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4394 Nichtamtlicher Theil. ^ 251, 29, Oktober. einzelnen Falle nicht anders verfahren, und wenn er Geld zu legen muß. Vermehren sich aber diese Fälle, wie es den Anschein hat, und geschieht nichts von den kompetenten Faktoren gegen diese Schleuderei, so bleibt auch dem Sortimenter, der sich seither möglichst an den Ladenpreis gehalten oder in dringenden Fällen einen Rabatt von 10U gegeben hat, nichts mehr übrig, als ebenfalls unter die Schleuderer zu gehen. Dann gibt es ein allgemeines Ringen um billige Lieserung, der mittlere Sortimenter wird verschwinden, es entstehen Groß buchhandlungen oder große moderne Antiquariate, und neben diesen Geschäfte, die den täglichen Bedarf des Publicnms an Schul- und Gebetbüchern :c. zu decken suchen und ein kümmerliches Dasein fristen werden. Was dem Buchhandel durch eine solche Umwandlung an seiner heutigen Bedeutung verloren geht, ist in diesen Blättern von berufenerer Hand schon ausgeführt; ich erlaube mir nur noch auf die Rückwirkung hinzuweisen, die eine solche Umwandlung des Sorti ments auf den Verlagshandel ausüben dürste. Es wird bei einer solchen Umgestaltung des Sortiments der Verleger, auf welchen der zukünftige Großhändler nicht angewiesen ist, in ein Abhängigkeitsverhältniß zu dem Wiederverkäufer ge bracht werden, dessen Wirkungen nicht abzusehen sind. Der Verlag dürfte sich dann in einem weit stärkeren Maße wie heute oder nur in den Händen des Großkapitals concentriren. Sollte das auch im Zuge der Zeit liegen? Wenn dies der Fall wäre, könnte man Wohl auch die Frage auswerfen, ob diese Concentrirung nicht eine Etappe zum Monopol wäre oder zu dem socialdemokratischen Zukunstsstaat, wo Jeder nach dem „vernunft gemäßen Bedürfniß" beschäftigt und belohnt wird. Wir wollen aus praktischem Boden bleiben und uns fragen, ob wir denn nicht im Stande sind, dem Umwandlungsprozeß, in dessen Anfangsstadien wir uns zweifellos befinden, mit Erfolg ent gegenzutreten. Wir sind es, wenn sich das Bewußtsein Bahn bricht, daß es sich hier nicht um Fragen handelt, die von heute aus morgen ent schieden werden können, sondern um eine ernste Arbeit, um Opfer, die man zunächst der Allgemeinheit bringt, die aber auch dem Ein zelnen zu gut kommen. Bisher haben wir den großen Fehler gemacht, daß wir uns dann erst zur Bekämpfung eines gemeinschaftlichen Thuns ausge- rafst haben, wenn man sich persönlich betroffen oder eingeschränkt fühlte. Jeder wollte „seinen Fall" behandelt haben. Durch das Vereinsleben ist hierin eine Besserung eingetreten. Man ist sich bewußt geworden, daß das persönlich Wünschenswerthe hinter dem gemeinschaftlich zu erstrebenden Ziele Zurückbleiben muß. Dieser gewiß segensreiche Gemeingeist aber ist noch nicht in dem Maße im Buchhandel verbreitet, wie er es verdiente. Es gibt noch zu viele Berufsgenossen, die ruhig die Hände in den Schoß legen und alles der Zeit überlassen. Möchte dies besser werden! Und wenn die Anregungen zur Reform des Börsenvereins nichts Weiteres zu Stande gebracht hätten, als die Förderung des Gemeingeistes unserer Berussge- nossen, so wäre das allein schon ein verdienstvolles Werk, Aber wir wollen mehr, und selbst auf die Gefahr hin, von dem Hrn, I, B— r, zu Denen gerechnet zu werden, die glauben, ein bischen Re formator sein zu können, lasse ich die Ansicht nicht schwinden, daß die Reform des Börsenvereins auch ein Weg und ein sehr sicherer Weg ist zur Besserung unserer Verhältnisse, Es ist ganz falsch, anzunehmen, daß wir uns in einem Gegen satz zu den Interessen des Verlegers befinden. Wir halten aller dings den Verleger, resp, die Verlegervereine für einen der wesent