Volltext Seite (XML)
Redaktioneller Teil. ^ 175, 31. Juli 1913. Personalnichrichten. Gestorben: am 28. Juli nach fünfwöchiger Krankheit im 59. Lebensjahre Herr Gottwalt Schiller, Inhaber der Firma Otto Aug. Schulz Verlag G. Schiller und langjähriger Prokurist der Firma I. M. Gebhardt's Verlag, in Leipzig. Der Verstorbene hat in 34jähriger hingebender Arbeit für die Firma I. M. Gebhardt's Verlag in Leipzig gewirkt und leitete bas Geschäft nach dem am 1. Juni 1894 erfolgten Tode von Leopold August Gebhardt für dessen Witwe, bis deren Sohn im Jahre 1905 eintrat. Auch diesem ist er als treuer Berater zur Seite geblieben, seine be währte Zuverlässigkeit und erprobte Pflichttreue werden im Nachruf seines Chefs hervorgehoben. Am 1. April 1896 kaufte Schiller den Verlag von Otto Aug. Schulz, der sich auf sein Autographengeschäft und Antiquariat zurückziehen wollte. Bestimmend für den Ankauf mag wohl das im Schulischen Verlage erschienene Werk von Feller und Odermann: Das Ganze der kaufmännischen Arithmetik gewesen sein, das gewissermaßen eine Ergänzung zu den Schiebe - Odermannschen kaufmännischen Werken bildete, die in dem von Schiller geleiteten Geb- hardtschen Verlage erschienen waren. Der Heimgang des fleißigen Mannes wird nicht nur von seinen Angehörigen und Mitarbeitern betrauert werden, sondern auch viele Kollegen werden die Nachricht von seinem Ableben mit Trauer vernehmen, da er sich im Kreise seiner Berufsgenvssen großer Beliebtheit erfreute. SpreWal. (Ohne Verantwortung der Redaktion; jedoch unterliegen alle Einsendungen den Bestimmungen über die Verwaltung des Börsenblatts.) Lagerkosten in Buchbindereien. Zwischen einem Verlage und einer Buchbinderei sind Meinungs verschiedenheiten wegen der Berechnung von Lagergeld für Material entstanden, das in der Buchbinderei gelagert hatte, aber nicht ge bunden werden konnte. Der Sachverhalt findet sich unten in den Dar stellungen beider Parteien. Es wird um Beantwortung der Fragen am Schlüsse gebeten. Darstellung des Verlages: Vor etwa zwei Jahren hatte ich mit einer Buchbinderei eine Diffe renz, infolge deren ich ihrem Inhaber telephonisch erklärte, daß ich meine Geschäftsbeziehungen zu ihr abbrechen würde. Aufträge hat die Firma auch nicht mehr erhalten. Es wurde jedoch übersehen, das Rest- material zu einem Werke, von dem früher 600 Exemplare gebunden worden waren, abzurufen. Es handelt sich um 500 Exemplare eines Werkes im Umfange von 5 Bogen; der Ballen hat eine Grundfläche von 30X50 cm und eine Höhe von 80 om. Da der Absatz des Werkes fast vollständig gleich null ist, so ist es ganz ausgeschlossen, daß die Nestexemplare noch einmal gebunden werden. Als jetzt — nach 2 Jahren — bei der letzten Inventur bemerkt wurde, daß diese Exemplare noch beim Buchbinder lagern, wurden sie abgernfen. Dieser aber will sie mit Berufung auf die Lagerkosten berechnung des »Verbandes Deutscher Buchbindereibesitzer« nur gegen Erstattung einer Gebühr von 25 ^ herausgeben. Irgend eine Mit teilung in diesem Sinne oder eine Berechnung hat bisher nie statt gefunden, obgleich zwei Jahre vergangen sind und also mindestens Jahresrechnung hätte erteilt werden müssen. Auch war der Buchbin derei sowohl aus dem telephonischen Gespräch, als auch aus einem Be scheid, der ihrem Reisenden mündlich erteilt morden war, durchaus be kannt, daß sie keine Aufträge mehr von hier erhalten sollte. Hätte die Firma nur ein einziges Wort rechtzeitig wegen der Bestände gesagt oder eine Rechnung geschickt, so hätte ich selbstverständlich das Material sofort abrnfen lasten, denn es ist gar keine Frage, daß ich in meinem Geschäftslokal reichlich Gelegenheit habe, diesen ganz kleinen Ballen kostenlos zu lagern. Die nachträgliche Forderung einer Lagergebühr von 25 ^ ohne vorherige Berechnung und ohne jede Abmachung nach dieser Richtung halte ich für durchaus unzulässig, umsomehr, als sich auch auf den Gc- schäftspapieren der Buchbinderei kein Hinweis findet, daß etwa die Be stimmungen des Verbandes Deutscher Buchbindereibesitzer für den Verkehr mit ihren Kunden verbindlich sein sollen. Auch die Buch binderei gibt zu erkennen, daß sie sich über die Berechtigung ihrer For derung im Zweifel befindet, denn sie schreibt unterm 16. Juli 1913: »Sollten Sie sich an der Höhe der genannten Forderung stoßen, so bitte ich mir mitzuteilen, wieviel Sie mir denn vergüten wollen«. Die Buchbinderei ist darauf hingewiesen worden, daß sie die Rechte, die sie zu haben glaubt, gerichtlich wahrnehmen möge und daß sie jeden falls bei der Zweifelhaftigkeit ihrer Forderung kein Recht habe, das Material zurückzubehalten. Darstellung der Buchbinderei. Auf Grund meiner schriftlichen Bestätigung vom 24. Januar 1911 erteilte mir ein Verlag den Auftrag auf