radierung die gewaltigen monumentalen Formen vortrefflich widerspiegelt. Auch die dem Künstler eigene tempera mentvolle Nadelführung gelangt hier zu voller Geltung. Zwei Galvanographien. das Seestück »An der Ostsee« und die Flach landschaft »Ackerfurche«, sind als zwei sehr gut gelungene stimmungsvolle Naturschilderungen zu bezeichnen. Die Farben- Radierungen geben hauptsächlich malerische Architekturstücke aus Alt-Hildesheim wieder, die sich durch ebenso kraftvolle wie tonfeine Farbengebung auszeichnen. Ferner sind noch hervorzu heben das farbenprächtige Bild »Torfschiffe bei Worpswede« und die zartgetönte Landschaft »Frühlingswolke«. — P. Börner hat neben einer Sonderausstellung von Ölgemälden auch eine Reihe von Originalzeichnungen ausgestellt, die eine so vollendete Formen behandlung aufweisen, daß sie vorerst den Künstler noch weit be deutsamer als Graphiker denn als Maler erscheinen lassen. In seinen Akten sowohl wie in seinen Bildnissen offenbart sich eine große Naturauffassung und ein Gefühl für die Formensprache der Natur, die seine Arbeiten auf eine hohe künstlerische Stufe er heben. Von den Akten sind besonders vorzüglich durchgebildet der sitzende alte Mann und das liegende junge Mädchen. In den Bildnissen des Fräulein R. B. und einer alten Dame zeigt sich eine eminente Darstellungskraft, die in ihrer Schlichtheit und Natürlichkeit an Leibl gemahnt. Auch in einigen Tierzeichnungen macht sich das tiefe Naturgefühl Börners geltend. Ernst Kiesling. Fritz Neuter-Ausstcllnng in Berlin. (Vgl. Bbl. Nr. 59.) — Im Künstlerhause in Berlin, Bellevuestraße 3, wird am 12. Juli d. I. eine von dem Reuterforscher Professor vr. K. Th. Gaedertz veranstaltete Fritz Neuter-Hundertjahrausstellung eröffnet werden, die bis Anfang Oktober erhalten bleiben soll. Die Ausstellung soll gleichsam eine anschauliche und beschauliche Wanderung durch das Leben und Schaffen des Dichters ermög lichen, mit folgenden Hauptstationen: Vaterstadt Stavenhagen, Gymnasien Friedland und Parchim, Universitäten Rostock und Jena, Stadt- und Hausvogtei Berlin, Festungen Silberberg, Glogau, Magdeburg, Graudenz und Dömitz, mecklenburgisch-vor- pommersche Begüterungen (»Stromtid«), Treptow a. Toll., Neu brandenburg, Eisenach. Es werden viele Handschriften Reuters auf der Ausstellung zu sehen sein, auch Handschriften interessanter Männer und Frauen, die mit ihm in geistiger und persönlicher Berührung standen, dazu die Originaldrucke und sonstigen Ausgaben seiner Bücher nebst einer erlesenen Literatur über seine Werke, dann Porträts, Genrestücke, Skizzen, von ihm selbst gemalt oder gezeichnet, sowie Bildnisse und Ansichten von ihm, seinem Familien- und Freundeskreise, den Wohnhäusern, Städten und Landschaften aus Heimat und Fremde, ferner Möbel, Gebrauchs gegenstände, kunstgewerbliche Kostbarkeiten, Skulpturen, Medaillen, Illustrationen, Verlagskontrakte, Urkunden und Raritäten mannig faltigster Art. Herrn Professor vr. Gaedertz ist auch die Erlaubnis erteilt worden, die einschlägigen Akten und Archive der Truppen teile, Armeekorps und Kommandanturen einzusehen und durch zuarbeiten, mit denen Fritz Reuter in Berührung getreten ist. Es sind auch die Räume photographiert worden, in denen Reuter seine Haft abbüßte. Bekanntlich sind die Beziehungen des Humoristen zu der Militärverwaltung zuzeiten recht rege ge wesen. So wurde er auf der Festung Silberberg untergebracht, da er als junger Burschenschafter den Jenenser Arminen und Germanen angehörte. Ferner sah ihn die Festung Magdeburg in ihren Mauern, und außerdem war er in Graudenz und in der kleinen Zitadelle Dömitz inhaftiert. Professor Gaedertz, durch königliche Kabinettsorder beurlaubt, hat ein sehr reichhaltiges und interessantes Material von persönlichen Erinnerungen an den Dichterhumoristen, sehr viel wertvolle Dokumente und Bilder