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Redaktioneller Teil. X: SS, 25. April 1918. Tenerungszuschläge. m. («gl. Rr. 88.) Berlin, den 4. April 1818. Geschäftszeichen: L 1 —1988. Betrifft: Preissteigerung von Büchern. An den Herrn Staatssekretär des Kricgsernährungsamts, Exzellenz, Berlin IV. Euer Exzellenz! Auf das gefl. Schreiben vom 28. März, in dem die Veröf fentlichung eines Artikels »Preissteigerung von Büchern« in den Mitteilungen für Preisprüfuugsstellen angekündigt wird, erlaubt sich der Unterzeichnete Vorstand als berufener Vertreter der Interessen des deutschen Sortimentsbuchhandels das Fol gende ergebenst zu erwidern: Der zitierte tz 2 der Bekanntmachung über die äußere Kenn zeichnung von Waren vom 26. Mai 1916 enthält Vorschriften über die Packung von Waren, kann also für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommen. Ebenso ist die S. 482 des Reichs gesetzblattes irrtümlich zitiert, da diese Seite einen Teil des Neichshaushalts-Etats behandelt, also ebenfalls nicht in Be tracht kommt. Gemeint ist wahrscheinlich tz 2 der Bekannt- machnng über die äußere Kennzeichnung von Waren vom 18. Mai 1816 (Reichsgesetzbl. S. 380-381). Sollte dies zutref fend sein, so erlauben wir uns folgende Ausführungen: Da das Schreiben Eurer Exzellenz vom 28. März nur auf die Bundesratsverordnung vom 18. Mai 1816 Bezug nimmt, die Teucrungszuschläge bei Büchern also nur im Hinblick aus die formelle Vorschrift des K 2 beanstandet, nehmen wir an, daß die Frage der »übermäßigen Preissteigerung« im Sinne der Wuchergesetzgebung ausscheiden soll, und werden deshalb auch unsererseits auf diese Frage hier nicht entgehen. Wir können uns der Ansicht nicht anschließen, daß Bücher in ihrer Mehrzahl als Gegenstände des täglichen Bedarfs im Sinne der Wuchergesetzgebung zu betrachten sind. Zur Um grenzung dieses Begriffes des täglichen Bedarfs hat das Gesetz einige Beispiele gegeben, wie Nahrungs- und Futtermittel, rohe Raturerzeugnisse, Heiz- und Leuchtstoffe, also Gegenstände, nach denen tatsächlich täglicher Bedarf in allerweitcsten Kreisen der Bevölkerung vorliegt. Wenn später der Begriff des täglichen Bedarfs auch eine Erweiterung erfahren hat, so ist das grund legende Kriterium der Gegenstände des täglichen Bedarfs doch immer die Unentbehrlichkeit, der notwendige Lebensbedarf geblieben. Hierfür spricht u. a. die Bun- desratsvcrordnung vom 25. September 1915 (Reichsgesetzbl. S. 607). Bücher sind nun u. E. nicht zum notwendigen Lebensbcdarf zu rechnen. Auch ein regelmäßig sich wiederholendes Bedürf nis zu ihrer Beschaffung, wie es das Gesetz voraussetzt, darf be stritten werden. Selbst das Gesangbuch, das Gebetbuch, die Bibel, die das Schreiben vom 28. März besonders aufführt, werden in der Regel nur ein- oder zweimal im Leben neu an- gcschafst, sind also hierin etwa mit den Möbeln zu vergleichen, die das Reichsgericht mit der gleichen Begründung, entgegen der Auffassung des Kriegsernährungsamtes, nicht zu den Gegen ständen des täglichen Bedarfs rechnet. Das Schulbuch, das wis senschaftliche Lehrbuch werden zwar häufiger gewechselt, aber doch keinesfalls in dem Matze, daß von täglichem Bedarf ge sprochen werden könnte. Schulbücher werden in der Regel jähr lich einmal neu angeschafft, die sozial schlechter gestellten Volks schichten kaufen gebrauchte Schulbücher, wozu reichlich Ge legenheit bei Tausenden von Antiquaren, neuerdings sogar durch Austauschstellen in den Schulen selbst, besteht, arme Schüler erhalten ihre Bücher kostenlos aus städtischen Mitteln oder Stiftungen. Annähernd dasselbe gilt von den Lehrbüchern, die der Berufsausbildung dienen. Die sogen, schöne Literatur ist von jeher, auch vom Buch händler selbst, als Luxuswarc angesehen worden. Es gibt Mil 218 lionen von Deutschen, die nie oder nur ausnahmsweise ein Buch dieser Art kaufen. Die Leihbibliotheken gestatten jedem, sein Bedürfnis nach Unterhaltnng für billigstes Geld zn befriedigen, ebenso dienen die zahlreichen