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1406 Nichtamtlicher Thcil. ^ 86. 15. April. Nichtamtlicher Thetl. Erfahrungen über Holzpapier. Während in diesem Blatte oft genug Streitigkeiten zwischen Buchhändlern vor die Oeffentlichkeit gezogen werden, während fast jede Woche einen neuen Vorschlag zur Reform des deutschen Buch handels bringt, ist cs auffallend, daß sich noch keine Stimme er hoben hat, um einen Krebsschaden des heutigen Buchhandels zu erwähnen und zur gemeinschaftlichen Bekämpfung des Feindes, welcher denselben verursacht, aufzusordern. Ich meine die Papier- fabrikantcn und das von ihnen seit ca. 10 Jahren in den Handel gebrachte mit Holzstoff versetzte Papier. Die Remissionsarbeit ist gewiß stets für Verleger und Sor timenter eine unerfreuliche gewesen; sie wird es aber von Jahr zu Jahr mehr, weil das Holzpapier immer mehr zur Herstellung von Büchern verwendet wird. So glaube ich nicht zu hoch zu greifen bei der Annahme, daß wenigstens der dritte Theil aller 1871 in Deutschland erschienenen Bücher auf Holzpapier gedruckt worden ist, und daß Wohl jeder größere Verleger bereits schlimme Erfahrungen mit diesem Papier gemacht hat. Das Holzpapicr, welchem der Fabrikant durch Chemikalien eine schöne weiße Farbe zu geben ver steht, besitzt die Eigenschaft, deß es weder Licht, noch Luft, noch Wärme verträgt. Steht ein auf solches Papier gedrucktes Buch auf dem Sortimentslager, so verlieren nach einiger Zeit die unbe- drnckten Ränder des Papieres ihre weiße Farbe und nehmen eine gelbe, bräunliche oder rothbraune an; besondere Umstände können es veranlassen, daß diese Farbenveränderung sich auch über den bedruckten Theil des Papieres hinzieht. Bei der Remission hat deshalb der Sortimenter jetzt vor allen Dingen jedes Buch darauf hin anzusehen, ob dasselbe auch nur in geringem Grade solche Ränder zeigt, und muß es in diesem Falle, auch wenn er sich noch Absatz verspricht und der Verleger das Disponiren des Buches ge stattet, doch zurückschicken, will er anders den Verleger nicht schä digen. Bei den meisten dieser Bücher wird er sich dagegen nicht erst besinnen, sic zurückzuschicken, weil sie eben schon ganz unver käuflich sind; der Verleger aber, der sie zurückerhält, kann nichts da mit machen, als sie zu maculiren. Er wird vielleicht erst versuchen, sic dem Sortimenter, als haftbar für Commissionsgut, mit der Be merkung: „können nicht zurückgenommen werden, da gänzlich ver dorben" wicderzuschicken. Er hat hierzu aber nach meiner Meinung kein Recht, sondern kann sich wegen des ihm verursachten Schadens nur an seinen Papierhändler halten. Ich habe diese Meinung be reits vor Jahren einem größeren Verleger gegenüber, der uns ein umfangreiches Werk aus diesem Grunde zurückschicken wollte, durch- gesetzt und würde es, schon des Prinzipes wegen, jedem Verleger gegenüber bei solcher Veranlassung auf Klage ankommen lassen. Daß der Aufbewahrungsort in dem angeführten Falle keine Schuld trug, konnten wir dem betreffenden Verleger durch einen ihm remittirten Band beweisen, von dessen beiden in einem Umschlag broschirten Hälften die erste, einige Jahre früher gedruckt als die zweite, ganz iveiß geblieben war, wahrend die letztere durchgehcnds rothbraune Ränder hatte; so kommt es auch bei Jugendschriften und andern illustrirten Büchern vor, daß das Tertpapier verdirbt, das Jllustra- tionspapicr weiß bleibt. Ich will damit keineswegs sagen, daß der Aufbewahrungsort ganz ohne Einfluß sei; im Gegenthcil werden Bücher, die der durch Gas entwickelten Wärme ausgesctzt sind, am