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Redaktioneller Teil. ^ 238, 12. Oktober 1916. erledigt, ob ein langfristiger Anzeigenvertrag seine Geltung be hält, auch wenn während seiner Dauer der Verlag der Zeit schrift wechselt. Dies ist sowohl vom Kammergericht wie vom Reichsgericht glatt verneint worden, und zwar unseres Erachtens mit Recht. Es kann dem Inserenten kein anderer Vertragsgegner aufgedrängt werden; ohne seine Zustimmung ist der Eintritt einer anderen Person in das Schuldverhältnis nicht möglich. Selbst wenn auch beim Übergang von einem Verlag in den andern — es handelt sich hier um Abgabe einer Zeitschrift aus dem Ver lag von August Scherl an eine G. m. b. H. — allerlei Garantien für die Aufrechterhaltung und Verbreitung der Zeitschrift gegeben seien, so bedeute dies doch eine so schwer wiegende Verände rung der Grundlage des Vertragsvcrhältnisses, daß sie dem Be steller eines Inserats nicht zuzumnten sei. Ein ähnlicher Fall ist mir übrigens früher schon einmal vor gekommen, ohne daß er zu gerichtlicher Austragung geführt hätte. Es war da von einem Verlag mit einer Annoncenfirma ein In- seratenpachtvertrag abgeschlossen worden, und diese Firma hatte sich später mit einer anderen so zusammengelan, daß sie in der neuen Firma im wesentlichen aufgegangen war. Ich vertrat auch damals die Meinung, daß der Verleger zur Lösung des Vertrags berechtigt gewesen wäre, was allerdings aus anderen Gründen unterblieben ist. Besondere Schwierigkeiten macht in solchen Fällen aber immer das innere Verhältnis der neuen Firma zu der alten. Mutter- und Tochtergesellschaft, die Art der Fusion oder die größere oder geringere Trennung der Geschäftsleitung können oft ausschlaggebend sein und können das sonst klare Recht des Auftraggebers auf Lösung des Vertrags zerschneiden. Die Fülle der Geschäftsformen, in denen Firmen sich zusammentun können, ist eine ebensolche Fülle der Umgehungsmöglichkeiten für das Recht, das hier vom Reichsgericht grundsätzlich festgestellt ist. III. Zitat kleinerer Kompositionen. Die in Nr. 198 des Bbl. abgedruckte Kammergerichtsentschei- düng vom 27. Mai 1916 äußert sich zu der Frage des Großzitats und Kleinzitats von musikalischen Kompositionen etwa in fol gendem Sinne: Es könnte ja durch die unterschiedliche Behand lung, die das Gesetz der kleinen Aufführung von Stellen oder der größeren Aufnahme von Abschnitten in andere Werke angedeihcn läßt, die Gefahr austauchen, daß Lieder von geringfügiger Aus dehnung von jemandem, der sie gern in einer Arbeit aufzunehmen wünscht, als kleinere Anführung betrachtet werden und ans diese Weise den freieren Bestimmungen unterworfen scheinen, die für das Kleinzitat, die Anführung, gegeben sind. Das könnte für selbständige, aber kleinere Kompositionen eine ungünstige Lage sein, die mit dem Sinne des Gesetzes nicht recht in Einklang zu bringen wäre. — Ist es schon schlimm genug, daß in litera rischen und künstlerischen Beziehungen oft der Umfang des Ge genstandes von Bedeutung für die Bewertung und die Vergü tung ist, so soll nicht dieser Notstand auf andere urheberrecht liche Beziehungen übertragen werden. Mithin ist es ganz richtig, wenn das Kammergericht in der genannten Entscheidung den Grundsatz ausspricht, daß für die Frage, ob ein Tonwerk ein »kleineres« oder »größeres« sei, nur Werke der gleichen Kunst gattung zum Vergleich herangezogen werden können. Mit an deren Worten: es ist nicht die Wiedergabe eines Liedes etwa um deswillen als Zitat gestattet, weil ein Lied etwas Kleineres ist als eine Oper, vielmehr wäre ein ganzes Lied, und wenn es auch noch so wenig Takte hat, immer als ein ganzes Werk zu betrachten, von gleicher urheberrechtlicher Wichtigkeit wie ein großes Werk, und könnte um deswillen nicht als Ganzes nach den leichteren Vorschriften für das Kleinzital übernommen wer den. Entscheiden können in solchen Fällen, wie das Kammer gericht ausführt, nicht Stil oder Auffllhrungsschwierigkeit, auch nicht die Ausdehnung der Bearbeitung, vielmehr wäre entschei dend der Gesamtumfang des Werkes, nach dem zu ermessen wäre, ob viel oder weniger aus ihm enMommen ist, und erst recht nicht das Umfangsverhältnis zu dem Werk, in welches die Übernahme geschieht. 