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Redaktioneller Teil. X- 28, 4. Februar 1919. bombastisch ausgedrückt, wie man es bei Franzosen gewöhnt ist, aber es ist schließlich nicht falsch. Ein anderer Redner, ein amerikanischer Architekt, hat folgendes gesagt, und das trifft gerade auf das zu, was wir heute besprechen: »Welch besseres Förderungsmittel unseres Einflusses kann es geben als das Buch! Wenn wir dieses Propagandamittel von wunderbarer Werbekraft und Ausbreitungsmöglichkeit richtig zu benutzen wüßten, so könnten wir die Welt beherrschen. Nichts weiter würde dazu nötig sein, als eine gesunde Bücherpolitik. Der Staat müßte den guten, ernsthaften Verlegern zu Hilfe kom men. Diese hätten nur die einleitenden ersten Schritte zu tun. Nationale billige Ausgaben unserer besten Schriftsteller sollten dann in der ganzen Welt verbreitet werden können; be sondere Ausgaben für die Auslandschulen und -Hochschulen sollten von uns selbst gemacht werden; denn die Schuljahre seien es, in denen französisches Gepräge am eindringlichsten hafte«. Wie nun dieses weitere Vorgehen sich gestalten kann, dar über hoffen wir von den heutigen Berichterstattern, die wir dar um ersucht haben, etwas zu erfahren. Ich begrüße diese Be richterstatter. Zunächst Herrn Sperling, der sich freundlichst be- reiterklärt hat, uns über die romanischen Länder etwas zu erzählen. Dann Herrn Löwe aus London, der uns das gleiche für England und Amerika versprochen hat. Als dritter Redner war, wie Sie aus der Einladung ersehen haben, ein Rigaer Buchhändler gedacht. Leider hat sich keiner bereitgefunden, auch wäre es bei der Kürze der Zeit wahrscheinlich nicht möglich ge wesen, daß ihm die Erlaubnis, hierherzukommen, erteilt worden wäre, und so müssen wir aus den Rigaer Buchhändler verzichten. Dagegen hat Herr Mayer aus Jerusalem sich freundlichst be- reiterklärt, uns etwas über den Orient zu erzählen. Ich be grüße diese drei Herren und schlage Ihnen vor, daß wir uns jetzt von den Herren die Vorträge erstatten lassen. Es würde sich, nachdem die Herren gesprochen haben, Wohl eine Aus sprache in größerem Kreise ermöglichen lassen, und wenn sich jeder in seinen Ausführungen möglichst kurz faßt, so können wir in nicht zu später Abendstunde hoffentlich mit einem guten Er gebnis unsere Versammlung schließen. Ich bitte nun Herrn Sperling, freundlichst das Wort zu nehmen. Der deutsche Anslandbuchhandel nach dem Krieg in Italien und Frankreich. Meine Herren! Gern habe ich mich bereiterklärt, der Aufforderung unseres Vorstandes nachzukommen, mich hier über den deutschen Aus landbuchhandel nach dem Krieg, insbesondere aber über seine Aussichten und Aufgaben in Italien und Frankreich auszulassen. Als Mitinhaber der Firma Sperling L Kupfer in Mailand, die seit der im Mai 1915 notwendig gewordenen Flucht in Lugano ihre Arbeit fortsetzt, war es selbstverständ lich, daß uns, meinen Teilhaber und mich, dieses Thema fort gesetzt beschäftigte. Erst vor wenigen Tagen bin ich wieder von einem Aufenthalt aus Lugano zurückgekehrt, wo ich mich natür lich eingehend auch über diese Frage mit meinem Teilhaber be sprach, zugleich aber auch mit verschiedenen dort lebenden Grotz- kaufleuten, ehemaligen Mitgliedern der Mailänder deutschen Kolonie, um deren Ansichten über die Zukunft des deutschen Handels in Italien im allgemeinen kennen zu lernen. Eine klare Antwort konnten wir uns alle freilich nicht geben, und so ist das auch mir Ihnen gegenüber nicht möglich. Sie werden diese aber jetzt auch gar nicht erwartet haben, jetzt, da alles noch gärt, kocht und brodelt, und auf Kriegs- oder Friedens prophezeiungen irgendwelcher Art mich einzulassen, werde ich mich hüten. Bestimmte Meinungen und Ansichten können doch auch unbedingt erst dann entstehen, wenn endlich der Frieden gekommen sein wird. Haben wir aber diesen, dann muß auch sogleich der neue Krieg beginnen, der mit den geistigen Waffen, in dem es vor allem heißen wird »Der deutsche Kaufmann«, oder für uns »Der deutsche Buchhändler an die Front!« Selbstver ständlich, daß wir es uns soweit als möglich schon jetzt über legen, w i e wir diesen Krieg dann zu führen haben werden, und vier Punkte kommen hierbei Wohl vor allem in Betracht: 1. über welche Truppen und Führer verfügen wir? 2. welche Waffen sollen wir benützen? 