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2210 Nichtamtlicher Teil. ^ 84, 11. April 1892. die vom Magistrat im Jahre 1600 im St. Pauls-Kloster an gelegte*), die Stadt erteilte das erste Buchdrucker-Privilegium einem Manne Namens Dunker. Zuletzt erhielt ein Buchdrucker Namens Herz das Privilegium; als dieser im Jahre 1754 darauf verzichtete, wurde die Druckerei dem rMartini-Waisen hause auf dem Steine« zugelegt, das auch eine Zeitlang davon Gebrauch machte, bis sie im Jahre 1771 an I. C. L. Tuchtfeld verpachtet wurde. Von diesem übernahm, beim Ableben des Tuchtfeld, I. D. Gerstenberg 1d07 die Pacht der Waisenhaus druckerei. Wie der Magistrat den Buchdruck privilegierte, so gestattete er auch den Buchhandel nur für einzelne Personen. So erhielten im Jahre 1664 der »Buchführer« Lauenstein, und im Jahre 1740 der Buchhändler Ludolph Schröder aus Braun schweig, der in Hildesheim einen Buchladen errichtete, das Privilegium. Der Schröder'sche Buchhandel mit Privilegium wurde 1788 dem Buchdrucker Tuchtfeld überlassen, der dann auch 1789 eine Buchhandlung am Orte errichtete. Diese ging aber nach einjährigem Bestehen ein, und bis zum Jahre 1797 schlugen sich die Hildesheimer Gelehrten ohne eine Buchhandlung durch. Im Jahre 1797 kaufte Gerstenberg dem Tuchtfeld mit einer namhaften Summe das Privilegium des Buchhandels ab, und von diesem Zeitpunkte an bestand in Hildesheim ohne Unterbrechung die Gerstenberg'sche Buchhandlung, mit der schon bei der Gründung eine Leihbibliothek verbunden war. Der deutsche Buchhandel hatte in jener Zeit schon einen stattlichen Um fang angenommen, man schätzt dir im 18. Jahrhundert in Deutsch land gedruckten Schriften auf 400 000**); der einzelne Sorti menter vertrieb davon natürlich nur einen sehr Keinen Teil, soweit es eben das Bedürfnis seiner Kunden verlangte und sein eigener Unternehmungsgeist und seine Mittel es zuließen. In welchem litterarischen und wissenschaftlichen Fach Gerstenberg sein Geschäft entfaltete, welcher Art seine Beziehungen zum Publikum waren, und wie er seine Rechnung fand, läßt sich heute nicht mehr ermitteln; doch muß sich wohl der Buchhandel ein wenig rentiert haben, da es in der Folge dem Inhaber möglich wurde, sein Unternehmen, das bereits aus einer Buchhandlung, Leih bibliothek und Druckerei bestand, alsbald noch wesentlich zu erweitern. Vom 28. Juni 1807 gab I. D. Gerstenberg die von Lüde- mann übernommene Stadtzeitung heraus. Es sei hier er laubt, bei dem Zeitungswesen jener Tage und bei der Hildesheimer Journalistik im besonderen ein wenig zu verweilen. Die nachweislich älteste deutsche gedruckte Zeitung, unter der man im modernen Sinne ein in periodischer Aufeinanderfolge erschei nendes, mehr oder weniger politisches Blatt zu verstehen hat, dürfte die Straßburger Zeitung vom Jahre 1609 sein Sie ist betitelt: »Relation: Aller fürnemmen und gedenkwürdigen Historien rc.«***), und ein vollständig erhaltener Jahrgang befindet sich in der Heidelberger Universitätsbibliothek. Zu den älteren Zeitungen gehören ferner die in Frankfurt a. M. gedruckten, so des Buchhändlers Egenolph Emmel (1615) und die Zeitung des Postmeisters Johann von den Birghden (1617) mit dem Titel »Vnvergreifsliche Postzeitungen«, sodann Berliner Zeitungen (1617), Magdeburger Zeitung (1626), Nürnbergische Zeitungen (1620), Augsburgffche Zeitung (1627) und schließlich auch die Hildeshcimische Zeitung. Die deutsche Presse verdankt den Posthäusern ihre eigent liche Entstehung, die aus aller Welt die ersten Nachrichten erhielten und sie in ursprünglicher Form oder auch mil kurzen eigenen Bemerkungen verbunden dem »neuzeitungsgelebigen und leichtgläubigen Volk«, wie Fischart spottet, übermittelten. Da *) Beiträge zur Hildesheimischen Geschichte, js **) R. Dziatzko, Abhandlung über den Buchhandel im -Handwörter buch der StaaiSwisscnschaftcn«, Jena 18SI. *") JuliuS Otto Opel, »Die Anfänge der deutschen Zeitungs-Presse», Leipzig 1879. die Postmeister nur einen geringen Teil der ihnen zu gehenden gedruckten oder geschriebenen Mitteilungen veröffentlichen konnten, und manches auch mit Willen verborgen hielten oder nur vertrauten Freunden zuflüsterten, so war es nichts Seltenes, »daß um die Avisenzeit das Postamt voller Ausforscher stand, deren jeder gern ein Mehreres wissen wollte, als was er in der Courante siehet.