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1702 Mrs««!»« s. d. Dychn. Such?im»il. Nichtamtlicher Teil. 32, 8 Februar 1912. 3. Bande des Archivs für Geschichte des Deutschen Buch handels von ihm ziemlich eingehend beschrieben worden. Der Titel des Bandes lautet: »Relation: Aller Fürnemmen vnd gedenckwürdigen Historien, so sich hin vnnd wider in Hoch vnnd Nieder Teutschland, auch in Franckreich, Italien, Schott vnd Engelland, Hifspanien, Hungern, Polen, Siebenbürgen, Wallachey, Moldaw, Türckey usw. Inn diesem 1609. Jahr verlausten vnd zutragen möchte. Alles aufs das trewlichst wie ich solche bekommen vnd zu wegen bringen mag, in Truck verfertigen will.« Als Herausgeber dieser Wochenzeitung — es erschienen 52 Nummern — nennt sich in einem Vorwort Johann Carolus, aber weder ein Drucker ist genannt noch der Erscheinungsort. Opel hat nun als diesen mit guten Gründen Straßburg festgestellt. Der einleuchtendste dieser Gründe ist jedenfalls der, daß es im Jahre 1609 in Straßburg einen Buchhändler und später auch Buchdrucker Johann Carolus tatsächlich gegeben hat. Wie Opel feststellte, findet sich in > dem Frankfurter Ostermeßkatalog von 1608 die Schlußnotiz: »Alle Bücher, welche Bernhard und Tobias Jobin in Straß burg gctruckt haben, die findet man zu verlausten bey Johan Carola von Straßburg.« 1610 scheint er aber schon der Geschäftsnachfolger der genannten Druckerfirma gewesen zu sein, denn die Firma Carolus hat die bekannten Schriften des Johann Fischart und in der Folgezeit noch manches andere Werk gedruckt. Nichtsdestoweniger behauptet Herr vr. Blanck in ver schiedenen Tagesblättern in sehr frischem Tone, diese Zeitung könne nicht in Straßburg gedruckt worden sein, sondern der Ausgabeort müsse Köln sein. Zu diesem Schlüsse kommt er auf einem ebenso einfachen wie harmlosen Wege. Er sagt z. B.: Wenn Straßburg der Erscheinungsort und, wie Opel annimmt, Samstag der Erscheinungstag gewesen wäre, so hätte die römische Post 21 Tage, die venezianische Post 15 Tage, die Lyoner gar 20 Tage bis Straßburg gebraucht. Das ergäbe Postdurchschnittsleistungen von 54,3 km, 48,6 km bzw. 23 km, während diejenige aus Amsterdam 98 und aus Köln 124 km betragen hätten. Eine Durchschnittsleistung der Post von etwa 71—73 km ergäbe sich, wenn man Köln als Erscheinungsort annähmc. Daß eine solche Rechnung ganz beweislos ist, hätten sich auch die Zeitungen — und darunter war sogar die Kölnische Zeitung — sagen sollen, in denen Herr vr. Blanck zu Worte gekommen ist; denn um eine Leistung der Post festzustellen, bedarf es des Nach weises, an welchem Tage diese an dem betreffenden Ort angelangt ist. Bei einer Wochen zeitung zu sagen: Das Blatt ist am 22. Dezember erschienen, also ist die darin enthaltene, vom 1. Dezember datierte römische Korrespondenz am 21. oder 22. angekommen und folglich hat die Post 21 Tage gebraucht, ist doch ein wenig gar zu einfach. Dazu kommt noch, daß man nicht einmal den Erscheinungstag kennt, denn die Nummern sind nicht datiert. Die Nichtdatierung wird aber vermutlich folgenden Grund haben: In Straßburg, als einer protestantischen Stadt, rechnete man im Jahre 1609 noch nach dem julianischen Kalender, während die aus den katholischen Ländern kommenden Korrespondenzen, wo schon 1583 der gregorianische eingeführt worden war, nach diesem datiert sind. Die Zeitungsdatierung hätte nun zur Folge gehabt, daß z. B. eine in Köln am 10. Juni abgesandte Korre spondenz schon in Straßburg in der Nummer vom 3. Juni hätte erscheinen können. Auf gleicher Höhe exakter Forschung stehen noch andere »Beweise» des Herrn vr. Blanck, aus die ich hier nicht ein gehe. Es ist aber auch ein Irrtum, wenn er annimmt, Köln, zu Karls V. Zeit die