für die Ausstellung gesammelt. Besonders interessieren dürfte es, daß auch viele von Reuter während der Festungshaft selbst gemalte Porträts von Offizieren und deren Angehörigen zu sehen sein werden. Die Reuter-Hundertjahrausstellung wird ein Wallfahrts punkt für Tausende werden, die hier mit Teilnahme den Lebens gang des großen Volksdichters an sich vorübergehen lassen, der durch seinen goldenen, gemütvollen, echt deutschen Humor ihnen viele frohe Stunden bereitet hat. Ein unveröffentlichter Roman Turgenjews. — Wie aus Paris berichtet wird, wurde in den nachgelassenen Papieren der kürzlich verstorbenen berühmten Opernsängerin Pauline Viardot- Garcia (vgl. Börsenbl. Nr. 114) das Manuskript eines bisher unveröffentlichten Romans des berühmten russischen Roman schriftstellers Turgenjew gefunden. Die Künstlerin verfügte in einem nachgelassenen Brief, daß der Roman erst 10 Jahre nach ihrem Tode veröffentlicht werden solle. Zwischen Turgenjew und Frau Viardot hatte viele Jahre ein sehr edles Freundschafts verhältnis bestanden. Funde chinesischer Bücher. — Professor Pelliot (Paris) berichtete unlängst in einer Festsitzung der Pariser Geographischen Gesellschaft und des Komitees für das französische Asien über seine große Reise durch China. Anfang Februar 1908 ließ er sich, wie schon früher der Engländer Aurel Stein, die Kammer des berühmten Felsentempels zu Satschou oder Tunhuang im äußersten Westen der Provinz Kansou mit ihren zahlreichen Manuskripten und Malereien öffnen. Er erwarb eine große Anzahl wertvoller Texte, namentlich in uigurischer Schrift, viele tibetanische und chinesische Schriften, darunter auch Holzschnittdrucke aus dem 10. und sogar solche aus dem 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, voll wichtiger historischer und geographischer Aufschlüsse. In Schanghai hat Pelliot dann eine Sammlung von über Louvre ausgestellt. (Voss. Ztg.) Neuerungen in der Berliner Universitätsbibliothek. — In den neuen Räumen der Berliner Universitätsbibliothek in der Universitätsstraße konnten eine Reihe neuer Einrichtungen durch geführt werden, die die praktische Benutzbarkeit der Bibliothek recht erhöhen. So wurde, wie die Vossische Zeitung berichtet, im Erdgeschoß ein Dozentenzimmer eingerichtet, das den Universitäts lehrern eine ungestörte Arbeitsstätte bieten soll und in dem sich stets ein Beamter der Bibliothek zur Auskunfterteilung aufhält. Ferner wurde im Erdgeschoß zum ersten Male der nach Wissen schaften geordnete Zettelkatalog dem Publikum zugänglich gemacht. Von 12—2 Uhr täglich geöffnet, enthält er vorläufig nur die Ge biete: Enzyklopädie; Akademieschriften, Universitätswesen; Buch wesen; alte und neue Sprachen und Literaturen; Hebraistik und Judentum, Mathematik, Geodäsie, allgemeine Mechanik und Astronomie, endlich Teile der Rechts- und Staatswissenschaft. Um eine schnelle Erledigung dringlicher Bücherbestellungen zu ermög lichen, ist eine Ausleihebibliothek in Bildung begriffen. Sie soll die am meisten gangbare Literatur umfassen. — Für den Lesesaal wurde die Einrichtung getroffen, eine Auswahl neu angeschaffter Bücher, wöchentlich wechselnd, auszulegen, die zur Entleihung vorgemerkt werden können. Es besteht auch die Absicht, die der Bibliothek zugehenden neuen Erscheinungen des Buch handels, sowie Antiquariats-, Verlags- und Auktions kataloge hier ebenfalls auszulegen. Die Bibliothek enthält jetzt in ihren neuen, endgültigen Bücherräumen, in eisernen Listmannschen Gestellen untergebracht, etwa 250 000 Bände, dazu über 210 000 Universitätsschriften und gegen 40 000 Schulschriften. Eine jüdisch-theologische Bibliothek in Amerika. — Das neue Gebäude des jüdisch-theologischen Seminars in New d)ork enthält, wie »?abli->Ü6i-8' IVeekI^« mitteilt, eine der vollständigsten Sammlungen hebräischer Literatur, die in der Welt vorhanden