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Börsenblatt s. d. deutschen Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 3241 tPräsldc»».) Derselbe lautet: Der Reichstag wolle beschließen: im § 19 zwischen der Nr. 2 und der Nr. 3 nachstehende neue Nr. 2rr hinzuzufllgen: 2rr) wenn einzelne Gedichte nach dem Erscheinen in eine Sammlung ausgenommen werden, die Werke einer größeren Zahl von Schriftstellern vereinigt und ihrer Beschaffenheit nach zur Benutzung bei Gcsangsvorträgcn bestimmt ist. Das Wort zu § 11 hat der Herr Abgeordnete Richter. Richter, Abgeordneter: Meine Herren, ich stehe vollständig auf dem Standpunkte des Herrn Vorredners; ich kann jedes Wort, was er gesprochen hat, unterschreiben. Gegenüber der allgemeinen Bemerkung des Herrn Referenten bin auch ich der Ansicht, daß jeder Schrifsteller und jeder Komponist seines Lohnes wert ist; ich habe aber auch die Interessen der Allgemeinheit mahrzunehmen, und bin der Ansicht, daß die Kommission und der Gesetzentwurf allzu sehr nur die Interessen der Komponisten ins Auge gefaßt hat und zu wenig das allgemeine Interesse des musikliebenden Publikums. (Sehr richtig! links.) Ich bin deshalb der Ansicht, daß der Gesetzentwurf, wenn er so zu stände käme, dann keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung des gegenwärtigen Zustandes herbeiführcn würde. Der Antrag des Herrn Abgeordneten Rintelen faßt sogleich die Hauptsache des ganzen Gesetzentwurfs ins Auge: das ist die Bestimmung, wonach künftig öffentliche Aufführungen zu gewerblichen Zwecken an die Genehmigung des Komponisten geknüpft sein sollen. Meine Herren, das jetzige Recht besteht darin, daß keine Genehmigung erforderlich ist, wenn nicht ausdrücklich auf den Noten ein Vorbehalt dieserhalb gemacht ist. Nun vermisse ich im Entwurf und vermisse im ^ Kommissionsberichte den Nachweis, daß Recht, um so mehr, als auch in der Denkschrift der Komponisten ausgcführt wird, daß gerade in Deutschland sich das Musikleben viel reicher und vielseitiger gestaltet hat als in denjenigen Ländern, nach deren Muster man jetzt Einschränkungen ein- sühren will. gewerblichen Zweck platzgreift, an die Genehmigung des Komponisten geknüpft sein, also auch der Vortrag jedes Liedes, der einfachste Musikvortrag. Da behaupte ich mit dem Vorredner, daß ein Verbreitung ihrer Tonwerke in dieser Weise zu erschweren. (Sehr wahr! links.) Der Kreis, der Interesse daran hat, sind gewisse Musiker, die schon einen Ruf besitzen, und die ohnedies sicher sind, einen Verleger erhalten, der ihnen einen erheblichen Gewinn zu sichert, haben zunächst das Interesse, ihre ersten Tonwerke so be kannt wie möglich zu machen, und selbst wenn sie für den Druck der Noten noch etwas zuschießen müssen. (Sehr richtig, links.) So ist die Sachlage. Nun frage ick Sie aber: wenn eine solche Bestimmung generell getroffen wird, daß man in jedem kleinsten Orte, in jeder Gast wirtschaft, in jedem Vereine, wo man irgend ein Eintrittsgeld oder dergleichen erhebt, für die Ausführung von dem Komponisten, dessen Werk auf dem Programme steht, speziell eine Genehmigung einholen muß, wie ist das überhaupt ausführbar? Erst muß man doch wissen: wo wohnt der Komponist? ist der Komponist be rechtigt, oder ist sein Verleger berechtigt? Erst muß inan wissen: ist das Tonwerk noch geschützt, oder ist es gemeinfrei? Es ist eine gewisse Zeit nach dem Tode des Komponisten gemcinfrei. Da muß man doch wieder wissen: wann ist er gestorben? ist die Zeit abgelaufen, während deren nach seinem Tode noch eine Schutz frist platzgreift? Wenn man nun wirklich weiß, an wen man sick zu wenden hat, dann entsteht die Frage: erhebt der Mann eine Gebühr? Sodann entsteht die Frage: einigt man sich über einen Betrag für die Erlangung der Genehmigung? Solche Umstände stehen nicht im Verhältnis zu dem Wert der Sache. Es wird dies zur Folge haben, daß man in viel größerem Maße als bisher sich der Aufführung gemeinfreier Stücke zuwendet und namentlich die jüngeren Komponisten ganz außer Betracht läßt. Nun wird uns — das hat auch der Herr Vorredner betont — gesagt: es wird ein großer Verein der Musiker und Komponisten gebildet; dieser nimmt die ganze Sache in die Hand. Also unge fähr nach dem Muster des Kohlenringes und Spiritus- ringcs würden wir hier einen großen »Musik-Ring« beschert bekommen, der womöglich über alle Kompositionen und deren Verwertung verfügt, und mit dem man sich ins Einvernehmen zu Ach.'uvdstckPgster Jahrgang. setzen hat! Man beruft sich auf das französische Muster, auf eine solche Anstalt in Frankreich. Aber selbst die Denkschrift der Kom ponisten zerstört jeden Wert dieser Berufung, indem sie sagt, daß in Frankreich die musikalischen Veranstaltungen