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247, 24. Oktober 1910. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblatt f. d. Dkschn. Buchhandel. 12609 Anfang nächsten Monats wird erscheinen: Blätter vom Lebensbaum von Ernst von Wildenbruch Gesammelte Aufsätze Mit einem Vorwort herausgegeben von Berthold Litzmann und mit einem Bildnis in Kupferdruck. Buchausstattung von Lugo Steiner-Prag IX, 484 Seiten. Groß-Oktav. Brosch. 6 M., geb. 7.50 M. letzte Gabe, die Ernst von Wildcnbruch seinem Volk bestimmt hatte, wird in dieser Sammlung ge- boten: den im Laufe von dreißig Jahren in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichten bedeutsamen Äußerungen des Dichters zu den verschiedensten ihn und sein Volk bewegenden und erregenden Fragen. Er selbst hat sie vorbereitet. Die letzte sichtende Land daran zu legen, verwehrte ihm das Schicksal. Seine Witwe und Professor Berthold Litzmann sind in gemeinsamer Arbeit bemüht gewesen, sein Ver mächtnis zu erfüllen. „Blätter vom Lebensbaum" — diesen Namen hat er noch geprägt — sind es, also nicht herbstlich fallendes Laub, das von erlöschendem Leben Kunde gibt, sondern starke, aus den tiefsten und saftrcichstcn Wurzeln und Zweigen zum Licht drängende Triebe, die genau so wie die Früchte dieses Baumes, seine Dichtungen, von rastlos treibender Lebens- und Schöpferkraft zeugen. Die Geschlossenheit und zugleich Mannigfaltigkeit dieser Lebcnsäußerungcn aus drei Jahrzehnten — hier zum ersten Male als ein Ganzes überschaubar, wird vielen, wenn nicht den meisten Ernst von Wildenbruchs Persönlichkeit von einer ganz neuen Seite, ja geradezu von einer höheren Bedeutung erscheinen lassen. Was Wildenbruch als Dichter war, das haben wir ja wohl alle mehr oder minder deutlich empfunden und zu würdigen gewußt. Doch was er als Charakter, als Mann und Mensch für sein Volk und seine Zeit genossen, für seine Freunde und seine Gegner bedeutete, welch ein Schatz und Schutz das Dasein dieser treuen tapferen, unerschrockenen Persönlichkeit an sich für das deutsche Volk und seine Fürsten in diesem Zeit alter war und welch unersetzlichen Verlust alles, was Deutsch sich nennt, durch seinen Leimgang erlitten hat, das wird vielleicht vielen mit ehrfürchtigem Schauern erst zum klaren Bewußtsein kommen, wenn sie ihn aus diesen Blättern kennen lernen. Nicht allen wird alles gefallen, das soll es auch nicht und braucht es nicht. Auch da er lebte, war er Freunden und Gegnern nicht immer bequem, nicht immer genehm. Aber wer diese Sammlung mit Aufmerksamkeit liest, dem wird Eines sich unauslöschlich in die Seele graben: Lier spricht die Stimme eines Menschen, auf den wie auf keinen Zweiten das wundervolle, leider durch Tagesnachgcschwätz zu Tode gehetzte Bismarckwort geprägt erscheint: Einer, „der Gott fürchtet nnd sonst nichts auf der Welt". Vom ersten Augenblick bis zum letzten, von den ersten ästhetisch-kritischen Waffengängen, die noch mit leichter Rüstung gefochten werden, an, bis zu den wuchtigen Schwert- und Keulenschlägen des Mannes zornes, den dröhnenden, warnenden Not- und Sturmsignalen des Wächters auf der hohen Zinne in den letzten anderthalb Jahrzehnten, immer — mag es sich um ästhetische oder politische Fragen handeln — immer fühlt man das Eine: Lier spricht nicht die Stimme und die Stimmung eines Einzelnen, das was hier spricht, ist das deutsche Gewissen. Das war in Ernst von Wildenbruch verkörpert. And daß es mit seinem Tode verstummt ist, das haben wir in den noch nicht zwei Jahren, die seitdem verflossen sind, mehr als einmal schmerzlich empfunden. Mehr als einmal klang seitdem laut und leise die Frage und die Klage: „Ist kein Wildenbruch da?" Am so höher werden wir den Schah von deutscher Mannhaftigkeit und Furchtlosigkeit werten, der uns aufbewahrt ist in den Zeugnissen seines Lebens, in den Blättern seines Lebensbaumes, wie sie uns aus diesen Seiten entgegenwachsen. (Aus dem Vorwort von Berthold Litzmann) Wir bitten um baldige Aufgabe Ihrer Bestellung. G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung in Berlin