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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. X- 14b, 12. Juli 1919. Verbandes und kenne die Verhandlungen in Berlin ganz genau. Ich weiß auch, wer hauptsächlich die hohen Forderungen mit zur Annahme gebracht hat. Schon gestern ist in unserer Hauptversammlung gesagt worden: das waren zum größten Teil die Herren Sortimenter, und das war auch Herr Nitschmann. Von seiten der Sortimenter ist ausdrücklich erklärt worden, daß das Sorti ment die reichen Gewinne, die ihm jetzt noch znflicßen, einstecken will, und es ist ans Bücher wie Ludcndorff exemplifiziert worden, die es jetzt noch absctzen will, und ans denen es den Nutzen bei einem alsbaldigen Streik der Arbeitnehmer zu verlieren fürchtet. Außerdem werden Sie ja in allen Ihren Berichten meistens ziemlich unverblümt, finden, daß das Sortiment einen recht guten, ja sogar einen hohen Gewinn gehabt hat. Das sagen die Herren Sortimenter in allen ihren Berichten. Der Verlag hat das nicht in seinen Berichten sagen können. Der Verlag hat wohl auch Kriegsgewinnler gehabt — jawohl, das gestehe ich offen zu —; aber der Verlag hat zum größten Teil keine Kriegsgewi,me erzielt. Meine Herren, Sie geben in allen Ihren Berichten zu, daß Sie gute, ja außerordentlich gute Gewinne erzielt haben. (Zuruf.) lind, meine Herren, bedenken Sie, daß das den Be hörden und den Kriegswuchsrämtern Anlaß geben kann, gegen eine Erhöhung des 10bigen Zuschlages Einspruch zu erheben. Es find, soviel ich weiß, jetzt schon seitens der Kricgswucherämter beim Vorstand des Börsenvereins Anfragen eingelaufcn, ob es nicht bei diesen guten Gewinnen des Sortiments möglich wäre, den lO^igen Zuschlag fallen zu lassen. (Zurus: Ach!) Also, meine Herren, aus allen diesen Gründen, die ich hier Ihnen kurz gesagt habe, hat sich die gestrige Hauptversamm lung des Deutschen Verlegervereins einstimmig dafür erklärt, die Ihnen freundlicherweise von Herrn Nitschmann schon vorgelesene Erklärung abzugeben. (Lebhaftes Bravo.) l)r. Alfred Giesecke-Lcipzig: Meine Herren, ich habe zunächst eine Erklärung der Schulbnchvcrleger zur Verlesung zu bringen, die von ihnen in ihrer vorgestrigen Versammlung angenommen worden ist. Sie lautet: Eine Erhöhung des Sortimenter-Tencrungsznschlages über tO<U, hinaus bedingt eine so bedeutende Verteuerung des Schulbuches durch den Zwischenhandel, daß der Schnlbnchverlag dem bereits stark cinsctzenden Drängen der Be hörden gegenüber nicht mehr in der Lage sein wird, die Eröffnung neuer Wege zur billigeren Deckung des bestehen den, vom Sortiment nicht zu beeinflussenden Bedarfs an Schulbüchern zu verhindern. Meine Herren, lassen Sie mich daran noch ein paar persönliche Worte anknüpfen! Herr Nitschmann brauchte den Appell, daß der Verlag nicht egoistisch kurzsichtig entschließen und handeln soll, nicht an uns zu richten. Diese Entschließung und unsere andere Entschließung sind gerade ans diesem Gefühl der Verantwortung für das gemeinsame Schicksal des Buchhandels geflossen. Aber, meine Herren, es ist ans allen Gebieten so, wie Sie an diesem Beispiel der Schulbücher sehen: wir — weder Sic noch wir — haben die Dinge in der Hand, sondern hier gehen die Ereignisse mit ehernem Schritt über uns hinweg, wenn wir uns nicht ihnen verständig fügen. Es ist dieselbe Sache wie bei den Lohnerhöhungen. Meine Herren, jetzt fängt es schon an. Die Ein stcllnng von großen Verlagsnntcrnehmungen setzt bereits ein. Ich kann eine ganze Anzahl wissenschaftlicher Unternehmungen ein fach nicht mehr fortsühren; ich muß Zeitschriften cingehcn lassen, weil ich sie bei den jetzigen Herstellungskosten nicht mehr Her stellen kann. Genau so geht die Sache, wenn es nicht möglich ist, die Gebühr, die der Sortimenter für die Vermittlung des Buches an das Publikum erhält, in gewissen Grenzen zu halten. Meine Herren, ich habe Ihnen das vorhin schon vor Augen geführt. Sie können dein Publikum nicht begreiflich machen, daß cs berechtigt ist, wenn von einem Buche, das der Verleger mit S Mark verkauft, der Sortimenter 4 Mark lediglich dafür erhält, daß es durch seine Vermittlung aus den Händen des Verlegers in die Hände des Publikums kommt. Meine Herren, das machen Sic niemandem begreiflich, sondern dann wird einsnch gesagt: dann muß es andere Wege geben, um die Arbeit billiger zu leisten. Sic schütteln den Kopf, Herr Nitschmann; Sie werden