meisten zu leiden haben. Daß aber derartiges Papier auch auf der Niederlage verderben kann, erfuhr eine hiesige Buchhandlung bei einem Buche, welches roh in Lagen verschränkt auf der Niederlage stand. Der mittlere Thcil der Bogen war weiß geblieben, die übcrstehendcn Theile hatten die Farbe verändert. Dieser Verleger wußte aber zu seinem Rechte zu kommen, indem er dem Papierhändlcr, bei dem er gutes Papier bestellt hatte, mit cincrEntschädigungsklagedrohteund von derselben auf Ersuchen nur deshalb abstand, weil er das Buch auch so zu einem allerdings bedeutend billigern Preise an Behörden verkaufen konnte; für das Papier hat er dagegen nichts bezahlt — bei einem Bande von 30 Bogen und 3000 Auflage ein Gegenstand. Meine Meinung über das mit Holzstoff versetzte Papier ist die, daß cs nur für Tagesliteratur, politische Zeitungen oder Broschüren von vorübergehendem Interesse verwendet werden kann, zur Her stellung von Büchern dagegen gänzlich ungeeignet ist. Mag der Einkaufspreis auch ein bedeutend billigerer sein, als der von Lumpen papier (obgleich schon auf schweres salinirtes Papier gedruckte Bücher von Verlegern, die gewiß einen hohen Preis bezahlt hatten, verdor ben sind), so wird es doch durch den Procentsatz dessen, was von den damit hcrgestellten Büchern verdirbt, unendlich viel theurer; dies gilt namentlich von allen Büchern, deren Natur es bedingt, daß sie immer auf den Sortimentslagcrn sich befinden, wie Jugcndschriften u. s. w. Der Verleger muß deshalb beim Einkauf des Papieres die Be dingung stellen, daß dasselbe durch den Einfluß von Licht, Luft oder Wärme nicht verändert wird, und den Papierhändlcr für jeden Scha den verantwortlich machen, der ihm durch Nichterfüllung dieser Be dingung erwächst. Der Verleger trägt dagegen dem Sortimenter gegenüber die Verantwortung, und hat dieser das Recht, nicht allein die in Commission erhaltenen, sondern auch die fest bezogenen Bücher, welche durch das dazu verwendete schlechte Papier verdorben sind, dem Verleger zurückzuschicken, der sich wegen des Gesammtschadens eben an den Papierhändlcr zu halten hat. Dies meine Ansicht. Ich wollte diese, Verleger und Sorti menter interesfircnde Frage nur anregen, und würde mich freuen, wenn diese Zeilen sachverständigere Leute veranlaßten, Mittel anzu- geben, wie dem jedenfalls vorhandenen Uebclstande abzuhclfen wäre. Berlin, April 1872. Raimund Mitscher. Miscellen. Notiz für die Herren Kommissionäre. — Sollte es nicht möglich sein, daß sich die Herren Kommissionäre dahin einigten, bei Aufstellung der Zahlungslisten das einheitliche System ein zuführen , in der Pfcnnigcolonne entweder durchgängig U Ngr., oder wirklich Pfennige auszuwcrfen? — Nach dem bis herigen ungleichartigen Verfahren stimmt die Summe der Einnahme liste fast nie mit den von den Herren Commissionären empfangenen Zahlungslisten, sondern es ergibt sich stets eine wenn auch nur un bedeutende Differenz. Das Rundschreiben der durch Beschluß des Municipalraths von Straßburg vom dortigen Herrn Maire ernannten Commission, um auf dem „nicht mehr ungewöhnlichen Wege der Gratislicferung" Bücher für eine neu zu begründende Stadtbibliothek von Straßburg in möglichst reicher Anzahl zugeschickt zu erhalten, läßt zwischen den Zeilen lesen, daß es sich hier allerdings, wie in Nr. 82 d. Bl. vermuthet wird, um eine Art von Demonstration gegenüber der so schnell und reich angewachsenen Kaiser!. Reichs- Universitäts- und Landesbibliothek handelt. Denn was soll jetzt die vom Municipalrathc beschlossene Neubegründung einer dortigen