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672 Börsenblatt f, d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 13. 17. Januar 1911. kommen entsprungenen Mißstände durch eine Änderung des § II des Patentgesetzes <Patentausführungszwang> beseitigen, ein Vorgehen, das die Kammer ebenso freudig begrüßt habe, wie die Einsührung eines Lizenzzwanges; sie habe jedoch daraus Hinweisen müssen, daß das Deutsche Reich sein Entgegenkommen anderen Staaten gegenüber von entsprechenden Gegenleistungen ab hängig machen müsse, daß also auf eine weitere Abschaffung des Ausführungszwanges im internationalen Verkehr hinzuwirken sei, um die deutschen Patentinhaber nicht zu zwingen, ihre Erzeug nisse im Auslande herzustellen; daß weiterhin auch den An gehörigen fremder Staaten im Deutschen Reiche der Aus führungszwang aufzuerlegen sei. Gewünscht habe die Kammer, daß die Möglichkeit der Zurücknahme eines Patentes wegen Lizenzverweigerung gestrichen werde. Das Plenum der Kammer habe sich in Anbetracht der Dringlichkeit, welche die bevorstehende internationale Konferenz in Washington und die nunmehr bereits statigehabte Vorbesprechung im Reichsamt des Innern geschaffen hat, mit der Beratung der Angelegenheit nicht befassen können. Der Herr Vorsitzende habe daher, nachdem Berichterstatter die entsprechende Eingabe an das Ministerium des Innern im Auf träge des Aus chusses geprüft habe, die Angelegenheit selbständig erledigt, und die Kommission des Deutschen Handelstages für Patent-, Muster- und Zeichenschutz habe sich am 9. Januar 1911 aus den Standpunkt dieser Eingabe gestellt. Eingehend habe der Gesetzgebungsausschuß die Frage der Mängel des Musterschutzes in Amerika beraten können. Her- vorgerufen werden diese Mängel hauptsächlich dadurch, daß Amerika noch nicht der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst beigetreten sei, sondern nur der Pariser Union zum Schutze des gewerblichen Eigentums. Voll ständige Befriedigung habe auch das Copyright-Gesetz nicht bringen können, dessen Abänderung kaum zu erzielen sein werde. Aussichtsvoller erscheine das Bestreben aus Erweiterung des Schutzes deutscher Muster in den Vereinigten Staaten, an dem alle Industrien ein Interesse haben, die in Deutschland G e- schmacksmusterschutz in Anspruch nehmen und nach Amerika exportieren. Die lithographische Industrie, deren Erzeugnisse zumeist als Kunstwerke, aber auch als Geschmacksmuster geschützt werden können, habe an einer Besserung der Verhältnisse das größte Interesse. Neben ihr kommen die Musikwerk-, die Metall waren-, die Tapeten-, Porzellan waren-, Plauener Spitzen-, die Webwaren-Jndustrie u. a. m. in Betracht. Für alle ihre Erzeug- nisse könne jetzt in Amerika ein hinreichender Musterschutz nicht erzielt werden, weshalb die beteiligten Kreise von der deutschen Regierung erwarten, daß sie entsprechende Schritte zu einer ge deihlichen Änderung unternimmt. Die Zeit hierzu sei durchaus geeignet, besonders dürfe man erwarten, daß die Konferenz in Washington den Vertretern solcher Staaten, die mit Amerika in einem Vertragsverhältnisse stehen, Gelegenheit geben werde, mit den Vertretern der amerikanischen Regierung Rücksprache zu nehmen und hierbei hervorzuheben, daß die mangelhafte Gesetzgebung der Vereinigten Staaten allen Vertragsschntz illusorisch mache. Auf die Vorstellungen der Kammer bei dem Ministerium des Innern hat dieses postwendend erklärt, daß es bei dem Reichskanzler nach- drücklichst die Wünsche der Kammer vertreten werde, und es ist auch der Herr Vertreter der sächsischen Regierung gelegentlich der Berliner Vorberatung energisch für die Anträge der Kammer ein getreten. Die Kommission des Deutschen Handelstages hat aui Antrag der Leipziger Kammer am 9. Januar 1911 beschlossen, in gleichem Sinne bei der Reichsregierung vorstellig zu werden Die Kammer nahm von den bereits zur Absenduug gelangten Eingaben und von den bisher erzielten Erfolgen mit Befriedigung Kenntnis. Rembrandts »Nachtwache«. — Im Reichsmuseum in Amsterdam wurde am 13. d. M. das berühmte Gemälde Rembrandts »Die Nachtwache« durch mehrere Messerstiche schwer beschädigt. Der Täter, ein achtundzwanzigjähriger ehemaliger Schiffskoch der Marine namens Sigrist, wurde ver haftet. Er gibt an, aus Rache gegen den Staat gebandelt zu haben, weil er nach einer ärztlichen Untersuchung nicht wieder eingestellt worden sei. Die dem Bilde zugefügte Beschädigung besteht in einem