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149. 1. Juli 1914. Redaktioneller Teil. Christian Teich tibernahm, der als Buchdrucker gelernt hatte und das, väterliche Geschäft uuu auf eigene Rechnung, aber nach mehrere Jahre unter der Firma des Vaters fortführte. Ein ganz wesentlicher Auf schwung trat mit dem Kriege 1870/71 ein. Hatten sich schon Jahre vorher die Stuttgarter Journale »Uber Land und Meer«, »Illu strierte Welt«, »Buch für Alle«, »Illustrierte Chronik der Zeit« usw. ziemlich eingebürgert, so rief doch erst der einzig in der Ge schichte dastehende Siegeszug der Deutschen gegen Frankreich ein Lese bedürfnis hervor, wie man cs vorher nicht gekannt hatte. Die Buch handlung von Christian Teich nützte diesen Lesedrang weidlich aus. Cs wurde ein Kolporteur nach dem andern eingestellt und zunächst der ganze Thüringer Wald bereist, der durch seine ausgedehnte Porzellan- Industrie von einem heiteren intelligenten Völkchen bewohnt wird, dann das angrenzende Obcrfranken mit hcrangezogen und zuletzt die nach Norden und Osten angrenzenden Gebietsteile der beiden Reust, Schwarzburg-Nudvlstadt, Meiningen, Weimar und Altenburg usw. mit hinzugenommcn. Es waren immer 5 bis 0 Kolporteure unter wegs. Im Jahre 1872 siedelte Christian Teich nach Greiz über und gründete dort die Grcizer Zeitung und eine Sortiments-Buchhand lung, die später in den Besitz des Herrn Erich Schlemm überging und sich heute in den Händen des Herrn Erich Thiele befindet. Sein bisheriger Mitarbeiter Herr Anton Spindler übernahm die Leitung des Lobenstciner Geschäfts, das er 1874 auf eigene Rechnung weiter- führtc. Herr Spindler starb im Frühjahr 1896, und die Erben ver kauften die Buchhandlung an Herrn Friedrich Krüger aus Gera, der sie am 1. Oktober 1896 übernahm. Herr Krüger und seine Gattin waren ganz für die Lobensteiner Verhältnisse geschaffen. Mit unermüd lichem Fleist, Geschick und Liebenswürdigkeit verstanden sie es, sich nicht nur den bisherigen Kundenkreis zu erhalten, sondern ihn auch weiter auszudchncn. Leider sollte cs Herrn Krüger nicht vergönnt sein, das 50jährige Bestehen der Buchhandlung, die er in allen Teilen hochgehaltcn hat, zu erleben, ein tückischer Bronchialkatarrh mit dazu getretener Herzschwäche machte seinem Leben am 17. März 1914 ein vorzeitiges Ende. In den besten Jahren wurde er aus seiner Tätigkeit, in die er sich mit allen Fasern seiner geschäftlichen Begabung hinein- gearbeitct hatte, herausgerissen. Sein Lebcnswerk wird von seiner treuen Gefährtin und Helferin Frau E. Krüger fortgcführt. Das 25jährige Jubiläum feiert am 1. Juli die Firma G. Wittrin lWittrin L Weise) in Leipzig, deren Gründer, Herr Gotthilf Wittrin, zugleich auf 25 Jahre erfolgreicher Selbständigkeit zuriickblicken kann. Herr Gotthilf Wittrin stammt aus einer angesehenen Apotheker- familie in Heiligenbeil in Ostpreußen und erhielt ans dem Gymnasium in Königsberg eine gediegene Bildung, nach deren Abschluß er sich dem Buchhandel widmete und bei L. Saunier in Danzig in die Lehre trat. Kaum hatte er diese beendet, als der Krieg 1870 ausbrach, den er als Einjährig-Freiwilliger beim 4. ostprenstischen Grenadierregimcnt Nr. 5 mitmachte. Gesund heimgckchrt, widmete er sich wieder seinem Beruf und bekleidete Stellungen bei Ewich in Duisburg, W. Weber in Berlin und bei den Leipziger Firmen O. Gracklauer, Karl Baedeker und Georg Thieme. Am 1. Juli 1889 gründete er dann in