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X- 92, 9. Mai 1919. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dlsch». Buchhandel. abhängig ist wie kein anderer Buchhandelsplatz, litt begreif licherweise unter den Verkehrsstockungen und -Störungen in er heblichem Maße, und hätten nicht alle Kräfte vereint zu sammengewirkt, so wäre vielleicht die Zentralisation in Leipzig, oder wenigstens der Verkehr des gesamten Buchhandels über Leipzig, ernstlich in Frage gestellt worden. Nachdem die Revolution die Macht in die Massen der Ar beitnehmer, insbesondere die Arbeitnehmer-Organisationen ge wiesen hatte, fiel dem Vorstand als Wichtigstes die Aufgabe zu, die Arbettsverhältnisse den Zeiten entsprechend zu regeln. Schon am 12. November traten Mitglieder des Vereins zusammen und beschlossen mit den Organisationen der Buchhandlungs-Gehilfen, -Gehilfinnen und -Markthelfern zusammenzulreten und die Neu regelung der Arbettsverhältnisse in Angriff zu nehmen. Zu dem Zwecke wurde unterm 14. November die A r b e i t s g e m e i n - schaftdesDeutschenBuchhandels gegründet, die sich zusammensetzte aus 8 Arbeitgeber- und 10 Arbeitnehmer-Ver bänden. Als Ergebnis der Verhandlungen wurde dann zunächst eine Entschließung über Kündigung und Wiedereinstellung von Kriegsteilnehmern veröffentlicht, seiner die Bestimmungen über den Achtstundentag ausgearbeitet und nach längeren Verhand lungen über Einzelfragen der Arbettsverhältnisse die Aufstellung eines L o h n t a r i f s für Angestellte und Markthelfer in Aussicht genommen. Da noch kein vcrhandlungssähiges Instrument im Kreise der Arbeitgeber bestand, wurden die Verhand lungen zunächst vom Buchhändler-Hilfsverband geführt, der aber fast ausschließlich Kommissionsgeschäfte zu seinen Mitgliedern zählt. Für den Zwischenhandel spielt die Deckungsfrage der Löhne und Gehälter eine viel größere Rolle, als im Verlag und Sortiment, und da weiterhin gerade die Mitglieder dieser Ver einigung, im Verhältnis, die weitaus größte Anzahl von Ange stellten beschäftigen, konnte dort am ersten das Material ge sammelt werden, auf dessen Grundlage die Tarife aufzubauen waren. Der Hilfsverband hat sich in monatelanger Arbeit für den ganzen Leipziger Buchhandel zweifellos ein großes Ver dienst erworben, daß er die Vorarbeiten leistete. Wenn es schließlich im allerletzten Augenblick noch fast zu einem Streik gekommen wäre und seitens der Arbeitnehmer ein Ultimatum sür den Abschluß des Angestellten-Vertrages gestellt wurde, so ist das wohl nur der leichten Erregbarkeit der gegenwärtigen Zeit zuzuschrciben. Mit besonderer Freude ist es zu be grüßen, daß es der Geschicklichkeit des Ersten Vorstehers des Börsenvcreins in richtiger Erkenntnis des Umstandes, daß nach den Folgen des 12tägigen Generalstreiks in Leipzig eine neue Erschütterung des Leipziger Buchhandels unübersehbare Folgen hätte haben können, gelungen ist, in letzter Stunde den Tarif vertrag zum Abschluß zu bringen. Da das Börsenblatt in seinen Nummern vom 13. und 21. März 1919 erschöpfend die Streiklage behandelt hat, erübrigt es sich hier, näher auf diese Angelegenheit einzugehen. Die Frage der Lohn- und Arbeitsverhältnisse veranlasse auch den Verein, am 3. Dezember eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen, in deren Mittelpunkt die vorstehend erwähnten Fragen standen. Ebenso wurde am 12. Februar 1919 eine Mitgliederversammlung abgehalten, in der die Gründung eines Arbeitgeber-Verbandes in Aussicht genommen und eine Kommission zur Beratung der Satzung ein gesetzt wurde. Nachdem unter Führung des Vorstandes des Bürscnvereins bereits unterm 6. Dezember in Berlin ein Ar beitgeber-Verband des ganzen deutschen Buchhandels begründet und Ortsgruppen für die großen Buchhandclsplätze Berlin, Leip zig, München, Stuttgart in Aussicht genommen worden waren, konnte endlich am 19. März 1919 die »Ortsgruppe Leip zig des Arbeitgeber-Verbandes der Deutschen Buchhändler, Sitz Leipzig« gegründet werden. Diese gliedert sich den besonderen Verhältnissen des hiesigen Buch handels entsprechend in drei Einzelgruppen: Verlag, Sortiment und Zwischenhandel und ist dazu berufen, alle Angestelltenfragen des Leipziger Buchhandels zu behandeln, unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in den einzelnen Gruppen. Der Vor stand des Vereins