1294 IV. Verbot einer noch nicht veröffentlichten Druckschrift? Die Frage, ob eine in der Herstellung befindliche Schrift ver boten werden kann, ist am 6. Juli 1916 vom Reichsgericht ver neint worden. Das Reichsgericht führte dabei, wie wir der Mitteilung eines Kollegen verdanken, folgendes aus: »Es mag richtig sein, daß, wie das Berufungsgericht annimmt, das an die Klägerin gerichtete Schreiben, sowie das Rundschreiben und die darin mitgeteilten Kapitelüberschriften es in hohem Grade wahr scheinlich machen, daß der Inhalt der erst in der Vorbereitung begriffenen Rechtfertigungsschrift die Ehre der Klägerin und ihrer Eltern schwer verletzen wird. Solange aber der Inhalt nicht im einzelnen seststeht, läßt sich eine dahingehende Feststellung nicht treffen, insbesondere nicht eine Feststellung, daß ein rechts widriger Eingriff in ein vom Gesetz geschütztes Rcchtsgut zu be fürchten ist. Das von der Klägerin verlangte und vom Berufungsgericht ausgesprochene Verbot läuft im Endergebnis darauf hinaus, daß dem Beklagten allgemein verboten wird, die Klägerin und ihre Ellern in Zukunft zu beleidigen, während, wenn jemand einer Ehrverletzung sich schuldig gemacht hat, er unter den son stigen Voraussetzungen der llnterlassungsklage nur verurteilt werden kann, diese Ehrverletzung künftig zu unterlassen; eine allgemeine Verurteilung zur Unterlassung anderer, wenn auch sachlich ähnlich gearteter Ehrverletzungen ist unzulässig. Hiernach ist auch ein Verbot der Veröffentlichung, Verbreitung und Mit teilung des — völlig unbekannten — Inhalts der Rechtferti gungsschrift ausgeschlossen. Endlich kann aber auch eine Mit teilung des Inhalts des Rundschreibens an dritte Personen, d. h. eine Mitteilung des Beklagten an einzelne Personen, daß er eine Schrift des in dem Rundschreiben angegebenen Inhalts erscheinen lassen werde, dem Beklagten nicht verboten werden; denn eine solche Mitteilung allein enthält keine unerlaubte Handlung.« Ein grundsätzliches Verbot der Verbreitung von Druckschrif ten gibt es also überhaupt nicht — abgesehen von Fällen unter dem Kriegszustand, auf die wir hier nicht einzugehen brauchen. Alle Verbote beziehen sich immer aus besondere Fälle und be sondere Veranlassungen, ja, es sind bekanntlich auch die Fälle der Strafbarkeit des Inhalts einer Druckschrift, in denen eine Beschlagnahme verfügt werden kann, im Reichspretzgesetz mit Namen aufgeführt, und es ist für den Verlag ganz allgemein von Interesse, daß, wie jetzt geschehen, das Reichsgericht aus drücklich feststellt, nicht einmal die hochgradige Wahrscheinlichkeit, daß eine Druckschrift eine Beleidigung enthalte, sei ausreichend für ein vorzeitiges Verbot. Jeder darf unter gewöhnlichen Um ständen drucken lassen, was er will, und erst, wenn die fertig gestellte Druckschrift den strafrechtlich angreifbaren Tatbestand enthält, kann dagegen von interessierter Seite vorgegangen werden. Darin mag in manchen Fällen gewiß ein übelstand liegen. Es ist gewiß schon mancher auf diese Weise durch Verleumdung geschädigt worden, ehe er Zeit und Gelegenheit fand, den In halt der betreffenden Druckschrift zu widerlegen und ihre Wir- kung zu beseitigen. Indessen stehen auch hier auf der andern Seite wichtige Interessen dessen in Frage, der durch Wort und Schrift sich eines Unrechts erwehren oder gegen ein Unrecht ankämpfen will, und diese Rücksichten sind ausschlaggebend ge wesen bei der Regelung der preßrechtlichen Bestimmungen, nach denen man eben eine solche Angriffsschrift erst im vollen Wort laut kennen lernen will, ehe man dem Schreiber verbietet, die darin begangene gesetzwidrige Handlung zu wiederholen, und ehe man ihn strafrechtlich oder zivilrechtlich zur Ver antwortung zieht. Kurzum: Wer sich des Wortes bedient, hat dafür einzustehen, was er sagt; man kann ihm nicht den Mund zuhalten, wenn er im Begriff steht, einen Gegner anzugreifen.