Leipzig eine Sortimentsbuchhandlung, die sehr bald ans den Spezialgebieten Medizin und Landwirtschaft eine gewisse Bedeutung erlangte, ohne daß sic die allgemeine Literatur ganz ausschloß. Am 1. Oktober 1910 nahm zu seiner Entlastung, weil ihn ein schweres Leiden befallen hatte, Herrn M a x N. W c i s e als Teilhaber auf. Herr Wittrin erfreut sich im Kreise seiner Kollegen und Freunde großer Beliebtheit. Der Verein Deutscher Chemiker in der Bugra. — Die Bczirks- vereine Sachsen-Thüringen, Sachsen-Anhalt, sowie der Märkische und Berliner Bezirksverein des Vereins deutscher Chemiker ver anstalten am 5. Juli auf der Internationalen Ausstellung für Buch gewerbe und Graphik eine Versammlung mit Damen. Vormittags 10 Uhr finden Vorträge statt und zwar werden sprechen: vr. Fr. Koenig, Leipzig, über das Zubereitcn und Färben der Rauchwaren (Pelze), und Prof. Vv. B. Nassow, Leipzig, über die Herstellung des Papiers in alter Zeit. An die Vorträge schließen sich ein gemein sames Mittagessen im Hanptrestaurant, sowie eine Besichtigung der Ausstellung unter sachkundiger Führung an. »Deutsche Buchhändler in der Franzosenzeit.« — Eine kleine Aus stellung über dieses Thema befindet sich seit kurzem in der »Jahrhnn- dertansstellnng der Völkerschlacht« im Stadtgeschichtlichen Museum in Leipzig. Natürlich wird darin in erster Linie Palms gedacht, von dem die Orginalausgabe seines berühmten Verlagswerks »Deutsch land in seiner tiefen Erniedrigung«, sowie ein eigenhändiges Schreiben vorhanden ist. Weiterhin sind Frommann, Friedrich Andreas Perthes, K. F. Koehler, sowie der deutsch-englische Verleger Rudolph A cker m a n » durch verschiedenartige Erinnerungen an die > napoleonische Zeit vertreten. Besondere Hervorhebung verdient dann das erste Extrablatt über die Leipziger Völkerschlacht — es ist das einzige bisher bekannte Exemplar, das kein Geringerer als Friedrich Arnold Brockhaus redigiert hat, wie jetzt feststeht, nach einer Vorlage von der Hand des Freihcrrn v. Altenstein, die das Museum gleichfalls unlängst erworben hat. Ganz unbekannt dürfte bisher auch der Entwurf eines Völkerschlachtdenkmals geblieben sein, der von dem Weimarer Buchhändler Carl Bertuch stammt und ebenfalls dieser Gruppe eingcrciht worden ist. Carl Bertuch besaß ein leiden schaftliches Interesse für alle Zeitfragcn: er hat nicht nur das Leip ziger Schlachtfeld bereist, er war auch auf dem Wiener Kongreß als Delegierter des deutschen Buchhandels vertreten und ist somit trotz seines frühen Todes eine für die deutsche Buchhandelsgeschichte be merkenswerte Persönlichkeit. Johauttisfcst auf der Bugra. — Die Ansprache, die der Präsident der Ausstellung, Herr vr. Ludwig Volkmanu, zur Enthüllung des Gutcnberg-DenkmalS auf der Bugra während des glänzend ver laufenen, von mehr als 100 000 Menschen besuchten Johannisfestcs am 28. Juni hielt, hatte folgenden Wortlaut: Liebwerte, festliche Versammlung! Einem schönen alten Brauche der Angehörigen der schwarzen Kunst find mir gefolgt, indem wir das I o h a n n i s f e st auch in diesem Jubel jahre der graphischen Gewerbe in unserer buchgewerblichen Weltaus stellung zu einer großen, eindrucksvollen Huldigung für unseren Meister Gutenbcrg gestalten wollten. Schon seit Jahrhunderten begehen ja die Buchdrucker den Namenstag ihres Schutzpatrons in dankbarer Erinne rung und in stolzem Selbstgefühl der Zusammengehörigkeit. In ganz besonderer Weise mußte