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187, 18. August 1SI2. Nichtamtlicher Teil. «irsmn»» I. ». DU4». «u«,»nd-i. 9299 glieder den »geschäftlichen Ruin« jener Angstmeier nicht ver antworten und stimmen aus kollegialen und sonstigen Gründen gegen die Erweiterung der Sonntagsruhe, trotzdem sie eigent lich auf einem ganz anderen Standpunkte stehen. Würde heute eine unbeeinflußte Abstimmung vorgenommen werden, so würde sich sicher eine noch weit größere Mehrheit für die Sonn tagsruhe ergeben, als cs im Jahre 1885 der Fall gewesen ist. Damals erklärten sich nämlich von den befragten Inhabern schon 43,66 °/° für völlige Sonntagsruhe, 25,96°/° für be schränkte Sonntagsruhe, und nur 30,38"/° für Beibehaltung des alten Zustands, ein Ergebnis, das um deswillen besonders be wertet werden muß, weil man damals noch keinerlei Erfah rungen über die Wirkung der Sonntagsruhe gesammelt hatte. Uns Buchhändler, die wir Wohl durch die Bank Freunde der Sonntagsruhe sind, erwächst die Pflicht, bei jeder sich bie tenden Gelegenheit in Wort und Schrift für die völlige Sonn tagsruhe einzutreten, um die schwankenden Gestalten mitzu reißen, und durch reichsgesetzlichen, für alle geltenden Zwang auch denjenigen Kollegen den Segen und die Wohltat der Sonntagsruhe zu verschaffen, die Wohl gern schließen möchten, aber von kleinlich denkender Konkurrenz heute daran gehindert werden. Der Vorstand unseres Börsen- vereins könnte aber noch ein übriges tun und in einer Ein gabe an das Reichsamt des Innern und den Reichstag die Einführung der völligen Sonntagsruhe befürworten. Er würde sich sicher damit den Dank der überwiegenden Mehrheit des deutschen Sortiments verdienen. ill. 8. Lex Parsifal. Gegen das deutsche Urheberrechtsgesetz wird wieder ein mal ein Ansturm unternommen, der es, wenn er gelänge, zum Urhebernnrechtsgesey hcrabdri'nken müßte. Wohl alle Musik zeltungen haben dem Bayreuth er Parlsifal-Mono- Pol bereits ihre Spalten"" geöffnet" und Meinungen entgegengenommen, aber nur wenige haben redaktionell dazu Stellung genommen. Sie überließen bisher die Verantwor tung ihren gelegentlichen Mitarbeitern, weil sie, Wohl aus geschäftlichen Gründen, gern über den Parteien stehen wollen. Auch Tageszeitungen behandelten bereits diese Materie, bei ihnen tritt aber in der Mehrheit das Motto hervor: Jedes Kunstwerk muß frei werden: eine 30 jährige Schutzfrist nach dem Tode ist lang genug?) Eine begrenzte Schutzfrist hat ja eigentlich mit dem Bahreuther Monopol gar nichts zu tun, da die Parsifal.Schutzmannschaft dieses Monopol ohne ') Während der Drucklegung gingen uns Artikel des »Ber liner Tageblatts» und der »Franks. Ztg.» zu. die sich gleichfalls gegen eine Lex Parsifal wenden. Graf Hülsen, der Intendant der Königlichen Schauspiele in Berlin, von dem der Artikel im »Berliner Tageblatt« berrnbrt, betont, daß der Gesetzgeber moralisch kein Recht habe, Millionen Menschen von dem Genüsse dieses Werkes auszuschließen, und gibt der Befürchtung Ausdruck, daß das Bayreuther Festspielhaus nach dem Tode von Cosima und Siegfried Wagner zu einem rein geschäftlichen Unternehmen herabsinken werde. Er ist aber damit einverstanden, daß be hördlicherseits eine Überwachung nach der Richtung hin ausge übt wird, daß nur Bühnen, die die Garantie einer würdigen Wiedergabe bieten können, die Ausführung vornehmen dürfen. Abgesehen von den Schwierigkeiten einer solchen Feststellung, fehlt es u. W. dazu auch an jeder gesetzlichen Handhabe, Man wird vielmehr mit Challier jede Ausnahmestellung zugunsten eines Werkes ablehnen und den Ausführungen Paul Belkers in der »Frkf. Ztg.