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252, 2g. Oktober 1909. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 12997 Der Deutsche Buchgewerbeverein. Zu seinem 25jährigen Bestehen. Am 29. Oktober vollendet sich ein Vierteljahrhundert, seit der Deutsche Buchgewerbeoerein, damals »Ccntral- verein für das gesamte Buchgewerbe«, in Leipzig begründet wurde. Erwägungen nationaler, künstlerischer und wirtschaftlicher Art waren es, die zu seiner Ent stehung führten: die Einheit des in übergroßer Arbeitsteilung sich zersplitternden Buchgewerbes sollte im geeinten Deutschen Reiche wieder betont werden, für die bildende Kunst galt es, im Anschluß an die neu erwachte kunstgewerbliche Bewegung der siebziger und achtziger Jahre, verstärkten Einfluß auch auf die Druckausstattung zu er obern, und mit alledem wurde erstrebt, Deutschland auch auf diesem wichtigen Gebiet den rechten Platz im Wett bewerb der Völker zu erhalten, der schon fast verloren zu gehen drohte. War doch der eigentliche äußere Anstoß zur Begründung des Buchgewerbeoereins in einem Bericht an das Sächsische Ministerium gegeben, den vr. Oscar von Hase (Breitkopf L Härtel) über die Beteiligung an einer internationalen Ausstellung der graphischen Künste in Wien 1883 erstattet hatte und worin der Verzicht auf die Beteiligung an jener Ausstellung mit dem Mangel künstle rischen Einflusses auf die Entwickelung des graphischen Ge werbes motiviert wurde. Auf Veranlassung der Regierung wurde damals im Kreise der beteiligten wirtschaftlichen Ver einigungen nach Mitteln zur Abhilfe gesucht, und man war sich darüber einig, daß diese vor allem bestehen müßten in 1. einem Deutschen Buchgewerbemuseum, 2. einer Akademie für graphische Künste, 3. Pflege des Ausstellungswesens. Diese drei Punkte bildeten auch das wesentliche Pro gramm des im weiteren Verfolg der Verhandlungen 1884 begründeten Vereins, und sie sind bis heute, erheblich erweitert und vermehrt, die hauptsächlichen Gebiete seiner gemein nützigen Arbeit geblieben. Den Vorsitz übernahm, wie billig, vr. O. von Hase, dem später als lebhaft wirkender zweiter Vorsteher der zu früh verstorbene Johann Weber (I. I. Weber) zur Seite trat; als Sekretär wirkte lange Jahre der Nestor des Deutschen Buchgewerbes, Generalkonsul Carl Berend Lorck. Als der verdienstvolle Begründer Anfang 1901 von seinem Amte zurücktrat, folgte ihm sein Neffe vr. Ludwig Volkmann (Breitkopf L Härtel) im Vorsitz; zweiter Vorsteher ist zurzeit Herr Arndt Meper (Bibliographisches Institut), Verwaltungsdirektor Herr A. Woernlein. Wie überaus zeitgemäß die Be gründung des Vereins, der seine Tätigkeit über das ganze deutsche Sprachgebiet erstreckt, war, zeigt ein kurzer Blick aus die rasche Entwicklung seiner Einrichtungen und aus das, was er seit seinem Bestehen an positiver Arbeit ge leistet hat. Die bescheidenen ersten Anfänge fanden gastliche Auf nahme durch den Börsenverein der Deutschen Buchhändler in dessen alter Buchhändlerbörse, wo zunächst als Grundstock eines Deutschen Buchgewerbemuseums die vom sächsischen Staat überlassene wertvolle Bibliographische Sammlung Aufstellung fand. Schon vermehrt, wunderte das Museum 1888 mit in das neuerbaute Deutsche Buchhändlerhaus, wo es sich bald so kräftig entwickelte, daß es die Räume zu sprengen drohte und den Gedanken eines eigenen Gebäudes nahelegte. So wurde in kühnem Wagemute mit Hilfe der Stadt Leipzig und mit Unterstützung der Berufs genossen das Deutsche Buchgewerbehaus als monumen tale Heimstätte des Buchgewerbevereins geplant und durch geführt, das am 12. Mai 1990 seiner Bestimmung übergeben Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 76. Jahrgang. werden