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10884 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 218, 18. September 1S12. zueinander, speziell des Verlags zum Sortiment, tun zu lassen und Stellung zu jenen Fragen zu nehmen, die unser Verhält nis zur Öffentlichkeit betreffen, so sind doch ihre Wirkungen auf Ziel und Richtung der buchhändlerischcn Berufspolitik so offensichtlich, daß von einer Unproduktivität dieser Versamm lungen nicht gesprochen werden kann. Es sei nur daran erinnert, daß die auf der letztjährigen Tagung in Eisenach erörterten Vorschläge über die Auf nahme neuer Firmen in das Adreßbuch ganz in derselben Weise verwirklicht wurden, wie sie dort zur Annahme gelang ten, und deutliche Spuren der Wirksamkeit dieser Versamm lung auch auf anderen in den Kreis der Erörterung einbezogc- nen Gebieten noch sichtbar sind. Man geht daher Wohl nicht fehl in der Annahme, daß der Vorstand des Börsenvereins sich dieses Instruments bedient, um darauf nicht nur jene Me lodien zu präludieren, deren voller Akkord in den Hauptver sammlungen erklingt, sondern ihr auch Aufgaben technischer Natur zuweist, die nicht vor das Forum der Oslermeß-Ver sammlungen gehören. Einer solchen Beeinflussung und Mitwirkung wird man um so mehr zustimmen müssen, als es im Interesse der Allgemeinheit des Buch handels liegt, wenn das Sortiment in seinen Bestrebungen, sich zu organisieren, unterstützt wird, damit Aufgaben, die cs eigentlich von sich aus zu lösen hätte, in absehbarer Zeit selb ständig von ihm übernommen werden können, und der Börsen verein von einer seiner Natur und Stellung nach ihm nicht zukommenden einseitigen Interessenvertretung befreit wird. Denn erst wenn der Organisation des Verlags eine ebenbür tige Vertretung des Sortiments gegenübergestellt werden kann, und der Vorstand des Börsenvereins der ihm jetzt noch ob liegenden Pflicht einer Vermittlung zwischen der in sich nicht geschlossenen Masse der Sortimenter und dem organisierten Verlag enthoben ist, wird er sich mit Erfolg jenen Fragen zu wenden können, durch die unser Ansehen in der Öffentlichkeit bestimmt wird. Dazu gehört die Regelung der Beziehungen zwischen Verlag und Sortiment nicht, da sie viel zu interner Natur und auch zu selbstverständlich ist, als daß wir dafür ein Interesse bei den außerhalb unseres Berufs Stehenden vor aussetzen dürfen. Ob die noch fehlende Organisation des Sortiments durch den Verband der Kreis- und Ortsvereine oder durch die Gründung eines speziellen Sortimenlervereins geschaffen wird, ist an sich gleichgültig, wenn sie nur überhaupt ins Leben tritt. Denn es ist nicht zutreffend, wenn behauptet wird, daß eine Sorttmentervereinigung von vornherein zur Ohnmacht verdammt sei, weil sie nie in der Lage sein würde, die Inter essen ihrer Mitglieder in ausreichendem Matze zu schützen und ihren Forderungen Nachdruck zu geben. Von dieser Voraus setzung ausgehend, wäre jeder Vereinigung die Berechtigung abzusprechen, weil ihre Ziele letzten Endes keine anderen sind, als das zu erreichen, was dem Einzelnen versagt ist. Und ebensowenig ist es zutreffend, daß ein Sortimenterverein not wendigerweise den Kampf auf seine Fahne schreiben müsse: er darf ihn nur nicht scheuen, wenn er unvermeidlich ist, und zu keinem anderen Zwecke als dem des Friedens führen. Was hätte zudem der Verlag als solcher, von der Stärke seiner eigenen Organisation abgesehen, von einem Sortimenterverein zu fürchten, da der Kampf gegen ihn doch gleichbedeutend mit Selbstvernichtung wäre, und niemand den Ast, auf dem er sitzt, selbst absägen wird! An diesen Kampf gegen den Ver lag denkt das Sortiment so wenig, wie an die Aufhebung des Z 3, öd der Satzungen, Wohl aber an einen Kampf gegen die Verleger, die diesem Paragraphen eine mit seinem Wortlaut und Sinne unvereinbare Auslegung geben. Es ist aber auch weiter nicht richtig, daß die Aufgaben