« (Bayreuth und seine Leute) zustimmen müssen, daß das Werk sich selbst genügend schütze und jede Profanierung auf den Veranstalter zuriickfalle. Recht interessant ist die Ant wort B.s auf die in seinem Artikel von ihm aufgeworfene Frage: Wer ist Bayreuth?, die sich insofern auch mit Challiers Aus führungen berührt, als sie die Liste der von Bayreuth begangenen Mißgriffe noch um ein Beträchtliches erweitert. Red. Zeitbegrenzung bis ans Ende aller Dinge anstrebt. Aber der Pferdefuß, der immer noch nicht gefüllte Hunger nach der 50- jährigen Schutzfrist, lugt, wenn auch vorläufig noch un deutlich, daraus hervor. Das Monopol soll wieder den ersten Keil bilden, der das kürzlich erst gefestigte Ge füge lockern soll; das Nachstürzen wird dann später von den Maulwürfen besorgt werden. Im Börsenblatt Nr. 179 hat die Redaktion bereits kräftig und deutlich ihre Stellung nahme bekundet und damit klar ausgesprochen, daß der Buch handel gegen jedes Ausnahmegesetz und jede Gesetzesänderung ist. Ich habe in »Musikhandel und Musikpflege«, dem Organ des Deutschen Musikalienhändler-Vereins, lediglich für meine Person, einen Punkt herausgegriffen, den ich für ausschlag gebend halte und der, wie mir bekannt, in andere Blätter übergegangen und auch in der bereits erwähnten Nr. 179 des Börsenblatts veröffentlicht worden ist. Der Kernpunkt meiner kurzen Ausführungen war: Ein Parsifal-Monopol, das doch nur für Deutschland dekretiert werden kann, schließt, mit Aus nahme einiger Wohlhabenden, alle übrigen Deutschen aus, während jeder Ausländer in seinem Lande den Parsifal für ein geringes Eintrittsgeld kennen lernen und genießen kann. Die verehrliche Redaktion des Börsenblatts hat sich nun aber, wie sich jeder Leser überzeugen kann, nicht so ganz berauscht an meiner Entdeckung, sie hält diese für praktisch nicht bedeutsam, da nach ihrer Meinung die ganze An gelegenheit zwecklos im Sande verlaufen wird. Ich bin, in diesem Ausnahmefalle, aber ganz anderer Ansicht, trotzdem ich wünschte, mich im Irrtum zu befinden. Die Kreise, in denen der Ansturm vorbereitet ist, sind'zwar nicht groß, aber einflußreich, ein klein r freiwilliger und ein größerer durch die Verhältnisse gezwungener Anhang werden'stch ihnen anschließen. Sind doch jetzt schon aus Verlegerkreisen, die sich dabei in ihr eigenes Fleisch schneiden, die Werbungen erfolgreich gewesen. Es ist zweifellos, daß, wenn im Deut schen Reich der Parsifal nur in Bayreuth dargeboten werden kann, im Auslande aber überall unbeschränkt, der größte Teil des händlerischen Vorteils ins Ausland abwandert. Nur Werke, die dem großen Publikum durch öfteres Hören an für seine Kasse erreichbaren Plätzen bekanntgemacht werden, bil den sich zu nutzbringenden Artikeln des Verlegers und Sorti menters aus. Ein deutsches Parsifal-Monopol hieße den ge samten deutschen Musikhandel ausschlietzen. Aber ganz abge sehen von dem geschäftlichen Standpunkt, den ich hier nur an deute, mutz der ideale besonders betont werden. Wieder will man, wie bei dem Anstreben der erweiterten Schutzfrist, zu gunsten eines Häufleins einer ganzen Nation ein deutsches Kunstwerk vorenthalten. Und das Häuflein ist wirklich ein ganz kleines; selbst bemittelte Leute klopfen oft in Bayreuth ohne Erfolg an. Schon seit Jahren besteht das Gros der dor tigen Besucher aus Ausländern, der Reichsdeutsche bemüht sich oft vergebens nach Eintrittskarten. Darum heißt es die Augen offenhalten, die Gegner nicht uüterschätzen; Artikel wie der der Vosstschen Zeitung (s. Bbl. Nr?I79) müßten weiteste Verbreitung finden. Nicht mit"'Kompromisse» darf man hier kommen, sondern scharf muß man zugreifen, um die Begehrlichkeit abzuweisen. Was nützen bei solchem ungeheuerlichen Verlangen, ein Kunstwerk der eigenen Nation vorzuenthalten, unausführbare Kompromißvorschläge? Der eine wünscht, die Theatcrdirektoren sollen sich verpflichten dieses oder jenes nicht zu tun; ein anderer will den Parsifal zwar frei haben, aber nur für die Kirche; ein Dritter erlaubt die Aufführungen nach der Saison, aber nur, wenn ganz be sonders vorbereitet, usw. Die angeblichen Gründe, die das Verlangen nach dem Monopol hervorgerufen haben, sind ebenso banal, wie ab gebraucht. Soweit" mir^bekannt, sind" es nur zwei: Der Meister hat diesen Wunsch geäußert, und eine wirklich voll- 1212»