im großen und ganzen auf wenige Orte im Lande beschränkt sind, während in Deutschland eben das Musikleben vielseitiger und viel reicher sei. Bei der Centralisation auch des Musiklebens in Frankreich kann ein solcher Musikring eher dazu kommen, praktischer durchgeführt zu werden, als in Deutschland, wenn er überhaupt durchführ bar ist. Nun geben die Herren in der Denkschrift selbst zu. daß der Nutzen für die Komponisten in Frankreich sehr zweifelhaft ist, weil, wie cs in der Natur der Sache liegt, ganz außerordentlich hohe Verwaltungskosten entstehen für die Agenten, die man überall haben muß, um die Aufführungen zu überwachen, die Entschädi gungen einzukassiercn, um alle die Schreibereien zu vermitteln, die Derartiges eben mit sich bringt. Prozesse können dabei natür lich auch nicht ausbleiben. Es wird außerdem angeführt — und das finde ich auch ganz natürlich —, daß in Frankreich dieses große Centralinstitut unter der Herrschaft von Geschäftsleuten steht oder von solchen, die wesentlich Anhänger der leichteren Unter haltungsmusik sind. Das ist auch natürlich, weil bei der leichteren, unterhaltenderen Musik noch eher Geld einkommt als bei der ernsten Musik. Die Herren Komponisten, die das empfohlen haben, sind Vertreter wesentlich der ernsten Musik, bedeutende Kom ponisten; aber sie unterschätzen eben aus dem Grunde die eigentlich vorzugsweise populäre Musik, die leichtere Musik, an der das Volk, wenn es auch bei den Künstlern anders ist, ein viel größeres, allgemeineres Interesse hat. Nun sagen die Herren in der Denkschrift: wir wollen nicht das französische Muster nackahmen, sondern ein besonderes deut sches Institut schaffen mit Rücksicht auf die deutschen Eigentümlich keiten, und das soll darin bestehen, daß wir nicht, wie in Frank reich, die Ausführungsgebühr abhängig machen von den einzelnen Programmnummern der Aufführung, von den aufgeführten Kom ponisten, den Tonwerken, sondern daß wir mit jedem Vereine, mir jedem Veranstalter von Musik uns über ein Jahrespauschquantum ins Einvernehmen setzen; wir wollen also die Gebühren pauscha lier im voraus regeln. Ja, ineine Herren, das Pauschquantum kann doch auch nur immer wieder berechnet werden auf Grund der Musikprogramme, und wie will man das im voraus auf ein ganzes Jahr festsetzen? Die Herren beruhigen uns: wenn sie den Ring gebildet hätten, würden sie es bei den meisten Vereinen sehr billig machen, 3 bis 5 Mark, dagegen könnte jeder Verein alles aufführen von den Mitgliedern, die dem Ring angehören. Meine Herren, haben die Herren denn ein praktisches Ver ständnis dafür, was es in Deutschland heißen will, im ganzen Deutschen Reiche Beiträge von 3 oder 5 Mark einzukassieren? Das erheischt Mühe, Umstände, Kosten, worüber, glaube ich, jeder Centralverein in Deutschland seine besonderen Erfahrungen zu machen Gelegenheit hatte. (Sehr richtig! links.) Und wenn das sich wirklich nur auf 3 oder 5 Mark beläuft, so ist es wahrlich der ganzen Sache nicht wert: dann würden die lOOOO Gesang vereine, die in Deutschland bestehen, wenn sie selbst 5 Mark be zahlen sollen, nur 50 000 Mark einbringen. Dann würde ich doch lieber 50 000 Mark aus der Reichskasse nehmen, um sich diese ganze Geschichte zu ersparen (sehr gut! links), als hcrumzugehen bei den 10 000 Gesangvereinen, um 3 bis 5 Mark jährlich ein zukassieren. Cs muß also einen anderen finanziellen Hintergrund haben; man wird weit höhere Beiträge von den größeren Aufführungen erheben — und da entsteht genau die Schwierigkeit, wie in Frankreich. Wie soll das berechnet werden? wie soll es den einzelnen Programmnummcrn der Aufführung angesehen werden, ob die Komponisten noch leben, ob sie geschützt, ob sie gemeinfrei sind? und wie viel trägt die Aufführung zu dem Ertrage der ganzen Aufführung bei? Nun kommt die andere Frage: wenn nun wirklich eine Ein nahme erzielt ist — wie verteilt man sie auf die einzelnen Komponisten? In dieser Beziehung soll kein Pauschalsystem herrschen, sondern man sagt: das Centralbureau wird die einzelnen ihren Stücken statistisch zusammenstellen, sie abschätzen und danach ihnen den Anteil an dem Gesamterträge geben. Denken Sie die Fülle von Streitigkeiten, die nun entsteht zwischen dem Ccntral- bureau und den Komponisten darüber, was jeder wert ist, und wie viel ein jeder am Gesamterträge Anspruch hat. Nein, meine Herren, das sind keine praktischen Männer, die diese Vorschläge machen. (Sehr richtig! links.) Man sagt wohl sonst, es sind gute Menschen, aber schlechte Musikanten. (Heiterkeit.) In diesem Falle sagen wir: es sind gute Musikanten, aber unprak tische Männer. (Sehr richtig! links.) Das ist der ganze Hinter grund dieser Gesetzgebung; denn wenn man die Herren fragt, 423