Volksbibliotheken diesem Zwecke, Die Zeitungen und Zeitschriften bringen soviel der Unterhal tung und Belehrung, daß selbst geistig höher stehende Volkskreise das Bücherkaufcn meiden können und tatsächlich meiden, was niemand mehr als der Buchhändler von jeher, also schon vor dem Kriege, bedauert hat. Nach dem Ausgeführten sind wir der Ansicht, daß die Recht sprechung des Reichsgerichts sich der Anschauung des Kricgs ernährungsamts, Bücher seien ohne weiteres Gegenstände des täglichen Bedarfs, nicht anschließen wird. Aber selbst für den Fall, daß eine Anzahl von Büchern als Gegenstände des täglichen Bedarfs angesehen werden sollte, kann u. E. in der Erhebung eines Teuerungszuschlags von 10"/» seitens der Sortimentsbuchhändler eine Überschreitung der Buudesratsverordnung vom 18. Mai 1916 nicht erblickt werden. Zunächst dürften ohne weiteres alle Bücher ansscheiden, die der Verleger nach dem Eurer Exzellenz Wohl bekannten Beschlüsse des Ausschusses des Börscnvereins der Deutschen Buchhändler vom 5. September 1917 an das Sortiment geliefert hat. Bei diesen Lieferungen ist, teils durch öffentliche Erklärung der Verleger, teils stillschweigend, als Kleinverkaufspreis im Sinne der Verordnung der ehemalige Ladenpreis zuzüglich des Teuerungszuschlags als festgesetzt zu betrachten, nachdem die maßgebenden Standesvertretungen des deutschen Buchhandels durch Beschlüsse vom 5. September 1917, 7. Oktober 1917 und II. und 12. März 1918 die Erhebung eines Teuerungsznschlags als für das weitere Bestehen des Sortiments notwendig wie derholt erklärt haben. Es kommt hinzu, daß Z 2 der Buudesratsverordnung vom 18. Mai 1916, ohne ihm Zwang anzutun, Wohl nicht losgelöst von Z 1 der gleichen Verordnung betrachtet werden kann. K I bezeichnet aber in seiner Ausführungsbestimmung vom 26. Mar 1916 (Reichsgesetzbl. S. 422) ausdrücklich die Waren, die der Gesetzgeber im Auge gehabt hat. Es handelt sich da umNah - rungsmittel, die in Packungen und Behältnissen zu be stimmten, vom Fabrikanten festgesetzten Preisen neben anderen Waren zum Verkauf gelangen. Der Gesetzgeber hat sicher nicht einem ganzen Berufsstande, dem Buchhandel, dem einzigen, der ausschließlich mit solchen Markenartikeln handelt, die Möglichkeit nehmen wollen, entsprechend den stets wachsenden Geschäftsunkosten, den verschlechterten Einkaufsbedingungen und der immer teurer werdenden Lebenshaltung sich lebensfähig zu erhalten. Der Sortimentsbuchhandel mutz aber zugrunde gehen, wenn ihm nicht die Möglichkeit gelassen wird, wie jeder Kauf mann das im Rahmen des gesetzlich Zulässigen tun darf, einen Ausgleich zu schaffen. Dieser Ausgleich kann weder durch ent sprechende Umsatzsteigcrung erfolgen, die schon der immer fühl barer werdende Warenmangel verbietet, noch durch erhöhte Ra batte des Verlags, die dieser ablehnt, da er selbst notleidend wird; es müssen also Teuerungszuschläge, die vorübergehend ge dacht sind, erhoben werden. Bei den Zuschlägen des Verlegers wie des Sortimenters käme eine Anwendung des H 2 der Verordnung vom 18, Mar 1916 dann überhauvt nicht in Frage, wenn einfach die Laden preise erhöht würden, was nach Z 21 des Verlagsgesetzes dem Verleger unter Zustimmung des Verfassers gestattet ist. Diese Maßnahme soll aber gerade im Interesse des Publikums und der Wissenschaft vermieden werden, da die Teuerungszuschläge wieder verschwinden sollen, sobald man ihrer entraten kann, und da das für die Wissenschaft unentbehrliche Katalogmaterial vollständig entwertet werden würde, wenn man, besonders bet der wissenschaftlichen Literatur, nicht bewegliche Teuerungszu schläge bei kestehsnbleibendem Ladenpreis wählen, sondern die Ladenpreiie je nach der Marktlage und den Herstellungskosten fortgesetzt verändern würde. Es erübrigt sich für uns, die Notwendigkeit der Teuerungs zuschläge des Verlags näher zu begründen, da das der Deutsche Verlegerverein sicher tun wird; unsere Aufgabe ist es nur, auf die Zwangslage des deutschen Sortimentsbuchhandels