« Doch auch zu gleicher Zeit traten schon Buchhändler und Drucker mit handschriftlichen oder auch ge druckten Wochenkorrespondenzen hervor; diese erhielten ihre Nach richten auf dem langsamen und nicht immer sicheren Wege, den der Großhandel der damaligen Zeit nahm. Man wird somit den Wert der Presse des sechzehnten Jahrhunderts in Bezug auf Genauigkeit der Angaben und Pünktlichkeit der Berichter stattung nicht überschätzen dürfen. Auch die alte Bischofsstadt Hildesheim hatte in der That schon im Jahre 1619 ihre besondere Zeitung; im städtischen Archiv befinden sich die Jahrgänge l619 und 1620 einer solchen gedruckten Zeitung. Sie führt den Hauptlitel: »8LI,XH0X oder j kurzer Bericht, was sich im gantzen s Römischen Reich, vnd in vmbliegenden Län- j dern begeben vnd zugetragen hat. j Welche von Nürnberg den 30. Decembris 1619 ange langt j vnd sonst wöchentlich anhero svi-ärt wird, s Gedruckt zu Hildeßheimb, s Im Jahre 1620./4.« Die zweite Nummer bietet nachstehende Ueberschrift: »Die ander Zeitung auß gantz LVK0?4. I in diesem 1620. Jahr, den 7.Januarij . zu Hildeß heimb angelangt.« Etwas anders hat sich sodann diese Sonder überschrift schon im folgenden Jahrgange gestaltet, sie lautet nämlich: »Die 31 Zeitung, Waß sich in diesem jetzt lauffenden 1621 Jahre, zwischen I. Kay: May: auch der Böhmen, Mähren, Schlesier vnd Vngarn (auch mehrerley Orten vnd Landen) Kriegß- volck täglich vnd wöchendlich begeben vnd zuträget, wird hierin kürtzlich begriffen, Vnd ist von Nürnberg zu Hildeßh, angelangt am 28. Juliy.« Der etwas rätselhafte Titel ist wohl dahin zu deuten, daß das Hildesheimer Blatt eine ihm von Nürnberg zugesendete ge druckte oder geschriebene Zeitung ganz oder teilweise nachdruckte. Das Blatt erschien durchschnittlich wöchentlich einmal, es ist von recht schlechtem Papier und technisch wie inhaltlich flüchtig und unkritisch zusammengestellt. Dennoch ist der Jahrgang jener Hildesheimer Zeitung auch deshalb von hohem Interesse, weil er zu Beginn des dreißigjährigen Krieges zahlreiche Berichte vom Kriegsschauplätze aus Böhmen enthält. Diese ersten Hildesheimer Zeitungen en> halten nun nicht nur Thatsachenberichte, sondern auch Betrachtungen über die da maligen Vorgänge und Unruhen, über Religionsstreitigkeiten rc.; sie wurden sehr eifrig gelesen, und da ihr Inhalt zu allerlei aufregenden Gesprächen unter den Bürgern Veranlassung gab, obwohl sie in der Regel wochenlang oder monatelang nach einem Ereignis Kunde davon brachten, so wurde schon am 16. März 1621 vom Rat ein eigener Zensor für das Blatt angestellt, der alles der Stadtverwaltung oder gar der Landesregierung Mißliebige aus der Zeitung zu entfernen halte.*) Seit diesem Ratsbeschluß fehlen im Hildesheimer Archiv weitere Nachrichten über den Bestand der Zeitung, und so darf man wohl annehmen, daß die Zeitung dem Zensor und der Zensor der Zeitung nicht mehr lange Kummer bereitet hat; sie wird wohl in dem Trubel des dreißigjährigen Krieges und bei der Belagerung und Einnahme der Stadt durch Pappenheim drauf gegangen sein. Vom Jahre 1621 bis 1705 fehlen Nach richten, ob in Hildesheim eine Zeitung existiert hat. Im Jahre 1705 ließ sich dann in Hildesheim ei» Hamburger Buchdrucker namens Hermitz nieder, der wieder ein geistiges allgemeines Verbindungsmittel zwischen Obrigkeit und Unterthan, zwischen Verkäufer und Käufer für Stadt und Land mit der Gründung des »Hildesheimer Relations-Kourier« schaffte; Hermitz erhielt *) Beiträge zur Hildesheimischen Geschichte >830. j