Volltext Seite (XML)
92. 9. Mai 1919. Redaktioneller Teil. festen Zusammenschlusses von Jnlcrcsscntcngrnppen und wün schen ihm eine erfolgreiche Tätigkeit. Mit der Rückkehr unserer Truppen und ihrer plötzlichen Ent lassung wurde das deutsche Wirtschaftsleben vor schier un lösbare schwere Aufgaben gestellt. Millionen arbeitsuchender kräftiger Männer sollten plötzlich in Betriebe eingestellt werden, die bei dem gleichzeitig einsetzenden vollkommenen Mangel an neuen Hecresaufirögen mit seiner Rückwirkung auf alle anderen Betriebe gar nicht in der Lage waren, sie beschäftigen zu können. Es erfolgten Maßnahmen, wie Verkürzung der Arbeitszeiten usw.. aber diese trugen nur dazu bei. daß nun sehr hohe Lohn- Mchrfordernngen seitens der Arbeiter erhoben wurden, die trotz verkürzter Arbeitszeit nicht nur dasselbe verdienen wollten wie früher, sondern entsprechend der cingetreicncn gewaltigen Knapp heit und damit Preissteigerung der Lebensmittel sogar noch wesentlich mehr. Es kam zu geradezu unsinnigen Forderungen aus manchen Seiten, und namentlich wurden auch vielfach soge nannte »Entschnldungsgclder« in Höhen verlangt, die die davon betroffenen Betriebe vielfach direkt ruiniert hätten. Diese Bestrebungen um Verbesserung der Lebenslage grif fen naturgemäß auch auf den Buchhandel über, und es erwies sich nun als ein großer Nachteil für die Arbeitgeber, daß sic selbst als Arbcitgebcrgemeinschaft gar nicht organisiert waren, während die Gehilfenschaft eine feste Organisation schon viel fach besaß oder zur Schaffung einer solchen sich jetzt leicht durch dazu angestellte Persönlichkeiten bewegen ließ, was um so be- gucmcr durchführbar war, als in allen größeren Betrieben die Bildung von Angestclllenausschüssen ohnedies infolge neuer ge setzlicher Bestimmungen erfolgen mutzte. Aus dieser Not der Zeit heraus erfolgte auf Grund einer von einer Reihe BerlinerBuchhändler, darunter zhrem Vorstand, gegebenen Anregung im Dezember 1918 die Begründung eines »Arbeitgeber-Verbandes der Deutschen Buch- händlc r« mit dem Sitz in Leipzig und mit Ortsgruppen in Berlin, Leipzig, München und Stuttgart. Bereits jetzt liegen Beitrittserklärungen für die Berliner Ortsgruppe von etwa 260 Firmen mit fast 9 Millionen Gehalts zahlungen vor, täglich erfolgen weitere neue Anmeldungen. Der Vorstand ist ini Begriff, einen Geschäftsführer für die stark an- wachsenden Geschäfte, die Ihr Vorstand auf die Dauer nicht ehrenamtlich zu führen vermag, anzustellen, und wird hierüber sowie über inzwischen getane Schritte in der Hauptversamm lung mündlich weiter berichten. Der »Stellennachweis für den deutschen Buchhandel und verwandte Berufe aus Pari tätischer Grundlage«, dessen Gründung im letzten Jahresbericht gemeldet wurde, wurde im Jahre 1918 von ins gesamt 290 Personen, nämlich 171 Gehilfen, 55 Gehilfinnen, 84 Packern in Anspruch genommen. Hiervon erhielten 143 Per sonen Stellung, nämlich 91 Gehilfen, 24 Gehilfinnen, 28 Packer, außerdem aber, wie festgestellt werden konnte, noch zahlreiche weitere Personen, die aber dem Stellennachweis keine Meldung erstatteten. Der zum Vorsitzenden gewählte Herr vr. F. Pickardi legte sein Amt nieder, nach längerer Zwischenzeit trat Herr Hans .Her ni. Richter an seine Stelle. Besondere Ver dienste um den Stellennachweis hat sein 2. Vorsitzender Herr E. Kupfer. Die Korporation erhöhte ihren Jahresbeitrag auf 600. -. Inwieweit die segensreiche Einrichtung etwa durch die Gründung des Arbeitgeber-Verbandes eine Abänderung ihrer Organisation wird zu erfahren haben, läßt sich heute noch nicht überblicken. Am 9. Oktober 1918 feierte unser Geschäftsführer Herr Rein hold Thuleweit sein 25jährigcs Jubiläum. Der Vorstand der Korporation ehrte Herrn Thulewcit durch eine An sprache des Vorstehers und Überreichung einer Ehrengabe na mens der Korporation. Aus den Kreisen unserer Mitglieder waren zahlreiche Glückwünsche, zum Teil begleitet von herr lichen Blumenspenden und sonstigen Ehrengaben, cingelaufen, so daß sich der Tag zu einer schönen Ehrung für den Gefeierten gestaltet«. Was Ihr Vorsteher in seiner