Volltext Seite (XML)
48, 27. Februar 1912. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 2555 Kampf an allen Ecken und Enden! Auch der Kampf gegen die Schundliteratur ist eine Sache, der der Buchhandel fortgesetzt seine volle Aufmerksamkeit widmen muß. Über die Nützlichkeit dieses Kampfes kann ja kaum ein Zweifel sein, aber es gilt für den Buchhandel auf der Hut zu sein, daß seine Interessen dabei gewahrt bleiben. Die hiesige Ausstellung gegen die Schundliteratur, die von der Deutschen Dichtergedächtnis-Stiftung in Hamburg ins Leben gerufen wurde, bot Anlaß zu allerlei Betrachtungen. Erfreulich ist zunächst, daß die Geschäftsstelle des Landesverbandes zur Bekämpfung der Schundliteratur in die Hände einer Buch handlung, der Firma Holland L Josenhans, gelegt ist. Den Preßberichten war zu entnehmen, daß folgende Vereine dem Landesverband durch Gewährung eines Jahresbeitrags sich angeschlossen haben: Deutsche Dichter-Gedächtnisstiftung, Ortsgruppe Stuttgart. Deutsche Dichter-Gedächtnisstiftung, Ortsgruppe Reutlingen. Deutsche Comeniusgesellschaft, Ortsgruppe Stuttgart. Dürer bund, Ortsgruppe Reutlingen. Württembergischer Goethebund, Stuttgart. Goethebund, Heilbronn. Jugendschriftenausschuß des Württ. Volksschullehrervereins, Stuttgart. Komitee zur Be kämpfung der Schundliteratur, Göppingen. Katholischer Ge sellenverein, Stuttgart. Landesverband für Jugendfürsorge. Literarischer Klub, Stuttgart. Stuttgarter Buchhändlerverein. Verein für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege. Verband Württ. Frauenvereine. Verein Württ. Kolportage- und Zeit schriftenhändler. Volksbildungsverein, Cannstatt. Württ. Journa listen-und Schriftstellerverein. Württ. Lehrerinnenverein. Württ. Volksschullehrerverein. Die Grundgedanken einer Arbeitsgemeinschaft württem bergischer Vereine und Körperschaften sind in den folgenden Sätzen niedergelegt, die den Teilnehmern an dem Eröffnungs akt am 28. Januar gedruckt eingehändigt wurden und die für den Buchhandel allgemeines Interesse bieten, weshalb es gerechtfertigt erscheint, den Raum des Börsenblatts für ihre Wiedergabe in Anspruch zu nehmen: 1. Der erste Landesausschuß beabsichtigt die Gründung von Ortsausschüssen in Städten und größeren Gemeinden. Diesen Ausschüssen könnten etwa angehörenr Vertreter des Gemeinderats, der Geistlichkeit, der verschiedenen Konfessionen, der Lehrerschaft höherer Schulen und Volksschulen, städtischer und staatlicher Beamten, der Buchhändler und Buchbinder, der Arzte, der Frauenvereine, der Volksbibliothek und der Abstinenz vereine. Außerdem sollten besonders auch Vertreter des Hand werks, der Arbeiterschaft und des Bauernstandes herangezogen werden, damit die Arbeiten aus dem Volke selbst herauswachsen und den Bedürfnissen des Volks entsprechen. Da, wo von den uns angeschlossenen Vereinen schon Ortsgruppen bestehen, werden diese gebeten, die Vertretung unserer Sache zu über nehmen und sich, wenn nötig und möglich, entsprechend zu er weitern. die das auch können, was andere machen. Inzwischen wird der gesamte Buchhandel beim Publikum durch derartige Ratensckleuderer, die nur den eigenen Scheinerfolg im Auge haben, mißkreditiert. Der Unterzeichnete Verein sieht in der von anderer Seite angeregten Erweiterung der Verkaufsordnung kein ungefähr liches und radikales Heilmittel gegen solche Auswüchse, weil damit gleichzeitig den zahlreichen Feinden des soliden Reise- und Versandbuchhandels eine Waffe in die Hand gegeben wird, deren Wirkung auch nicht den Verlegern verborgen bleiben würde. Wir können daher bei dem löbl. Deutschen Verlegerverein auf Verständnis und Sympathie rechnen, wenn wir uns selbst zu helfen suchen in der Weise, daß wir alle jene Verlags werke von unserem Vertriebe ausschließen, die in irgend einer Form öffentlich zu unverhältnismäßig niedrigen Teilzahlungen angeboten werden. Wir hoffen auf eine tatkräftige Unterstützung seitens der Herren Verleger durch Verweigerung von Krediten. Red. 2. Der Landesverband fördert und vermittelt durch all gemeine Vorträge, durch Zeitungsartikel, Flugblätter u. a. die Kenntnis von