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12592 «Srlenblatt f. d. Lychu. vuchhanvet. Mchtamllich« Teil. ^ 243, 17. Oktober 1912. Beharrend: 1740 1770 1800 Klastische Philologie 2,45 °/. 3,06 "/, 3,04 °/> Außerklass. Philologie 0,662 „ 1,40 1,09 „ Philosophie 5,83 „ 2,97 „ 3,66 „ Geschichte, Geographie 11,38 „ 9,615 „ 10,59 „ Popul. per. Schriften 0,27 „ 3,59 „ 2,567 „ Aus rückläufiger Bahn: 1740 1770 1800 Theologie 38,54 "/, 24,47 °/, 13,55 °/, Jurisprudenz 12,85 „ 5,33 „ 5,02 „ Allgem. Gelehrsamkeit 5,298 „ 4,46 „ 1,44 „ Im Vordringen begriffen: 1740 1770 1800 Schöne Künste n. Miss. 5,83 °/, 16,43 "/, 21,45 °/, Pop.-mor.-phil. Schrift 3,31 „ 3,41 „ 3,97 „ Erziehung u. Unterr. 0,535 „ 1,75 „ 4,09 „ Prakt. Hausbücher 0,93 „ 1,40 „ 2,06 „ Staatswistenschafte» 1,34 „ 2,80 „ 3,62 „ Mathem. Naturwist. 3,31 „ 6,206 „ 7,12 „ Medizin 6,62 „ 7,95 „ 8,135 „ Landwirtsch. - Gewerbe 1,06 „ 5,24 „ 8,06 „ Zeit getreten, ein freieres seelisches Bewußtsein, bas sich unab hängig, selbständig den Fragen der Zeit gegenüberstellt: dies zeigt sich auch in der starken satirischen Neigung der Zeit, wenn sie auch noch beim Negativen stehen bleibt, noch nicht zum Positiven vorge drungen ist. Mit dem Moment der Differenzierung aber finden wir das der Intensivierung, der Vertiefung in Einzelausgaben. Der Gesamtcharakter dieser Veränderungen — es sind hier natürlich immer nur einzelne Beispiele aus dem reichen Material angeführt worden — spiegelt sich auch in den Wandlungen der Titel: 1740 noch barock-schwülstige Formen, halblateinisch, 1770 sind sie nur noch in der Erbauungsliteratur zu finden, 1800 treten an ihre Stelle einfache kurze, die Hauptsache ergreifende Titel. Mit dieser ganzen Bewegung auf das Praktische, Allgemein-Menschliche geht zusammen die mehr und mehr erstarkende Verdeutschung des Büchermarktes, das notwendige Korrelat der allgemeinen Verbreiterung des Publi kums. Das mag am besten eine Tabelle mit den Verhältniszahlen erweisen, die den lateinischen Anteil, immer auf die betreffende Gruppe bezogen, angeben: Also die Theologie, der 1740 noch über ein Drittel des gesam ten Büchermarktes zugehörte, ferner die rein fachgelehrten und all gemeinen buchgelehrten Interessen, wie die der Jurisprudenz und der allgemeinen Gelehrsamkeit, 1740 zusammen mehr als 58°/, der Gesamtproduktion, sind 1770 auf 44°/,, 1800 auf 20°/, zurückgegau- gen. Dagegen sind die schönen Künste und Wissenschaften, die allge mein bildenden Interessen und die Realien immer mehr in den Vordergrund gerückt, von 22,9°/, 1740 auf 81°/, 1800 der Gesamt produktion angewachsen. Da haben wir zugleich die Verschiebung des Publikums, das am Büchermarkt interessiert war. Der Büchermarkt von 1740 ist noch fast ganz für ein gelehrtes Publikum bestimmt und in den theolo gischen Geist gebunden. Für das Lesebedürfnis der weiteren, ge bildeten, aber nicht fachgelehrt interessierten Kreise diente in der Hauptsache die theologische Erbauungs- und Predigtliteratur, die 1740 allein 19,08°/, der Gesamtproduktion betrug, während die schö nen Künste und Wissenschaften nur 5,83°/, beanspruchten. Die weitere Entwicklung aber zeigt die Befreiung auch der po pulären Literatur von der Herrschaft des theologischen Geistes: 1740 1770 1800 Erziehuugs- und Uuter- richtsintercssen 1,595°/, 2,71 °/, 5,80 °/> Prakt. nützliche Gebiete 1,99 „ 6,64 „ 11,12 „ Literatur f. Erbauung, allgem. Bildung und Unterhaltung 28,49 „ 34,27 „ 33,787,, Was in der letzten Rubrik die Predigt- und Erbauungsliteratur, die von 19,08°/, auf 5,83°/, zurückgeht, eingebüßt hat, haben speziell die Romane gewonnen, die von 2,65°/, auf 11,68°/, anwachsen. Interessant ist, den Charakter einzelner Büchergruppen zu untersuchen. 1740 treffen wir noch in der Theologie starre Bindung an bas Engdogmatische: dasselbe enge Bewußtsein in der Gelehr samkeit, die in blinder Sammelwut nach dem Wahllos-Zufälligen greift, am Äußerlich-Merkwürdigen haften bleibt; es ist die Zeit der abenteuerlichen, merkwürdigen »Leben und Begebenheiten«, in den Romanen der »Marquis und Marquisinnen«, der Lords und Lady als Helden. 