Einbinden von 500 Exemplaren eines Werkes. Die gedruckte Auflage betrug 1000 Exemplare, die mir vollzählig von der Druckerei zugingen. Die überschiebenden 500 Exemplare blieben zwecks eventuellen späteren Einbindens bei mir auf Lager ohne besonderen Auftrag; auch in meiner Auftragsbestätigung ist hierüber nichts erwähnt. Bis zum 15. Juli 1913, also nach 2^ Jahren, erteilte die Firma keinen weiteren Auftrag auf das Einbinden dieser Nestauflage, sondern rief kurzerhand am Telephon an, der Nest werde nicht mehr gebunden, sie wünsche die Druckbogen von mir zu- rllckgesandt zu haben. Das wurde selbstverständlich von mir zugcsagt unter der Bedingung, daß die bisher entstandenen Lager- und Ver waltungsspesen usw. in Rechnung gestellt würden. Die Firma war jedoch der Meinung, mir für die Lagerung und den Transport der Bogen keine Entschädigung schuldig zu sein. Meine Forderung für Lagerung, Feuerversicherung und Handlungsunkosten stellt sich auf 25 Diese Forderung zu begleichen, weigerte sich die Firma. Ich machte sie deshalb auf die amtlichen Bekanntmachungen des Verbandes der deutschen Buchbindereibesitzer (dessen Mitglied ich bin) aufmerksam, die nach Veröffentlichung im Börsenblatt rechtswirksam geworden sind. Entgegenkommender Weise stellte ich der Firma anheim, mir einen an derweitigen Auftrag ungefähr in gleicher Höhe zu erteilen, worauf ich auf meine Forderung verzichtet hätte, was abgelehnt wurde. Aus diesem Grunde muß ich auf Zahlung der berechneten Spesen bestehen. Uber die Berechtigung meiner Forderung besteht bei mir nicht der geringste Zweifel, ich wollte mich nur in entgegenkommender Weise mit irgend einem kleinen Betrag seitens der Verlagsfirma be gnügen. Mehr Entgegenkommen kann doch kein Mensch verlangen. Fragen: 1. Ist unter den oben angegebenen Umständen die Forderung der Buchbinderei für Lagergeld berechtigt? 2. Ist die Höhe des von ihr angesetzten Lagergeldes angemessen? 3. Hat sie das Recht, das Eigentum des Verlages zurückzube halten? Da der Herr Einsender in seinem Begleitschreiben die Redaktion bittet, gleichfalls ihre Meinung zu den gestellten Fragen zu äußern, so bemerken wir zu der Darstellung beider Parteien folgendes: 1. Das Verfahren der Buchbinderei kann nicht als korrekt be zeichnet werden, da der Verleger so unzweideutig seine Absicht, die Ge schäftsverbindung abzubrcchen, kundgegeben hatte, daß es ihre Pflicht ge wesen wäre, den bisherigen Kunden auf die noch lagernden Bestände aufmerksam zu machen, die ihr doch zu keinem anderen Zwecke als dem des Einbindens übergeben worden waren. Glaubte sie je doch sich hierzu nicht verpflichtet, so wäre es, da eine Berechnung von Lagergeld bisher nicht stattgefunden hat, erforderlich gewesen, den Verlag von dem Beschlüsse des Verbandes Deutscher Buchbinderei besitzer in Kenntnis zu setzen, der nicht ohne weiteres dadurch Rechts kraft erlangt, daß er im Börsenblatt veröffentlicht worden ist. Viel mehr muß angenommen werden, daß, wenn zwischen den Parteien nichts anderes vereinbart ist, die alten Bedingungen noch als zu Recht bestehend anzusehen sind. Aus dem Abbruch der bisherigen Geschäfts verbindung aber das Recht herzuleiten, neue Bedingungen einseitig fest zusetzen, weil seitens des Verlags die Abberufung eines Werkes ver säumt wurde, muß, zumal innerhalb zweier Jahre nicht einmal Rechnung übersandt wurde, fast als ein arglistiges Verhalten bezeichnet werden, so berechtigt an sich auch der Beschluß des Verbandes Deutscher Buch bindereibesitzer ist. 2. Wäre Frage 1 mit ebensoguten Gründen zu bejahen, wie sie zu verneinen ist, so müßte doch bestritten werden, daß die Höhe des ange setzten Lagergeldes angemessen ist. Sie erscheint vielmehr auch dann noch übertrieben, wenn man großstädtische Verhältnisse (teure Miete usw.) der Berechnung zugrunde legt. 3. Nach 8 369 Abs. 3 des HGB.s ist ein Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen, wenn die Zurückbehaltung des Gegenstandes der von dem Schuldner vor oder bei der Übergabe erteilten Anweisung, in einer bestimmten Weise mit dem Gegenstände zu verfahren, widerstreitet. Diese Vorschrift beruht auf dem Gedanken, daß, wenn auch der allge meinen Anschauung des Kaufmanns Rechnung zu tragen ist, wonach er Deckung für die ihm aus einem Verkehr mit dem Schuldner erwachsenen Forderungen in den in seinen Besitz gelangten Vermögenstcilcn des Schuldners finden könne, doch kein Verfahren als statthaft anzuschen ist, das gegen Treu und Glauben verstößt. Ein solcher Verstoß läge aber in der Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes der Buchbinderei, da sie die Bücher seinerzeit unter der (ausgesprochenen oder stillschweigenden) Bedingung übernommen hat, damit nach Weisung des Verlegers zu ver fahren. Red.