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2566 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 48, 27. Februar 1912. ausgelegt, auch das Werbeblatt der Deutschen Dichier- gedächtnis-Stiftung nebst deren eigenen Verlagswerken war vertreten. Die Schundliteratur prangte in Gestalt der grell bunten Umschläge von Nick Carter-Heften und Kolportage romanen des bekannten Kalibers an den Wänden. Wer im übrigen die verdienstvolle und umfangreiche Tätigkeit des Stuttgarter Buchhandels auf dem Gebiete der Jugend-, Volks- und Kolportageliteratur kennt, der mußte sich sagen, daß die Ausstellung von diesem großen Zweig des Buch handels nur ein ganz unzulängliches Bild bot; freilich hätte für eine größere Ausstellung der vorhandene Raum nicht genügt. Wenn in dem Arbeitsplan gesagt ist, daß von der Forderung einer Zensur abgesehen wird, so darf man dem wohl entgegenhalten, daß in den Prüfungsausschüssen der Lehrer tatsächlich schon eine Zensurbehörde besteht, die sich den Verlagsbuchhandel, begünstigt durch die große Kon kurrenz auf diesem Gebiete, tributpflichtig zu machen sucht. Der reguläre Buchhandel, Verlag wie Sortiment, hat mit der Schundliteratur denn doch nichts zu tun. Gegen die vielen billigen Sammlungen erheben auch die Schriftsteller ihre Stimme. So sagt die bekannte Autorin Eva Gräfin von Baudisstn in einem Artikel der -Allgemeinen Buch händlerzeitung»: »Wenn ich Verleger wäre, würde ich Mittel und Wege suchen und hoffentlich auch finden, die Heraus gabe billiger Sammlungen zu beschränken, da beim Er scheinen von Originalarbeiten in billigen Sammlungen weder Verleger noch Autor die dem Werte der Arbeit entsprechenden Verdienste haben können». Das Eindringen in fremde Verlagsrechts wird neuerdings mehr und mehr Mode. Während früher zweite oder dritte Abdrucksrechte guter Belletristik nur an Zeitungen und Zeitschriften vergeben zu werden pflegten, suchen heute Verleger, Schriftsteller und Bücher fabrizierende Vereinigungen unter dem Motto der Volksfürsorge immer mehr auch Abdrucksrechte anderer Verleger für neue Bücher gratis oder um sehr billiges Geld zu erlangen. Auf diese Weise schwillt die Bllcheiflut noch weiter an, und die Ori ginalverleger sind in ihren Interessen geschädigt, da sich die unternehmenden Herren selbstverständlich das Beste heraus suchen. Von anderen Ausstellungen seien noch nachträglich die Goya-Ausstellung, die das Königliche Kupferstichkabinett im Juli bis Dezember v. I. veranstaltete, und die Cissarz-Aus- stellung erwähnt, die im Dezember eine große Anzahl Be sucher im Landesgewerbemuseum zusammenführte. Der Name Cissarz hat im Buchhandel einen guten Klang: er wird immer genannt werden müssen, wenn von neuer Buch kunst die Rede ist, der er als einer der ersten deutschen Künstler die Bahn brechen half. Professor C:ssarz, 1873 in Danzig geboren, besuchte die Dresdner Akademie, war 1903 —1906 Mitglied der Darmstädter KUnstlerkolonie und wurde 1909 durch den Verein württernbergischer Kunst freunde nach Stuttgart berufen, wo er zugleich von der württembergischen Regierung einen Lehrauftrag an den Lehr- und Versuchswerkstätten erhielt. Die Ausstellung füllte den ganzen großen Raum der König Karls-Halle und gab ein überraschendes Bild .von der, wie die Frankfurter Zeitung sagte, verblüffenden Vielseitigkeit des fleißigen Künstlers, der Maler, Graphiker und Kunstgewerbler in einer Person ist. Cissarz ist ein Eigener, kein bloßer Nach ahmer alter Formen, der sich in seinen Arbeiten edler Maß haltung befleißigt und von den Übertreibungen so manches neuzeitlichen Künstlers sich fernhält. Ihm ist keine Arbeit zu gering, um ihr nicht liebevolle Sorgfalt zuzuwenden. Neben den kleineren Akzidenzen: Vereins- und Geschästskarten, Briefköpfen, Losen, Programmen, Signeten, Bücherzeichen, Titeln für Spiele, Reklametiteln, Kalendern, Theaterzetteln, die durch die Hand des Künstlers aus dem Rahmen der Alltäglichkeit auf eine höhere Stufe gehoben wurden, Pla katen, prächtigen Diplomen und Adressen, war die Buch kunst in würdiger Weise vertreten. Aus dem Stuttgarter Verlage seien erwähnt: Werke aus dem Verlage von Bonz L Co., der I. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (deren von Cissarz geschaffenen Homer-Einband die Frankfurter Zeitung als »wunderovll, rühmte), Felix Krais, der Union Deutschen Verlagsgesellschaft, der Deutschen Verlags-Anstalt, W. Spe- mann, dem Verlag für Volkskunst in Cannstatt. Als ein besonderer Vorzug der Cissarzschen Buchkunst sei noch hervor gehoben, daß sie auch aus die Schaufensterwirkung der Ein bände insofern Rücksicht nimmt, als deren Schrift klar, deut lich und groß genug ist, um aus einiger Entfernung gelesen werden zu können. Einige monumentale Ganzlederbände und Decken für Adressen müßten farbig reproduziert werden können, um in ihrer ganzen Schönheit zu wirken. Die Schriftgießerei Ludwig L Mayer hatte Proben der neuen von Cissarz geschaffenen Antiqua ausgestellt. Auf die kunst gewerblichen Arbeiten des Künstlers in Holz, Metall und Textilstoffen kann hier nicht näher eingegangen werden. Vom Stuttgarter Buchhandlungs-Gehilfen-Verein, dessen literaturfreundlichem Vorstande das hiesige Publikum schon manchen literarischen Genuß verdankt, sei zum Schluß noch berichtet, daß er am 31. Januar einen gutbesuchten Vor tragsabend veranstaltete, für den Hermann Bahr gewonnen war. Bahr sprach in außerordentlich fesselnder Weise in freiem Vortrage über die letzten dreißig Jahre deutscher Literatur und las eine humoristische Novelle »Die schöne Frau» vor. Nesenbächler. Englisch - indische Verlagstätigkeit. Trotz der Verschlechterung des Verhältnisses, das zwi schen den englischen Herrschern Indiens und den ein geborenen Beherrschten im letzten Jahrzehnt unverkennbar eingetreten ist, hat doch die englische Literatur Indiens, ganz besonders die Zeitungs- und Zeitschriftenliteratur, in dieser Zeit eine sehr erhebliche Zunahme erfahren. Hunderttausende indischer Eingeborener sprechen, Millionen indischer Schul kinder lernen heute mehr oder minder vollkommen die englische Sprache, und so ist es nur natürlich, daß auch der Umfang von Büchern und Zeitschriften in englischer Sprache, die von indi schen Pressen hergestellt werden, schon heute sehr erhebliche Zahlen aufweist und von Jahr zu Jahr in weiterer Zunahme begriffen ist. Gegenwärtig, so führte Nihal Singh unlängst in der New Dorker »RveninA Ro8t« aus, gibt es schon keine einiger maßen bedeutende Stadt auf der ganzen Halbinsel, in der nicht eine englische Zeitung wenn nicht täglich, so doch wöchentlich oder halbmonatlich erschiene. Diese Zeitungen werden aus schließlich von Eingeborenen gesetzt und gedruckt. Die Haupt städte besitzen alle englische Tageszeitungen, die größten, wie Kalkutta, Bombay, Madras, Allahabad und Lahore, mehrere, die alle von den Eingeborenen hergestellt und gelesen werden. In diesen Städten werden auch mehrere Zeitungen hergestellt, die ausschließlich für Engländer und die »Eurasier« genannte Mischlingsbevölkerung bestimmt sind; aber auch diese Blätter werden nur von Eingeborenen hergestellt. In Kalkutta, Bom bay, Madras und Allahabad erscheinen ferner eine ganze An zahl englischer Monatsschriften, die in jeder Hinsicht den ent sprechenden europäischen Zeitschriften gleichwertig und mit zwei Ausnahmen nicht mit Bilderschmuck versehen sind. Die eine von diesen letzgenannten, die »Blockern Review«, erscheint mit Farbendrucken, die den besten Leistungen dieser Art in amerika nischen Zeitschriften kaum nachstehen. Genaue Angaben über die Zahl der gegenwärtig in Indien vorhandenen englischen Zeitungen und Zeitschriften sind nicht erhältlich. Die Gesamtzahl aller während des Jahres 1905—06 in Hindustan gedruckten Blätter betrug indessen 747. während sie noch im vorhergegangenen Jahr nur 674 betragen hatte. In dem gleichen Zeitabschnitt wurden nach der indischen Post- Statistik 44 045 666 einzelne Stücke an periodischer Literatur