konnte. Das nach den Plänen von EmilHagberg im Stile der deutschen Renaissance erbaute Haus enthält jetzt in seinem zweiten Obergeschoß das Buchgcwerbemuseum mit Bibliothek, Lese- und Zeichensaal, ferner eine Ständige buch- gewerbliche Ausstellung, wo die einzelnen Firmen ihre Erzeugnisse zur Schau bringen können; das Gleiche ermög licht im unteren Geschoß die Buchgewerbliche Maschinen ausstellung den Maschinenfabriken, ferner befinden sich hier große, vornehm ansgestattete Ausstellungssäle, die wechselnde buchgewerbliche Ausstellungen aufnehmen, so regelmäßig um Ostern die Jahresausstellung des deutschen Buchhandels, sowie die Weihnachtsausstellung. Im Haupt geschoß liegen die Geschäftsräume des Buchgewerbe vereins selbst, sowie zahlreicher buchgewerblicher Ver einigungen Deutschlands, Sachsens und Leipzigs, die hier ihren Sitz genommen haben; vor allem aber befindet sich daselbst die prächtige, von Bruno Eelbo entworfene Gutenberghalle, die als Ehrensaal des Hauses und zu Versammlungen und Vorträgen dient. Sie enthält die Marmorstandbilder von Gutenberg, Senefelder und Friedrich Koenig, sowie die Büsten Kaiser Wilhelms II. und der Könige Albert und Georg von Sachsen. Der be deutsame malerische Schmuck der Halle ist von Sascha Schneider und stellt an der Hauptwand Baldurs, des Lichtgottes, Sieg über die Mächte mittelalterlicher Finsternis dar, an den Pfeilern Wotan und Loki, Wahrheit und Poesie, endlich an der Eingangswand über der Musik bühne zwei riesige Drommetenbläser, die soeben zum Jubiläum des Vereins gestiftet wurden. Im Dachgeschoß befinden sich die Magazine der Bibliothek, sowie die Räume der Typo graphischen Gesellschaft und der Gesellschaft zur Pflege der Photographie. Die Arbeit des Buchgewerbevereins nun besteht, ganz seinem ersten Programm entsprechend, neben der Unterhaltung und Nutzbarmachung des Buchgewerbemuseums besonders in der Pflege des buchgewerblichen Fortbildunzs- und Aus stellungswesens, wobei die technische und künstlerische Ent wicklung aller Zweige des Gewerbes in gleicher Weise gefördert wird, und zwar, wie besonders hervorgehoben sei, nicht etwa mit lokaler Beschränkung, sondern in anregender Wirksamkeit über ganz Deutschland. Auch der Wunsch nach einer besonderen buchgewerblichen Hochschule ist seit 1990 in Erfüllung gegangen, indem die Leipziger Kunstakademie in eine »Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe- umgewandelt wurde, die seitdem unter der Leitung von Professor Max Seliger eine sehr fruchtbare Tätigkeit in naher Fühlung mit dem Buch gewerbeverein entfaltet hat. Der Verein selbst wirkt be lehrend und erzieherisch auf die Fachkreise, innerhalb und außerhalb Leipzigs durch Vorträge, die meist durch Licht bilder erläutert werden, sowie durch eine vorbildliche Fach zeitschrift, das Archiv für Buchgewerbe, das jedem Mit glied kostenlos gegeben wird. Namentlich aber find es die wechselnden, größeren und kleineren Ausstellungen, die durch Darbietung mustergültiger Erzeugnisse oder ver gleichender Zusammenstellungen in hohem Maße anregend wirken, insbesondere auch durch erläuternde Führungen sich fruchtbringend gestalten und stets zahlreiche Besucher heranziehen. Wichtigere Ausstellungen werden häufig als Wanderausstellung durch eine große Zahl von deutschen Städten weitergeführt, um die Einrichtungen des Vereins nicht einseitig nur Leipzig zugute kommen zu lassen. Es sind zu gleichem Zwecke an allen buch gewerblich wichtigeren Orten Pfleger ernannt, die den Wünschen der verschiedenen Kreise Ausdruck zu geben ver mögen. In Berlin hat sich unter der Pflegschaft des Deutschen Buchgewerbevereins ein »Berliner Buchgewerbe- 1687