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Börsenblatt f. d. deutschen Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 324 (I)r. Nieverding.) einem Honorar berechtigt, auch wenn er einen Vorbehalt nicht gemacht hat. Ich glaube, es kann gar kein Zweifel darüber be stehen. daß die übergroße Mehrzahl der Verleger und Komponisten in diesem Punkte einverstanden ist trotz der entgegenstehenden Interessen, die sie zuweilen vertreten, und daß, indem wir den Satz des Entwurfs aufstellen, wir sowohl den Wünschen der Komponisten, als auch denjenigen der Verleger entgegenkommen. Die Stellung unserer Künstlerwelt auf musikalischem Gebiete hat sich in den letzten drei Dezennien ganz außerordentlich ent wickelt; die Künstler sind an Selbstbewußtsein gewachsen, was ihnen früher zum Teil ganz fehlte, und dieses Selbstbewußtsein ist gestärkt an dem Beispiel, das ihnen die Autoren anderer Nationen gegeben haben. Sie haben gesehen, daß in anderen Nationen die Gesetzgebung den Künstlern ohne weiteres, wenn sie ihre Werke veröffentlicht haben, auch Anspruch auf Honorar zubilligt; sie haben sich die Frage vorgelegt: weshalb sollen wir in Deutschland schlechter stehen als unsere Kameraden im Auslande? Sie haben sich auch gefragt: weshalb sollen wir in Deutschland als Kom ponisten schlechter stehen als die Autoren litterarischer, zur öffent lichen Aufführung bestimmter Werke? Auch ein Dramatiker be kommt sein Werk bezahlt vom Verleger; dessen ungeachtet wird niemand die Prätension aufstellen wollen, daß die Gesetzgebung zu dem Standpunkte zurückkehren sollte, wonach alle Aufführungen dramatischer Werke nun frei sein sollen. MitRecht wirft derKomponist die Frage auf: weshalb sollen wir bezüglich unserer Kompositionen schlechter stehen als der Autor, der eine, wenn auch nur kleine, dramatische Arbeit veröffentlicht und ohne weiteres Schutz genießt, Anspruch auf Honorar hat, sobald eine öffentliche Aufführung stattfindet. Dies ist der Standpunkt, auf dem die Gesetzgebung in Frank reich, Italien und Belgien steht, und dies ist der Standpunkt — was schon der Herr Abgeordnete Müller hervorgehoben hat —, auf den die internationale Entwicklung mehr und mehr hindrängt, wie sie auf dem Pariser Kongreß 1896 hervorgetreten ist, als damals in den Verhandlungen der lebhafte Wunsch ausgesprochen wurde, die Gesetzgebung der einzelnen Staaten möge nun den Weg beschreiten, den die Gesetzgebung Frankreichs, Italiens und Belgiens beschritten hatte, und das Honorar der Komponisten gegenüber den öffentlichen Aufführungen unabhängig machen von dem Vorbehalt. Solchen Anregungen in den internationalen Be ziehungen haben wir eine gewisse Pflicht, Rechnung zu tragen, wenn wir, worauf wir doch einen großen Wert legen müssen, an der Führung in diesen internationalen Verhandlungen beteiligt bleiben wollen! (Sehr richtig!) Auf welchen Standpunkt kommen wir, wenn wir an derartigen internationalen Erörterungen sym pathisch teilnehmen und dann zu Hause Gesetze machen, die mit den Anschauungen, welche auf solchen internationalen Tagen ver treten wurden, in geradem Widerspruche stehen! (Sehr richtig! rechts.) Ich glaube deshalb, man darf sagen — und darin hat der Herr Abgeordnete Müller nach meiner Meinung das richtige Wort ausgesprochen —, nicht nur in denjenigen Staaten, die jetzt die Führung auf diesem Gebiete haben, besteht ein Recht, wie wir es bei uns einführen wollen, sondern in naher Zukunft wird dieses Recht auch in den übrigen Kulturstaaten Europas seine Stelle einnehmen. Nun ist der Herr Abgeordnete Richter auf die Frage ge kommen, wessen Interesse durch eine Bestimmung, wie wir sie hier vorschlagen, hauptsächlich gedient werde, und er hat sie zu meiner Ueberraschung dahin beantwortet, dem Interesse der großen Autoren, der angesehenen Komponisten werde dadurch entsprochen. Nein, das ist nicht richtig. Ich begreife nicht, wie der Herr Redner zu dieser Auffassung gelangt. Die großen Autoren, die an und für sich Ansehen in der musikalischen Welt genießen, brauchen ein Gesetz nach Art unseres Entwurfes gar nicht; die kommen mit ihrem Vorbehalt aus und können alle ihre Werke unterbringen, auch wenn der Vorbehalt darauf steht. Aber die kleinen, die jungen Komponisten, die Heranwachsenden Talente sind nicht in der Lage, gegenüber der Oeffentlichkeit, dem Verlegerstande, dem Stande der Konzertunternehmer mit ihren Werken durchzudringen, wenn darauf der Vorbehalt gesetzt werden soll; die sind genötigt, ihre Werke preiszugeben, und würden sonst, worauf doch