3. welche Wege müssen wir beschreiten und welche ver meiden? 4. welche Erfolge stehen uns Wohl in Aussicht? Wenn ich diese Fragen behandle, kann es freilich nicht aus- bleiben, daß ich nicht bloß von unserer zukünftigen Arbeit und unseren Aussichten in den romanischen Ländern sprechen, sondern auch allgemeine Bemerkungen einflechten und Punkte berühren werde, die vielleicht auch nachher Herr Löwe behan deln wird, der über die Zukunft des deutschen Buchhandels in England und Amerika sprechen will. Zuvor aber müssen wir uns Wohl die Frage vorlegen, die für uns jedenfalls die wichtigste ist: Wie wird der Aus gang des Krieges sein? Daß Deutschland mit seinen Verbündeten Sieger in dem schweren Ringen bleiben wird, ist für uns alle heute Wohl sicherer als je. Wichtig ist dann aber auch, wie sich alsdann die uns jetzt feindlichen Länder zu uns stellen, welcher Art die Handelsverträge zwischen uns und ihnen sein werden. Man hat schon in Frankreich, und zwar bald nach Ausbruch des Krieges einen Ersatz für die Tauch- nitz-Edition ins Leben gerufen, und in Mailand war es die Firma Treves, die dasselbe für Italien tat, man hat in Italien schon einen Ersatz für die Teubnerschen Ausgaben der griechischen und römischen Schulklassiker auf den Markt gebracht (Paravia), man wußte sich auch ohne die weitverbreiteten neu sprachlichen Unterrichtswerke der Firma Julius Gross in Heidelberg zu behelfen, und man fand, daß man auch ohne den deutschen Baedeker oder dessen französische Ausgabe reisen kann. Und wie es ohne diese, so ging es während der Kriegs jahre auch ohne die Tausende anderer deutscher Verlagswerke, die wir früher in Frankreich und Italien einführten. Man hat, wie Sie alle wissen, sowohl in Frankreich wie in Italien dem deutschen Buch und dem deutschen Buchhändler den Krieg auch über die Kriegsdauer hinaus erklärt, und man wird nach geschlossenem Frieden sicherlich in beiden Ländern in weiten Kreisen noch lange darnach trachten, unsere Ware vom Markte auszuschließen. Das wollen wir nicht unterschätzen! Aber auch nicht allzusehr fürchten! Ach, auch vor dem Krieg hat man uns Deutsche in den romanischen Ländern nur in sehr kleinen Kreisen geliebt, in weitern schon hat man uns geschätzt, in noch größeren beneidet, kaum aber, in Italien wenigstens, gehaßt. Dieser blinde Hatz wurde erst aufgepeitscht und ge schürt namentlich durch eine vielfach erkaufte Presse. Aber auch dieser Haß wird sich, meine ich, gewiß legen, und allmählich wird die Überzeugung namentlich in Italien durchdringen, daT die Beschäftigung mit deutscher Sprache, deutscher Literatur und deutscher Wissenschaft Vorteile bringt, genau so Vor teile wie der Kauf der deutschen Jndustrieerzeugnisse jeder Art, wenn diese besser und schöner und womöglich auch billiger sind, als die des eigenen Landes oder anderer Länder. Die Haupt sache wird bleiben, wie ich schon erwähnte, welcher Art unsere Ware, das deutsche Buch, ist. Mehr noch als vor dem Krieg wird deshalb die Losung lauten müssen, in friedlichem Wett bewerb mit dem Ausland noch Schöneres, noch Besse res, noch Preiswerteres zu schassen, als es den übri gen Völkern möglich ist, ungefähr also so Wetter zu arbeiten wie es von unserer Seite und der deutschen Industrie überhaupt schon vor dem Krieg geschah, d. h. auf der ganzen Linie die Tüchtigem zu sein. Das wird indessen nicht genügen! Wir haben es in den vier Jahren schon erfahren, daß es im Kriege nicht bloß auf die besseren Kanonen und die größere Menge Geld ankommt, sondern mindestens in demselben Maße auf die Eigenschaften des Heeres, auf die der Mannschaften und der Führer. Nun bin ich auch da der Zuversicht, daß wir nach dem Krieg in bezug auf Fleiß und Tüchtigkeit den Wettbewerb mit den andern Na tionen mit Aussicht auf Erfolg werden wieder aufnehmen kön nen. Sehr wesentlich wird es aber darauf ankommen, ob wie auch die Truppen in der nötigen Anzahl besitzen werden, die nötige Anzahl Soldaten. Ein glattes Ja auf diese Frage erlaube ich mir insbesondere für Italien, aber auch für andere Länder nicht auszusprechen, wenigstens für die erste Zeit nicht.