Ansprache zum Aus druck brachte, sei auch hier kurz wiederholt, daß nämlich die Korporation Herrn Thulewcit zu dem wärmsten Tank verpflichtet ist für die geradezu vorbildliche Hingebung und Pflichttreue, mit der Herr Thulewcit seit so langen Jahren, ganz besonders aber während der so ungemein schwierige» Kriegsjahre, seines Amtes gewaltet hat. Daß wir manchmal trotz fast unüberwind licher Schwierigkeiten doch immer noch dnrchgesnnden haben, vrrdankcn wir in hervorragendem Maße der nie versagenden Energie des Herrn Thuleweit. Der Tod hat der Korporation 1918 fünf Mitglieder ent rissen, die Herren Ernst Buschbeck, Max Prengel, Karl Ali Hof, Karl Lüdersdorfs und Robert Prager. Am 4. Mai 1918 starb im Alter von 77 Jahren Herr E r n st Busch deck, Seniorchef der Firma R. Friedländer L Sohn. Der Verstorbene wurde am 22. August 1841 in Berlin geboren und trat am 1. Oktober 1856 als Lehrling bei R. Fricdländer « Sohn ein, um dieser Firma seine ganze Kraft bis an sein Lebensende zu widmen. Die Buchhandlung befand sich damals in der Kurstraße 50 und stand nnlcr der Leitung von ln. Julius Fricdländer, der sie zu einer Spezialbuchhandlnng für Natur wissenschaften ansgestaltete. Ernst Bufchbeck zeigte für diesen Wissenszweig besonderes Interesse und Begabung und wurde seinem Lehrherrn bald ein so brauchbarer Mitarbeiter, daß ihm die Geschäftsführung mehr und mehr überlassen werden konnte, während v>. Fricdländer sich fast ganz seinen wissenschaftlichen Interessen widmete. Durch Ankauf großer Bibliotheken und Herausgabe von über 500 Spezialkatalogen naturwissenschaft licher Bücher erlangte die Firma auf diesem Sondcrgebieie Welt ruf. Ein umfangreicher Verlag für Naturwisscnschaficn wurde dem Antiquariat und Sortiment angegliedert und durch Heraus gabe der seit 1879 erscheinenden »ktaturae ktovltate»«, die alle Neu erscheinungen der Natur- und exakten Wissenschaften ankündig- ten, machte sich Ernst Buschbeck auch auf bibliographischem Ge biete verdient. Als vr. Julius Friedländer im Jahre 1882 nach langer Krankheit starb, wurde Ernst Buschbeck Teilhaber der Firma und erwarb später das Geschäft mit dem dazugehö rigen Haus, Karlstr. II, von den Erben, um es bis an seinen Lebensabend zu führen. Von früh bis spät rastlos tätig, war Ernst Bnschbeck das Urbild eines erfahrenen Buchhändlers und Antiquars. Mit scharfem Verstände, nie versagendem Gedächtnis und unermüd licher Arbeitskraft begabt, ist er bis in das prophetische Alter hinein ununterbrochen für den Ausbau der Firma tätig gewesen. Noch in den ersten Kriegsjahren, als die jüngeren Mitarbeiter z. T. znm Heeresdienst eingezogen wurden, versah er trotz zu nehmender Körperschwäche tagaus tagein seine geschäftlichen Pflichten, bis ihn schließlich allzugroße Abnahme der Sehkraft zur Untätigkeit zwang. Nicht lange jedoch hat der rastlose Mann diesen Zustand ertragen. Schon vor Beendigung des Krieges, am 4. Mai >918, schlossen sich seine im Dienst des deutschen Buchhandels und der deutschen Wissenschaft müde gewordenen Augen für immer. Im buchhändlerischen Vereinsleben und in der Korporation der Berliner Buchhändler ist Ernst Bnschbeck, ei» an sich zurück- hallender und bescheidener Mann, der mehr eine stille Gclehrtcn- natnr als ein streitbarer Vorkämpfer war, nicht besonders hcr- vorgetreten, für das Allgemeinwohl hat er sich aber jahrelang als Vorsteher einer Darlehnskasse, als Kirchcnvorstand und im Dienste der liberalen Partei betätigt und sich auch hier große Verdienste erworben. Mit vielen Gelehrten und Kollegen des In- und Auslandes verbanden ihn frcundschastlichc Beziehun gen, und wer ihm im Leben nähergetreten, hat ihn schätzen ge lernt. So betrauern wir durch seinen Heimgang den Verlust eines der tüchtigsten und erfolgreichsten Vertreter des deutschen und internationalen Buchhandels. »9er sspsra ack astra« ist sein Wahlspruch gewesen, der sich an ihm erfüllt hat. Am 1. September verstarb Herr Max Prengel, Ge schäftsführer von Meidingers Jugendschriften-Verlag G. m. b. H., des Verlages »Deutsche Bibliothek« und Prokurist des Globus Verlags. 369