also gerade unsere Ausstellung, diese große Heerschau des Buchgewerbes und der Graphik, dazu bestimmt und ge radezu verpflichtet sein, in diesen Tagen der Sonnenwende des großen Erfinders und Lichtbringcrs zu gedenken, ohne den die ganze gewaltige Entwicklung, von der wir Zeugnis oblegen, nicht gewesen wäre; und so haben wir uns so recht von innen heraus gedrungen gefühlt, sein Gedächtnis zu ehren und dieser unserer Gesinnung auch in monumen taler Form sichtbaren Ausdruck zu verleihen. Und nicht nur ihm wollten wir heute den schuldigen Dankeszoll vor aller Welt abstatten, sondern allen denen, die auf unseren Arbeits gebieten fruchtbar und bahnbrechend gewirkt haben und auf deren Tätig keit unser gesamtes eigenes Werk aufgebaut ist. So haben wir denn heute morgen, im Anschluß an die schöne und pietätvolle Leipziger Sitte der Gräberschmückung am Johannistage, unseren Festtag schon mit einer ernsten Gedenkfeier begonnen, und wir haben dabei die lorbeer- nmkränzten Namen einer Anzahl besonders markanter Persönlichkeiten aus dem Buchgewerbe und der Graphik an hervorragender Stelle unserer Ausstellung öffentlich angehcftet, die in ihrer Gesamtheit ein glorreiches Bild dcntscher Kunst und deutschen Gewerbfleißes darbieten, zugleich aber mahnen sollen, anch der vielen anderen in Dankbarkeit zu ge denken, die Gleiches mit jenen erstrebt und errungen haben. Und wenn es uns dabei von kunstgeübtcn Stimmen cntgegengcklungen ist: »Ehrt e u r c d e u t s ch c n M e i st e r, d a n n b a n n t i h r g u t e G e i st e r«, so hat damit der große Sohn unserer lieben Vaterstadt uns in Wort und Weise wohl das Tiefste gesagt und zu Gemüte geführt, was wir alle im Innersten empfinden konnten und empfunden haben. Drei Namen freilich wird ein jeder unter unseren Ehrenkränzen noch vermißt, mit Recht vermißt haben, und sie sind es, denen jetzt unsere besondere Feier gelten soll und muß: neben Gutenberg der Erfinder der Lithographie, Alois Senefelder, und der Erfinder der Schnellpresse, Friedrich König — jenes Dreigestirn, das uns gleichsam symbolisch immer wieder die kraftvolle Einheit des gesamten deutschen Buchgewerbes verkörpert, und das daher auch in der Gutcn- berghalle unseres Buchgewerbchauscs schon ein stattliches dreifaches Ehrenmal erhielt. Diesen drei Männern gilt mit Fug und Recht die Huldigung, die wir hier darbringen, und die äußerlich in unserem Festzuge so lebendig zum Ausdruck gelangt: alle Völker, alle Zeiten, alle Gattungen unseres Gewerbes haben sich darin vereint, um ge meinsam »die Kunst zu grüßen«! So haben wir uns nun um dieses Denkmal versammelt, das, wenn irgcndeins am rechten Platze steht — aus unserem weiträumigen G u - ten bergplatz, umrahmt einerseits von der einzigartigen, die ganze Vergangenheit aufrollenden »Halle der Kultur«, die wiederum auf die Staatsgebäude der neidlos und freundschaftlich um uns ge scharten fremden Nationen blickt, andererseits von den gewaltigen Industrie- und Maschinenhallen, in denen das frischeste Leben unserer gewerblichen Gegenwart braust. Von den Uranfängen graphischer Darstellung über Gutcnbcrgs Erfindung bis zur Notations- pressc und Setzmaschine — welch ein Weg, welch eine unerhörte Ent wicklung namentlich in dem verhältnismäßig kurzen Zeitraum seit der entscheidenden großen Tat! In fast beängstigender Fülle dringen die neuen und neuesten Fortschritte der Technik da auf uns ein, und wohl 1063