jeder Künstler allerdings vor allem Wert legt, zur Oeffentlichkeit nicht gelangen können. Diese werden geschützt, wenn, wie im Entwurf allgemein statuiert wird, jeder Künstler einen Anspruch darauf hat, daß ihm ein Honorar gezahlt wird, sobald sein Werk öffentlich aufgeführt wird, auch wenn kein dahingehender Vorbehalt auf dem Werke gemacht wird. Sodann muß ich weiter fragen: wessen Interesse wird denn bei dem geltenden Gesetz gedient? für wen wirkt das Recht, wie es jetzt besteht? — und dagegen: zu wessen Gunsten wird das Recht wirken, wie es unser Entwurf hergestellt zu sehen wünscht? Gegenwärtig kommt der Mangel des Vorbehalts an Werken junger Komponisten, die nicht in der Lage sind, gegenüber ihren Heraus- Achtundsechzlgster Jahrgang. gebern den Vorbehalt zu erzwingen, wesentlich den Unternehmern von Konzerten zu statten. Für das Publikum ist es gleichgiltig. das zahlt kein größeres Eintrittsgeld bei Werken, die geschützt, als bei Werken, die frei sind. Aber für den gewerblichen Unternehmer von Konzerten ist cs keineswegs einerlei: er muß dem Komponisten er es nicht. Unter dem jetzigen Rechte steht die große Masse der Komponisten den Konzertunternehmern gegenüber wehrlos da. Wir wollen ihnen eine Waffe in die Hand geben, daß sie den ihnen gebührenden Anteil an den Ausführungen^erhalten können. UM Sie scheu zu machen gegenüber den Bestimmungen d^s Ent wurfs; in der Praxis werden sich die Dinge sehr einfach gestalten, in der Praxis wird das Bedürfnis von selbst zu den hier aus helfenden Organisationen führen, gerade wie das in anderen Komponisten und für die Unternehmer dabei entstanden wären. Ich gehe dabei auf die Frage der deutschen Anstalt für die Kom ponisten nicht ein; der Herr Abgeordnete Nintelen hat diese Sach? mit Recht einstweilen noch als Zukunftsmusik bezeichnet. Auch ohne diese Anstalt wird das Gesetz leben und wirken können ohne erhebliche Schwierigkeiten; denn sehr bald werden zu den Agenturen, die wir jetzt schon auf diesem Gebiete haben, Konzertagcnturcn und ähnliche, die als Vermittler sich anbieten, neue Stellen hinzu kommen, die über alle Fragen leicht erreichbare Auskunft geben. werden können, die nach dem Gesetz dem Komponisten gebühren. Nach dieser Richtung, glaube ich, brauchen wir uns keinen Be sorgnissen hinzugeben; es liegen nirgendwo in der Welt Er fahrungen vor, welche solche Besorgnisse begründen können. Meine Herren, wir haben an dem Gesetzentwurf drei Jahre gearbeitet, wir haben Sachverständige aus allen Kreisen gehört, wir haben einen ersten Entwurf und einen zweiten Entwurf der Oeffentlichkeit zur Kritik übergeben: nach dieser Richtung hin sind uns niemals ernste Bedenken cntgegengetreten; im Gegenteil, die Bestimmungen, die wir vorgeschlagen haben, haben, glaube ich, in der öffentlichen Meinung einen freundlichen Wiederhall gefunden, und ich glaube, Sie handeln nicht gegen das Interesse der Allgemeinheit, wohl aber für das Interesse der Komponisten, wenn Sie die an- gefochtene Bestimmung annehmen. Tragen Sie kein Bedenken, dies zu thun. (Bravo! rechts.) Traeger, Abgeordneter: Meine Herren, ich werde mich dem verbündeten § 27 zuwenden, da ich meine, daß die übrige Materie hinreichend erschöpft ist. Ich kann nur sagen, daß ich all dem, was gegen den Antrag Rintelen ausgeführt ist, vollkommen zu stimme und namentlich darauf aufmerksam mache, was der Herr- Staatssekretär schon gethan hat, daß er einen Bruch mit dem Prinzip des vorliegenden Gesetzes bedeuten würde. Der Antrag Rintelen ist nichts weiter, als eine Reproduktion des ß 50 des Gesetzes vom 11. Juni 1870 und paßt hier nicht hinein, weil das Prinzip ein verschiedenes ist. Dagegen gehören allerdings die beiden Paragraphen, die wir jetzt behandeln, zusammen, weil sie auf einem Prinzip beruhen, und weil sie eine von den Stellen sind, auf denen sich die beiden Anschauungen, welcye über das geistige Eigentum landläufig sind, begegnen. Giebt es doch auch noch heute keine einheitliche Anschauung, keinen einheitlichen Be griff für das geistige Eigentum,^ sondern, wie ich^ schon sagte, nach griffe, die hier entwickelt werden sollen, sondern es ist das Be mühen, den idealen Standpunkt mit dem realen zu versöhnen. Es ist vielleicht ^ein Kompliment für ^die deutsche Nation und jenigen ist, die im Besitze des geistigen Eigentums sich befinden. Es giebt Leute, die meinen, daß eigentlich die geistig Schaffenden, Dichter, Musiker, die Sache gar nicht für sich behalten und ver werten dürften, sondern daß die Nation, das Volk, gerechten An- 424