1770 schon macht sich in den gelehrten Werken eine starke Betonung des Zusammenhangs, des inneren geschichtlichen Werdens bemerkbar. In der Theologie tritt der Streit um das Einzeldogma zurück hinter einer starken Pflege der Gesamtdarstellungen, der Kirchengeschichte und 1800 der Geschichte des Dogmas selbst: in der Geschichte treten an Stelle der »Chroniken« zusammenfassende Dar stellungen der Weltgeschichte und der einzelnen völkischen Geschichte; die populär moralischen Schriften befreien sich von ihrem engeren moralischen Standpunkt und schwingen sich zu allgemein-menschlichen Betrachtungen auf. Im Roman tritt — auch im Titel das Re präsentative zurück vor dem Bürgerlich-Familiären. Gegenüber der früheren starren Schulgelehrsamkeit dominiert in der Erzie- hungs- und Unterrichtsliteratur die Rücksicht auf das Praktische, auf das gegenwärtige Leben. An Stelle des früher wahllos gesam melten, polyhistorischen gelehrten Stoffes findet sich 1800 ein für die praktischen Bedürfnisse der Gegenwart eingerichtetes Konversa tionslexikon. An Stelle der 1740 noch vorherrschenden seelischen Gebundenheit, eines engen Bewußtseins ist die stärkere Differenzierung der neuen 1740 1770 1800 In der Gesamtproduktion 27,68 "/. 14,25 "/, 3,97 °/° Außerklass. Philologie 80,00 „ 37,5 „ 3,57 „ Naturwissenschaften 66,67 „ 30,44 „ 16,28 „ Philosophie i. e. S. 62,96 „ 26,92 „ 7,69 „ Jurisprudenz 59,79 „ 40,98 „ 6,2 „ Klassische Philologie 55,55 „ 51,43 „ 41,03 „ Philosophie i. w. S. 45,45 „ 20,59 „ 7,45 „ Allgem. Gelehrsamkeit 42,5 „ 25,00 „ 15,625,. Medizin 38,00 „ 25,27 „ 4,306,. Fachmännisch-gelehrte theol. Literatur 31,65 „ 24,14 „ 5,16 „ Geschichte Geographie 23,53 „ 8,18 „ 1,84 „ Mathematik 23,08 „ 11,54 „ 1,88 ,. Popul.-moral. Schriften 8 — — Gesamte Theologie 15,46 ., 12,86 „ 2,59 ,. Schöne Künste u. Wissensch. 6,82 „ 3,72 „ 0,54 „ Wenn also auch schon 1740 in der Gesamtproduktion das Deutsche bedeutend überwog, so gab cs doch im einzelnen fünf grö ßere Literaturgebiete, in denen das Latein die Vorherrschaft hatte: außerklassische Philologie, Naturwissenschaften, Philosophie im enge ren Sinne, Jurisprudenz und klassische Philologie. Ganz frei von Latein standen fünf Gebiete da. Von 1740—1800 sank der lateinische Anteil an der Gesamtproduktion um 23,71°/., iu der außerklassischen Philologie um 76,43°/,. Dieser zunehmenden Verdeutschung des Büchermarktes, der Vor bedingung und Begleiterscheinung der Verbreiterung des Publi kums, geht parallel ein Anwachsen der Übersetzungen aus fremden Sprachen. 1740 waren es nur 57, etwa 10,48°/, der ohne hin schon wenigen deutschen Bücher, darunter 32 aus dem Fran zösischen, 15 aus dem Englischen, 5 aus dem Lateinischen, 2 aus dem Holländischen usw.; für die Nomanliteratur bedeutet diese Zahl 50°/, Übersetzungen, für die moralischen Schriften 12,5°/,, für die geschichtlich-geographische Literatur 5,88°/,; bei den übrigen Gebieten fällt der Ubersetzungsanteil nicht ins Gewicht. Das gesteigerte Lesebedürfnis fordert Nahrung. 1770 finden wir schon 144 Übersetzungen — 14,68"/» der gesamten deutschen Schriften, und zwar für die einzelnen Gruppen: Dramatische Poesie 45,24°/,, moralische Schriften 36,89"/,, Nomanliteratur 38,17°/,, Geschichte im engeren Sinne 28,95°/,, Philosophie 26,31°/,, Naturwissenschaften 25,81°/,, Medizin 22,06°/., Erziehung und Unterricht 10,00°/,, Theo logie 5,74°/,, Landwirtschaft 5,08"/, u. s. f. Hier steht wieder das Französische mit 64 Übersetzungen an erster Stelle, dann folgen das Englische mit 40, das Lateinische mit 12, das Italienische mit 10, das Dänische und Schwedische mit je 2, das Russische mit 1. 1800 endlich ist die deutsche Produktion selbständiger geworden, als sie es in dem literarischen Heißhunger von 1770 war: es lassen sich 232 Übersetzungen, d. h. nur 9,48"/, der deutschen Schriften Nach weisen, darunter französische Werke 102, englische 79, niederländische 13 u. s. f. Fast ganz frei von Übersetzungen hat sich in allen 3 Jah ren die juristische Literatur gehalten. Als stärker mit Über setzungen gespeist, meist wieder vorwiegend mit französischen, ergeben sich ähnliche Gebiete wie 1770; doch erweisen sich die Verhältnis zahlen viel niedriger als 1770. Die Grundrichtlinien in der Entwicklung des Büchermarktes von 1740 über 1770 bis 1800 weisen durch alle drei ans der Ent-