drittgrößte Stadt Europas, habe damals noch keine Zeitung gehabt. Wie Friedr. Kemmerling in einer im vorigen Jahre erschienenen Dissertation, »Studien zur Geschichte des älteren Cölner Zeitungswesens» festgestellt hat, gab es 1609 auch in Köln eine, wenn auch nur ge schriebene Wochenzeitung, die von dem Notarius und »Zeitungs schreiber« N. Bilrebeck herausgegeben wurde. Für 1620 ist auch der Druck einer regelmäßig in Köln erscheinenden Zeitung festgestellt, die aber wahrscheinlich auch früher schon erschienen ist. Eben war die Rede davon, daß Köln im 17. Jahr hundert zu den größten Städten Europas zählte. Bon 1881 bis ins 20. Jahrhundert konnte auch das moderne Köln sich rühmen, die »größte« Stadt Deutschlands zu sein, nämlich an räumlicher Ausdehnung. Zu unserem Schmerz hat uns Frankfurt am Main am 1. April 1910 darin den Rang abgelaufen, indem es sein Gebiet durch Eingemein dungen auf 13 500 da vergrößerte, während Köln jetzt 11 739 bs. hat. Man glaubte den Rekord jetzt schlagen zu können, da die seit mehr als 15 Jahren erstrebte Ein gemeindung der Stadt Mülheim am Rhein mit 54 000 Ein wohnern und des Dorfes Merheim unmittelbar vor dem Abschluß zu stehen schienen. In letzter Stunde scheiterten aber dann die Verhandlungen an den großen Forderungen Mülheims. Die dortige Stadtverordneten-Versammlung lehnte am 15. Januar die entgegenkommenden Vorschläge Kölns ab. Die Präventivzensur für Theateraufführungsn, die in den meisten deutschen Vaterländern und auch anderswo aus den Zeiten jeglicher Bevormundung mit in die Neuzeit herübergerettet worden ist, gibt bekanntlich fortgesetzt Ver anlassung zu Unzufriedenheit. Der Zustand, daß einem Polizeiassistenten einer Stadt die Literatur auf Gnade oder Ungnade überantwortet ist, erscheint in der Tat vom Ideal ziemlich weit entfernt. »Im Interesse der öffentlichen Ord nung, Sicherheit und Sittlichkeit« ist z. B. in Köln die Auf führung einer ganzen Anzahl von Stücken untersagt worden, die in anderen Städten, auch in dem nahen Düsseldorf, an standlos — freilich manchmal im zweifachen Sinne des Wortes — gegeben werden. Besonders ist hiervon das hiesige Deutsche Theater, eine durchaus ernst zu nehmende Bühne, betroffen worden, und nun hat sich Mitte Januar hier eine »Vereinigung für dramatische Kunst «gebildet, »mit dem Zweck, die Ausführung dramatischer Dichtungen, die ver möge ihrer künstlerischen Eigenart im Rahmen eines sür die Allgemeinheit bestimmten Spielplans nicht geeignet erscheinen« zu ermöglichen. Die Bildung solcher Gesellschaften zum Zwecke der Umgehung der Zensur ist ein bekannter Trick; pikant wird die Sache hier nur durch die Tatsache, daß der Vor sitzende dieser Vereinigung ein Kölner Bürgermeister ist. Im übrigen sind bekannte Namen, darunter der Studien direktor der Handelshochschule, mit der Gründung verknüpft. Jeder mann kann durch Zahlung eines Jahresbeitrags von 5 das Recht auf Kauf einer Eintrittskarte für diese Reihe von Vorstellungen erwerben, die durch Strickens Mysterium GawLn eröffnet werden soll. Dann sollen Gerhart Haupt manns Gabriel Schillings Flucht und Das Hirtenlied, Wede- kinds Die Büchse der Pandora oder vielleicht Der spielende Eros von Schmidtbonn gewählt werden. Auf dramatischem Gebiete gab es am 30. und 31. Januar hier zwei Uraufführungen, eine von Dauthendey, die andere von einem Kölner Dichter und Schriftsteller Emil Kaiser (Inhaber der Aubeldruckeret), dessen Roman -Karneval« vor einigen Jahren von mehr als lokaler Be deutung geworden ist. Seine neueste dramatische Schöpfung -Wara«, die ihren Schauplatz im 8. Jahrhundert an der Ostseeküste hat, ist ein hochpoetisches Werk mit einer gedanken- und bilderreichen, packenden Sprache, von gutem Aufbau und