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W 10, 14 Jnnnni 1904. Nichtamtliche, Teil 429 beschranke, die Wünsche seiner Knuden und Bekannten, soweit solche spontan an ihn herantrcten, zn befriedigen. , Der 1. Zivilsenat des Oberlandcsgcrichts zn Stuttgart hat jedoch durch Erkenntnis vom 4. April 1902 der Klage stattgegebcn, da er zu der Ansicht kam, daß der Beklagte nach Lage der Sache in Wirklichkeit Sortimentsbuchhandel betrieben habe. Zur Begründung des Urteils wird etwa folgendes aus- geführl! Ein kaufmännisches (oder gewerbliches) Geschäft be treibt, wer eine Handels- (oder gewerbliche) Niederlassung in dem betreffenden Geschäftszweig hat oder errichtet, von der aus er entsprechende Geschäfte abschließt. Wem also vertragsmäßig verboten ist, ein Geschäft von einer gewissen Art in einen, gewissen Bezirke zu betreiben, den, ist (sofern nicht besondere Gründe eine andre Auffassung rechtfertigen) verboten, eine Niederlassung der bezeichnet«, Art dort zn halten oder zu errichten. Die gewerbsmäßige Entfaltung einer Tätigkeit, die mit der von einer Handelsniederlassung regelmäßig ausgehenden übcreinstimmt und den, Vertrags- gcgner in ähnlicher Weise Konkurrenz macht wie eine Handelsniederlassung in den, betreffenden Bezirk, vermag die Verwirkung einer auf den Betrieb eines Geschäfts gesetzten Vertragsstrafe nicht herbeiznführen, falls jene Tätigkeit nicht von einer gewerblichen in dem betreffenden Bezirk befindlichen Niederlassung aus entfaltet wird. Der Beklagte hat in 1. eine gewerbliche Niederlassung, sofern er dort eine Verlagsbuchhandlung sowie einen Kunst- u,>d Musikalienhandel (mittels Klcinverkaufs) betreibt. Der Kunst- und Mustkaliciihandel ist ein Geschäft, das häufig in Verbindung mit einer Sortimentbuchhandlung betrieben wird. Wenn ein Kaufmann, der bisher einen Kunst- und Musikalienhnndel betrieben hat, sein Geschäft in der Weise erweitert, daß er auf Bestellung auch Bücher von Verlegern und Großsortimentcrn bezieht zun, Zweck des Verkaufs au die Besteller, und dabei seinerseits die Bücher mit dem bei Sortimentern üblichen Rabatt erhält, während er sie zu demselben Preis wie der Sortimentsbuchhändlcr abgibt, wenn er also diesen Geschäftszweig — zwar nur nebenher in kleinem Umfang — aber doch gewerbsmäßig betreibt, d. h. in der auf Erschließung oder Erhaltung einer dauernden Erwerbsquelle gerichteten Form, so betreibt der Betreffende eine Sortimentsbuchhandlung, sofern nicht für den Betrieb einer solchen noch weitere Bcgriffsmerkmale er forderlich sind. Als ein solches Begriffsmcrkmal könnte zunächst ein Laden in Betracht kommen, d. h. ein nicht nur jedem Büchcrbesteller zugänglicher, sondern auch mit öffentlicher Ausstellung von Büchern verbundener Geschäftsraum. Regelmäßig wird ja ein Sortimentsbuchhändler einen der artigen Laden haben, ebenso wie ein Kunst- und Musikalien händler aber zun, Begriff eines Sortimentsbuchhändlers ge hört ein Laden ebensowenig wie zu dem des Kunst- und Musikalienhändlers. Beklagter ist unstreitig letzteres, ohne einen Laden der bezeichnet«, Art zu haben (einen Schau kasten scheint er allerdings zu haben). Ein Sortimentsbuchhändler wird sodann in der Regel seinen Geschäftsbetrieb öffentlich ankündigen, sich von Zeit zu Zeit für den Bezug von neu erschienenen Büchern öffent lich empfehlen und ein Lager der gangbaren Bücher gewisser Fächer in größer,,, oder geringer,,. Umfang halten. Aber auch diese Art des Geschäftsbetriebs läßt sich nicht als not wendiges, wesentliches Merkmal einer Sortimentsbuchhand lung ansehe,,. Gerade derjenige, der von seiner zunächst andern Zwecke» (wie dem Verlagsgeschäft, einer Kunst- und Musikalienhandlung) dienenden, gewerblichen Niederlassung aus nebenher gewerbsmäßig Sortimentsgeschäfte zu machen sich entschließt, kann unter Umständen von derartigen Ver- Börsenblalt für den deutschen Buchhandel. 