ist in diesem Arbeitgeber-Verband durch seinen Vorsteher vertreten. Brachte die Revolution überall große Erschwerungen und neue Lasten, so brachte sie dem Buchhandel doch immerhin eine Erleichterung durch Aushebung der Vorschriften über die Zen - s u r für Aus- und Einfuhr von Büchern. Das abgelaufene Ge schäftsjahr hat gerade auch nach dieser Richtung hin manche neue Schwierigkeiten gebracht, obzwar die Presseabteilung des Stellverir. XIX. <2. K. S.) A. K. bis zum Schluß bemüht war, der Sonderstellung des Leipziger Buchhandels Rechnung zu tra gen. So wurde es sehr begrüßt, daß am 20. und 21. Februar 1918 in Leipzig Verhandlungen mit sämtlichen in Frage kommenden Dienststellen stattfanden, wo vor Beginn der dienstlichen Ver handlungen nach einem einleitenden Vortrag des Vorstehers des Vereins über den Leipziger Buchhandel und Erläuterung der Karten und Anschauungsmittel aus der Sonderausstellung des Vereins auf der Bugra eine Besichtigung der Buchhändler-Bc- stellanstalt, Paket-Austauschstelle und einiger buchhändlerischer Großbetriebe stattfand. Trotz alledem kamen noch neue, ver schärfte Bestimmungen, die insbesondere die chemischen Zeit schriften, technischen Werke, Inserate von Rohstoffen, technischen Werken u. ähnl. betrafen. Die Aufhebung der Vorschriften über das Auskleben auf Druckschriften-Sendungen wurde zwar be grüßt, doch brachten dafür die Bestimmungen, die für die Einlieferung von Postsendungen gemacht wurden, andere Schwie rigkeiten, und es wird Wohl allgemein als eine Erleichterung befunden, daß nach dieser Richtung hin zurzeit keine Schwierig keiten mehr bestehen. An deren Stelle sind nun allerdings die nicht minder unangenehmen Vorschriften und Beschränkungen sür Lieferungen in das besetzte deutsche Ge'biel getreten. Der Verein ist bemüht, zusammen mit dem Vorstand des Börsenvcreins auch hier Erleichterung zu schaffen, soweit dar irgend möglich ist. Gerade im abgelaufenen Geschäftsjahr hatte der Verein mit vieler Mühe bessere Beziehungen zu den von deutschen Trup pen besetzten Gebieten ausgenommen und fand dabei die tat kräftigste Unterstützung der deutschen Buchhändler in den bal tischen Provinzen, bet der Druck- und Büchereistelle in Ru mänien u. a., sodaß es gelungen war, regelmäßig direkte Bücherwagen von Leipzig nach dem besetzten Gebiet in Rumänien, nach dem Gebiet des A. O. K. 8. (Riga, Reval, Dorpat usw.) zu führen. Für Bulgarien waren die ersten regel mäßigen Bücherwagen bereits verladen und unterwegs, als die Revolution ausbrach. Ebenso waren für Lodz, Warschau und die Ukraine alle Vorverhandlungen zum Abschluß gelangt, so daß auch dieser Bücherwagenverkehr ausgenommen worden wäre, wenn nicht der Umsturz alle diese so überaus wichtigen Bezie hungen zerschnitten hätte. Die Sammelstclle für die aufzulie- fernden Güter war die Paket-Austauschstelle, und der Verkehr erfreute sich bereits eines beträchtlichen Umfanges und nahm ständig zu, sodaß die einzelnen Bücherwagen jeweils drei- bis elftausend kg Bücher beförderten. Allein die 11 rus sischen Bücherwagen, die in der Zeit vom 15. August bis 31. Ok tober liefen, beförderten mehr als 78 000 kg Bücher nach den baltischen Provinzen. Die Handelskammer zog mehrfach in wirtschaftlichen Fragen, die für den Buchhandel auch von besonderem Interesse waren, Auskünfte beim Vorstande ein. Auf Anregung von an derer Seite wurde die Frage der 'Einrichtung eines Fachaus schusses bei der Handelskammer erwogen. Die Handelskammer konnte sich nicht dazu entschließen, einen solchen ständig als einen Teil derselben anzuglicdern, aus satzungstcchnischen und auch anderen Gründen. Doch wurde ein ständiger Fachausschuß ins Leben gerufen, der in gegebenen Fällen, wie z. B. bei einer den Schulbücherberlag betreffenden Frage, zu Rate gezogen wurde. Ein gleicher Ausschuß wurde beim Sächsischen Landesausschuß für Übergangswirtschaft ins Leben gerufen. In beiden Aus schüssen ist der Vorstand durch Mitglieder vertreten. Die auf dem Papiermarkt fühlbar gewordenen ungünstigen Umstände, die unregelmäßige Preisbildung, das Auftauchen von unsicheren Faktoren und die daraus geschöpften Erfahrungen führten zur Gründung und Ausbildung einer buchhändlcrischen Einkaufsgenossenschaft für Papier, Pappe, Bindfaden und Kon torbedarf, die unter dem Namen Wirtschaftliche Ver- 387