ziemlich tiefen Stich in der Gegend der Knie der vordersten Hauptgestalt des Gemäldes, ferner in oberflächlichen Beschädigungen in der Höhe der Brust bei der ersten und zweiten Hauptfigur. Man hofft, das Gemälde so gut wiederherstellen zu können, daß von der schweren Beschädigung nichts zu sehen ein wird. Über dieses Meisterwerk Rembrandts wird in der »Neuen Freien Presse« folgendes mitgeteilt: Die »Scharwache« oder Nachtwache« von Rembrandt zeichnet sich durch den seltsam zauberhaften Ton. durch das Wirken eines geheimnisvollen Lichtes aus wie keine zweite große Komposition des Künstlers. Dieses be deutendste Werk des Reichsmuseums in Amsterdam, das aus Anlaß der Neuaufstellung der Rembrandtschen Werke vor zwei Jahren in einer großen Halle den Ehrenplatz erhielt, wurde im Jahre 1642 vollendet. Es stellt die Amsterdamer Schützengilde mit dem Hauptmann Froms Bönning Cock im Gildenhause dar. Das Bild ist voll Bewegung, denn Rembrandt hat den Augen blick gewählt, da die Kompagnie im Begriffe ist, sich zum Zuge zu ordnen. Hauptmann Cock im dunklen Gewände ist die Hauptperson; auf seinen Oberkörper fällt das rätselhafte Licht, das jeden Betrachter so seltsam ergreift. Links von Cock steht der Leutnant mit der Partisane; ein Tambour, drei Kinder im Gedränge, die herrliche Gestalt des Fahnenträgers heben sich besonders kräftig hervor. Eine Tafel verzeichnet die Namen der 16 Schützen; jeder der Dargestellten hat, wie sich aus Akten ergibt, 100 Gulden zum Preise des Bildes beigetragen. Das Werk, das ganz irrtümlich »Scharwache« oder »Nachtwache« genannt wird, befand sich bis zum Beginn des achtzehnten Jahrhunderts im Hause der Schützengilde; später wanderte es in das Amsterdamer Stadthaus. Bei dieser Gelegenheit scheint es durch Wegschneiden je eines Streifens an beiden Seiten an Breite verloren zu haben, denn eine gute alte Kopie in der Londoner Nationalgalerie zeigt Figuren, die auf dem Amster damer Original fehlen. * Autographen-Versteigerung. — Wie uns die Firma C. G. Boerner in Leipzig mitteilt, findet bei ihr Anfang Mai die Versteigerung einer Autographen-Sammlung statt, wie sie seit der Versteigerung der berühmten Sammlung Alexander Meyer-Cohns nicht dagewesen ist. Diese Sammlung, die den un geheueren Umfang von ca. 14 000 Stück hat, von denen natürlich nur eine Auslese zur Versteigerung kommt, stammt aus altem Leipziger Besitz und dürfte die bedeutendste überhaupt noch in Privatbesitz vorhandene sein. Man darf sagen, daß in ihr sämt liche berühmte Männer Deutschlands von Luther bis Bismarck enthalten sind, neben zahlreichen interessanten ausländischen Dokumenten. Von Luther selbst kommt hier ein Brief auf den Markt, der vielleicht das wertvollste Autograph ist, das man sich denken kann, nämlich das Schreiben, das er 1521 sogleich nach dem Wormser Reichstag, ehe er nach der Wartburg aufgehoben wurde, an Kaiser Karl V. richtete und in dem er unter Wiederholung der Vorgänge auf dem Reichstag in diesem brennendsten Moment der ganzen Reformationsbewegung ein Glaubensbekenntnis sondergleichen auf drei engbeschriebenen Folioseiten ablegt. Dieses berühmte Stück ist schon in der Erfurter Lutherausgabe im achtzehnten Jahrhundert als eins der wichtigsten Dokumente der Reformations geschichte ausführlich abgedruckt und gewürdigt worden. Unter den 5—600 meist eigenhändigen Schriftstücken, die sich sonst noch auf die Reformation beziehen, kommen alle namhaften Männer der Zeit zu Worte: der Kaiser selbst, Melanchthon, Agricola, Amstorff, Aquila, Aurifaber, Theodor Beza, Brentz, Bucer, Bugen- hagen, Bullinger, Calvin mit drei prachtvollen Stücken, Cochläus, Cruziger, Eck, der äußerst seltene Erasmus von Rotterdam, Flacius, Grynäus, Hutten, Jonas, Münzer, Mykonius, Oekolampadius, Peucer, Peutinger, Pirkheimer, Schertlin von Burdenbach, Schurs, Sickingen, Spalatin, Turneisser, Varnbühler, Zwingli mit einem prächtigen umfangreichen Brief und viele andere mehr. Es ist kaum möglich, in einem kurzen Bericht einen Begriff von den historischen, auch den kriegsgeschichtlich und dynastisch wichtigen Schätzen der Sammlung zu geben. Die deutschen Kaiser, mit Maximilian beginnend, die Hohenzollern, die Wettiner, die Österreicher, sie alle sind mit fast vollständigen Serien eigen händiger Schreiben vertreten. Eine Spezialität des Sammlers bildete der Dreißigjährige Krieg, der 2—3000 Stücke umfaßt, sicher die größte überhaupt vorhandene Sammlung dieser Art. Auch