71. Jahrgang. anstatt,luge» absehen und sich darauf beschränken, unter der Hand seinem Kundenkreis bekam,tzugcben, daß er auch in, Einzelverkauf ans Bestellung Bücher fremden Verlags liefere, lind sodann solche Bestellungen auszuführen. Ein als Haupt geschäft betriebener Sortimentsbuchhandel wird freilich Ver anstaltungen der bezeichnet«, oder ähnlicher Art nicht entbehren können, wohl aber ein als Nebengeschäft betriebener, vr. B. W. H. Smith & Sun, das tirvtze Lviidvurr Viichrr- und Zritungshaus. Eine große moderne Zeitung ist ein sehr zusammengesetztes Unternehmen, das einen großen Apparat von Menschen und Maschinen bei strengster Ordnung und Arbeitsteilung erfordert, wenn jeder sein Blatt regelmäßig jeden Tag einmal oder öfter auf dem Tische liegen haben will. Es wäre jedenfalls eine dank bare Aufgabe, die Entstehung einer großen Zeitung in anschau licher Weise vorzufiihren. Dies ivird jedoch mit dieser Skizze nicht beabsichtigt. Sie ivill den Leser vielmehr an der Hand eines kürz lich erschienenen Aufsatzes aus der vortrefflich geleiteten illustrier ten Zeitschrift: 'llbo ^Vorlck'8 >Vorlr (Verlag von William Heine mann, London) in dem bekannten Bücher- und Zeitungshaus W. H. Smith k Sou in London herumführen und ihm flüchtig zeigen, wie von dieser Firma Tag für Tag riesige Massen von Zeitungen, Zeitschriften, Büchern usw. nach allen Teilen Englands hinausgesandt werden. Es ist lange nach Mitternacht, als wir in die Redaktion eines Londoner Blattes gucken. Der Redaktionsstab ist für heute, wenn diese Bezeichnung zu so früher Stunde noch gelten darf, fertig und wirft sich in verschiedene Droschken, um heimzufahren. Die Zeitung wird gedruckt, verpackt und verladen. Das Tagewerk ist vorüber. Aber da liegt die Zeitung, eine Million Exemplare. In ein oder zwei Stunden muß sie auf Hunderttausenden von Frühslückstischen liegen. Aber niemand scheint sich darum zu kümmern. Redakteure, Schreiber, Setzer, Drucker, Markthelfer gehen ab und zu Bett, ohne an weiteres zu denken. Ihre Arbeit ist getan. Es ist das Geschäft andrer, dafür zu sorgen, daß übrig hat. Was geschieht nun zwischen dem Augenblick, wo der Chef redakteur auf seine Droschke zustürzt, und dem Augenblick, wo der Zeitungsjunge die Morgenzeitung abliefert oder der Bookstall- Mann die Weltneuigkeiten auf einem sechs Quadratfuß großen Brette ausbreitet? Diese Frage ist mir aufgestoßen, als ich eines Morgens etwa um zwei Uhr im Strand eine Droschke suchte. Ich kam zu einem glänzend erleuchteten Gebäude. Zwei zer lumpte Männer standen davor und wunderten sich. Aber die Verwunderung des einen wandelte sich unmittelbar in Ver achtung. »Ich bin froh,-- sagte er, »daß mich das Haus nichts angeht. Und das schöne Gas, was alle Nacht verbrannt wird!« Es war das Hauptquartier von W. H. Smith und Sohn, den Vookstall-Smiths. Dabei kam mir zum Bewußtsein, daß ich seither einige sehr wichtige Stunden im Leben einer Zeitung ver säumt hatte. Nicht bloß einer Zeitung, sondern auch Zeitschrift, eines Buches, der Literatur! Dahinter mußte ich kommen. Mir war bekannt, daß der Gebäudeblock, der in den Strand hinaus geht und das Rechteck ausfüllt, dessen östliche Seite Arundel Street bildet, das Hauptreservoir der Londoner Literatur bildet, und ich ging also nach erlangter Erlaubnis hinein, um zu sehen, wie Ihnen meine Gedanken übermittelt werden, nachdem sich der Drucker damit zu schaffen gemacht hat. Ich wurde mit Erstaunen begrüßt, als ich mich niedersetzte und sagte, ich wünschte zu sehen, wie Gedanken verbreitet würden. Die Erklärung war demütigend. Es wurde mir auseinander gesetzt, daß der tägliche Betrieb immer interessant sei, daß aber niemand irgendwelches Interesse an einem solchen Geschäft wie dem Smithschen nehmen könnte. Es hätte mit Literatur nichts zu tun. Sie fügen dem Reichtum der Welt nichts hinzu, sie produzieren nichts. Sie verrichten einfach die Tätigkeit des Milch mannes, der ein Erzeugnis von einem Punkt zum andern ver bringt. Die Erwiderung war einleuchtend; sie gründete sich auf das ich in London kenne. Ein ganzer Wagen voll Morgen zeitungen in Fleet Street ist für einen Mann in Harlesden nicht ein einziges Exemplar wert. Die »Smiths« sind also eine der wenigen großen Vertriebs agenturen, die den Verleger mit dem Publikum verketten. Um einen Begriff davon zu bekommen, was mit einer Zeitung, einer- illustrierten Zeitschrift oder einem Buch geschieht zwischen dem 57