mir in einigen Jahren rechtgeben. (Paul Nitschmann: Das ist bei jeder Ware so!) — Das ist nicht der Fall. (Widerspruch.) Das sind 80^, — 4 Mark Verdienst des Sortimenters bei einem Nettopreise von 5 Mark sind 80L(>. Wo haben Sie den Zustand, daß der Zwischenhündlergewinn 80^ beträgt? (Zurns: Wer sagt denn das? — Zuruf von anderer Seite: Stimmt ganz genau!) Dann habe ich kurz zu sagen: Der Verlag ist durchaus nicht in der Lage, die neuen Lasten abznwälzen. Ich kann Ihnen versichern, daß bei jeder Kalkulation, die ich jetzt mache, die Spannung zwischen Herstellungskosten und Nettopreis kleiner wild, zum Teil in ganz erheblicher Weise, weil ich mir einfach sage: die Bücher würden bei den Preisen, die ich nehmen müßte, wenn ich so kalkulieren wollte wie früher, zu teuer werden; sie würden einfach nicht mehr gekauft werden. (Sehr richtig!) Der Verlag hat — und da stimmen wir überein; das möchte ich nochmals zum Schlüsse sagen — durchaus dasselbe Verantwortungsgefühl für das Ganze des Buchhandels wie Sie, meine Herren, und ich muß die Insinuation ganz entschieden znrückweisen, als wäre unsere Entschließung gestern aus eigensüchtigen oder kurzsichtigen Erwägungen heraus gefaßt worden. Allerdings hätte es, wie vorhin schon gesagt worden ist, nach unserer Meinung dieser Resolution nicht bedurft. Die Sache liegt auch unserer Meinung nach beim Vorstand dcS Börsenvereins in guten Händen. Dort wird es Ihre Sache sein, nachzuwciscn, daß Sie tatsächlich nicht in der Lage sind, die Lasten zu tragen. Bringen Sic uns diesen Nachweis! Wenn Sie ihn wirklich erbringen, und wenn sich ergibt, daß die Einschränkung Ihres Nutzens, wie auch schon gesagt worden ist, größer ist, als wir alle sie uns heute gefallen lassen müssen, dann wird sich der Verlag der Einsicht, daß Ihnen geholfen werden muß, nicht verschließen. Aber diesen Beweis müssen wir erst abwarten. (Bravo!) Geheimer Hofrat, Kommerzienrat Karl Siegismnnd-Bcrlin: Meine Herren, aus den Mitteilungen, die uns soeben von seiten des Herrn 0r. Gicsecke eröffnet worden sind, müssen wir erkennen, daß hiermit eine Brücke geschlagen ist, auf die z» treten wir alle in der Lage sind. Meine Herren, auch ich bin der Ansicht, daß die Verhältnisse, wie sie sich in den nächsten Monaten in.Deutschland entwickeln werden, derartig schwer werden, daß Belastungen entstehen, wie sic wahrscheinlich das Sortiment mit den heutigen Gewinnen zu tragen nicht in der Lage ist. (Sehr richtig!) Es muß die Möglichkei sein, eine Abwälzung auf das Publikum stattfinden zu lassen. (Sehr richtig!) Dem Verlag ist es nach der Richtung hin leichter gemacht. Der Verlag ist in der Lage, seine Teuernngszuschläge prozentual oder durch Erhöhung der Ladenpreise festznstellen. Diese Möglichkeit hat der Sorte inenter nicht. Meine Herren, Herr I1>. Giesecke hat eben gesagt,daß er die Angelegenheit vertrauensvoll in die Hände des Vor standes des Börsenvereins zu legen die Absicht hat. Es ist auch gar nicht möglich, einen andern Weg zu gehen als den, den Herr vr. Giesecke uns vorgezeichnct hat. Nach dem Statut und nach dem Wortlaut der Notstandsordnnng ist es dem Börsenvercins- vorstand Vorbehalten, die Höhe der Teuernngszuschläge zu bestimmen, sic zu erhöhen oder sic abzubauen. Die Notstandsordnnng besteht heute noch zu Recht. Infolgedessen ist die Hauptversammlung gar nicht in der Lage, einen solchen Antrag anznnchmcn, wie er von Herrn Nitschmann gestellt worden ist, nämlich: die Hauptversammlung solle beschließen oder solle in Erwägung ziehen, daß die Teuernngszuschläge 20^ betragen. Es geht gar nicht anders, als daß der Vorstand des Börsenvereins sich, sobald die Verhältnisse das gebieten, mit der Frage zu beschäftigen hat: Sind die heutigen Teuernngszuschläge noch zeitgemäß oder nicht? lind, meine Herren, ich kann hier namens des Vorstandes die Erklärung abgcben, daß er das ehestens tun wird. Nachdem in den verschiedenen Jahresberichten und erst gestern wieder in dem Berichte der Dclegiertcnversammlnng immer und immer wieder gesagt worden ist, daß das Sortiment geradezu glänzende Geschäfte gemacht habe, muß aber gefordert werde», daß vom Sortiment die Unterlagen gegeben werden, um den Vorstand des Börsenvereins zu überzeugen, daß die Erhöhung der Tcnernngs- zuschlägc notwendig ist. Nur dann, wenn wir diese Unterlagen haben, können wir mit gutem Gewissen entsprechende Beschlüsse 580