guten, billigen Volksschriften, und warnt vor schlechter Literatur. Bei der Auswahl des Lesestoffs wird es zweckmäßig sein, zu dem Geschmack unverbildeter Volksgenossen herabzusteigen und besonders die Bedürfnisse der ländlichen Be völkerung zu berücksichtigen. Am besten wird dies geschehen, wenn eine gute, echte Heimatliteratur empfohlen wird, wie sie gerade in Württemberg glücklicherweise vorhanden ist. Die in letzter Zeit in dankenswerter Weise von verschiedenen Verlegern dargebotenen guten, billigen Volksschriften werden von dem Landesverband verbreitet. Hierzu sollen, soweit möglich, Aus stellungen auch in kleineren Orten veranstaltet werden. 3. Die Hauptaufgabe des Verbands wird es sein, gute Literatur unter das Volk zu bringen und dem llberhandnehmen der Schundliteratur eine Massenverbreitung guter Literatur gegenüberzustellen. Dabei sollen in erster Linie diejenigen Geschäfte, welche schon bisher Bücher verkauft haben, als Bundesgenossen gewonnen werden, also Buchhändler, Kolporteure, die Inhaber von Buchbinder- und Schreib- materialien-Läden. Wenn solche Geschäfte nicht vorhanden sind, wird der Bezirksausschuß die Gründung einer Niederlage guter Schriften und Bilder in Erwägung ziehen. Falls sich in einem Dorf kein Ladeninhaber finden sollte, der der guten Sache dienen will, so wären private Niederlagen bei einem menschenfreundlichen Bürger, bei Pfarrer oder Lehrer, anzu regen. Als gute Veranlassung zur Bücherverbreitung haben sich Jahrmärkte, Kinderfeste und Vereinsfestlichkeiten bewährt. Es wird auch eine Aufgabe des Landesverbands sein, einen Weg zu suchen, auf dem die Kolportage-Buchhändler ein wirk sames Glied in der Kette der Abwehr der Schundliteratur werden können. 4 Die Arbeit des Landesverbands wird nur dann eine er folgreiche sein, wenn sie eine Bildungs- und Erziehungsaufgabe zu erfüllen strebt. Auf dem Gebiet der Jugendbildung soll der Landesverband die Gründung von Schülerbibliotheken fördern und veranlassen, zur Gewinnung von Mitteln für dieselben be hilflich sein, bzw. dafür sorgen, daß die vorhandenen, vielfach zersplittert angewandten Mittel eine zweckmäßige Verwendung finden. Als hervorragendes literarisches Bildungsmittel für Jugend und Volk hat sich das Vorlesen guter Erzählungen, Märchen, Gedichte usw. erwiesen. 6. Dem geschäftsführenden Ausschuß des Landesverbands ist von der gründenden Versammlung des Verbands der Auftrag erteilt worden, Listen empfehlenswerter Bücher für verschiedene Volkskreise und Lebensalter aufzustellen, z. B. Bücher für vor wiegend ländliche Leser, für städtische Leser, für Fortbildungs schüler, für die Jugend, für Soldaten usw. Bei dieser Arbeit soll sich der geschäftsführende Ausschuß durch anerkannte Literaturkenner, durch erfahrene Bibliothekare und Buch händler, soweit möglich, beraten lassen. Die Einheitlich keit der Arbeit des Landesverbands soll es ermöglichen, daß die Erfahrungen einzelner über den Geschmack des Publikums, wie er sich bei der Entleihung der Bücher aus Volks- und Ortsbibliotheken geltend macht, gesammelt und der Gesamtheit nutzbar gemacht werden können. Verlangt wurde noch von beteiligter Seite die Aufstellung einer Liste guter Kolportageschriften. 6. Ausdrücklich abgelehnt wurde die Ausübung irgendeiner Zensur oder gar die Anrufung der Polizei, um eine solche durch zuführen. Dem Landesverband liegen auch Zwangsmaßregeln, wie z. B. der Boykott von Geschäften fern, da es den Behörden überlassen werden muß, inwieweit sie zu diesem scharfen Mittel greifen wollen. Ebenso ist der Landesverband der Überzeugung, daß etwaige behördliche und gesetzgeberische Maßnahmen Sache der Regierungen und politischen Parteien sind und daß der Verband gerade darin seine Stärke haben soll, daß er durch Schärfung des Berantwortlichkeitsgefühls bei allen Beteiligten, durch sachliche Arbeit und allgemeine Bildungsbestrebungen, durch Anregung und Aufmunterung, überhaupt durch den Idealismus seiner Bestrebungen seine Ziele zu erreichen sucht. Auf einer der Tafeln waren Prospekte verschiedener Ver lagsfirmen, mit dem Stempel der Geschäftsstelle versehen, 333*