lichsten Faktoren, welche die Bestrebungen nach möglichst gleichmä ßigen Usancen für den Buchhandel zu fördern in der Lage sind. Wir wollen ihm keinerlei Beschränkung über die Verfügung seines Eigen- thums auferlegen, wir wollen von ihm nur eine Bekämpfung der Schleuderei und die Förderung des direkten Verkehrs, Wir wollen dies aber nicht ohne Gegenleistung, Wie wir von dem Verleger ein möglichstes Anpassen an die modernen Verkehrsverhältnisse zu wünschen berechtigt sind, so halten wir auch die Forderung des Ver legers nach kürzeren Zahlungsterminen der fest bezogenen Bücher in Rücksicht auf den kaufmännischen Credit für durchaus in der Ordnung, Seitdem der Sortimenter seinen Bedarf wählt, sich unter Um ständen also gar nicht für ein Verlagswerk interessirt, ist auch der Verleger völlig im Recht, sich nach Anrufen des Sortimentshandels alle diejenigen Wege zu wählen, welche er zur Verwerthung feines Eigenthums für gut findet. Es ist aber doch wohl die Regel, daß der Verleger bereit willige Unterstützung von Seiten der Sortimenter findet, und für diese Regel, für den regelmäßigen Verkehr wünschen wir Usancen aufge stellt, die der Schleuderei gehörigen Einhalt thun. Die Kreisvereine werden den Forderungen der Verleger gern entgegenkommen, wenn auch sie berechtigten Wünschen in dem Verkehr mit den Sortimentern Rechnung tragen. Warum sollten beispielsweise die Kreisvereine nicht in der Lage sein, unter ihren Mitgliedern für pünktliche Be folgung der Verlegervorschriften zu sorgen, — warum sollten sie durch Gründung von Vereins-Sortimenten dem Verleger nicht eine Garantie bieten können, die er jetzt in gleichem Maße nicht hat und bei der Weiterentwicklung unserer jetzigen Verhältnisse immer weni ger haben wird? Und wenn uns entgegnet wird, erst müsse eine Enquete veran staltet werden über die wirkliche in Zahlen auszudrückende Bedeutung der Schleuderei, so möchte ich nur bemerken, daß es auf die Summen gar nicht ankommt, sondern daß der Schwerpunkt der Schädigung allein schon in dem Angebot liegt. An dem oben angeführten Angebot, das demnächst erscheinende neue Werk „Hacckel, System der Medusen" mit 20U Rabatt liefern zu wollen, ist uns ein Beispiel gegeben, wohin die Schleuderei führt. Wird der betreffende Sortimenter von dem Verleger wirklich in Stand gesetzt, zu diesem Rabatt das neue Buch zu liefern, so werden alle die Bibliotheken, denen dies Angebot gemacht worden ist — und es wird wohl überall gemacht worden sein — ihre seit herigen Bezugsquellen fragen, wie das möglich sei und warum sie nicht denselben Rabatt bieten können. Vielleicht Hilst noch einmal die schon oft gemachte Auseinander setzung, daß dies nur ein vereinzelter Fall sei, daß der Betreffende offenbar nicht rechnen könne und Anderes mehr, Wahrscheinlich Hilst sie aber nicht. Habe ich doch schon, der ich kein Schleuder» war und bin, dem betreffenden Bibliothekar erklärt: wenn man das Werk wirklich so liefern sollte, liefere ich es ebenso, und wenn ich Geld zulegcn muß. Wenn nun diesem Unwesen nicht gesteuert wird, werden wir nicht Alle aus die Bahn der Schleuderei gedrängt? Werden wir nicht Alle genöthigt werden, »och über die 10H>, die schon allerwärts üblich sind, hinauszugehen? Und dann rechne man aus, wieviel Sortimenter bei einem Rabatt von mehr als 10U an das Publicum überhaupt noch be stehen können. Mit der Ausdehnung der Schleuderei sinkt die Creditfähigkeit des Gros der Sortimenter, Mancher, der noch in dem einen Jahre aus der Liste der vereinigten Verlegervercine gestanden hat, wird in dem anderen Jahre seinen Verpflichtungen nicht mehr Nachkommen ^ können, — Liegt es da nicht im Interesse der Verleger und der