eines Sortimentervereins sich mit seiner Stellungnahme zum Verlage erschöpfen, und seiner Wirksamkeit kein weite rer Spielraum gegeben sei. Auf seinem Wege lie gen vielmehr so viele noch ungelöste Fragen, daß selbst der Deutsche Verlegerverein es schon für nötig erachtet hat, das Sortiment aus sie hinzuweisen. Es sei hier nur an die aus seinen Reihen ergangene Mahnung in bezug auf eine Ver ständigung über die Verkürzung der Kreditfristen, an die Regelung der Bestellgebühr bei Zeitschriften, die Veranstal tung gemeinsamer Reklame, die Stellungnahme zu Vorträgen und Ausstellungen, die Organisation des Schulbücherbezugs, Vereinbarung über das Verhalten gegenüber den Behörden bei Übergriffen ihrer Beamten in die Sphäre des Buchhandels, bei Submissionen oder direktem Bücher bezuge u. dgl. erinnert. Alles das sind Dinge, die im Grunde so wenig vom Vörsenverein übernommen werden kön nen, wie vom Deutschen Verlegerverein, und deren Regelung nicht oder doch nur in unzulänglicher Weise er folgte, weil es an einer ausreichenden Vertretung des Sor timents bisher gefehlt hat. Wenn jetzt der Verband der Kreis- und Ortsvereine dazu übergeht, seine Sortimentermitglieüer zu einer Act Zweck- und Schutzverband zusammenzuschließen, so werden damit vielleicht nicht alle Wünsche, die man an eine reine Sorti mentervertretung stellen könnte, befriedigt, aber doch ein An fang gemacht, aus dem heraus sich eine solche entwickeln kann, falls der Verband nicht selbst die ausschließliche Vertretung dieser Interessen übernimmt und zur Geltung bringt. Denn es ist anzunehmen, daß ein Zusammengehen gesinnungsverwandter Firmen, auch wenn es nur seinen Ausdruck in der gegenseiti gen, durch Unterschrift gewährleisteten Verpflichtung zu ge meinsamer Stellungnahme und Behandlung einzelner Fra gen findet, den Wunsch erweckt, ihm eine ähnliche Form zu geben, wie sie die vom Deutschen Verlegerverein begünstigten Sondergruppen innerhalb seiner Organisation aufweisen. Da die Spielarten und Unterschiede der einzelnen Gruppen im Sortiment sich nicht so bemerkbar machen, wie im Verlag, so wird hier das Gemeinsame um so stärker hervorlreten und einer Entwicklung die Wege bereiten helfen, die der heute schon vorhandenen tatsächlichen Vertretung des Sortiments durch den Verband auch die rechtlichen Grundlagen geben würde. Daß diese Wandlung im Widerspruche mit seiner ge schichtlichen Entwicklung und seinen ursprünglichen Aufgaben stehen würde, erscheint uns viel weniger bedeutungsvoll als die Notwendigkeit, ihn den Forderungen der Zeit anzupassen und die Gegenwart nicht dauernd mit dem Erbe der Vergan genheit zu belasten. Eine Benachteiligung seiner Verleger- Mitglieder wäre um so weniger zu befürchten, als diese eine ausreichende Interessenvertretung im Deutschen Verleger- Verein bereits besitzen, und, abgesehen von der an sich schon günstigeren wirtschaftlichen Stellung des Herstellers gegenüber dem Verbreiter in unserer Gesetzgebung, im Börsenverein selbst auf einen ausreichenden Schutz ihrer Interessen rechnen können. Denn weder bei dem Verband noch bei dem Verleger verein, sondern lediglich bei der im Börsenverein vertretenen Gesamtheit des Buchhandels würde die Entscheidung liegen, und die Entwicklung der modernen Arbeitgeber- und Arbeit- nehmervcrbände zeigt, daß Verhandlungen von Organisation zu Organisation weit eher zu einer Verständigung und zum Frieden führen, als da, wo es an gleichberechtigten, verhand- lungssähigen Faktoren fehlt. Die Voraussetzungen für diese Entwicklung sind heute auch dadurch gegeben, daß der Verlag mit Schwierigkeiten in den eigenen Reihen zu kämpfen hat und eine Politik der Sammlung im Sortiment ihm eine wirksame Unterstützung aller gutgesinnten Elemente gewährleisten würde, da ja die Frage, ob Verlag oder Sortiment, weit weniger eine Rolle spielt, als die grundsätzliche Verschiedenheit der beruflichen