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9298 Börsenblatt s. d. Dlschn. Buchhandel. ilkichtamllicher Teil. ^ 187, 13. August 1012. Sonntagsruhe für den Kleinhandel eingeführt haben, uno dag in zahlreichen anderen Stadien die Arbeitszeit au, 3 Stunden auf Wunsch der Geschäslsinyaber eingeschränkt war ben ist? Ich will natürlich annehmen, das; die Versasser jener Ein gabe von diesen Dingen keine Kenntnis hatten. Um so mehr rann man aber verlangen, daß sie sich vor Abfassung der Ein gabe besser über die Bestrebungen zur Einführung der Sonn- mgsruhe informiert hätten. Loch sind das schließlich Ange legenheiten, die uns nur indiretl angehen. Für uns Sorli- menlsbuchyändler — der Verlagsbucyyandel kommt ja laum in Frage, da die meisten Verleger ihre Betriebe sicher längst Sonntags geschlossen hallen — handelt es sich darum, ob wir es verantworten tonnen, uns sür die Ausdehnung der Sonn tagsruhe zu erklären. Und zwar müssen wtr diese Frage ledig- liw nach unseren eigenen Interessen ohne Rücksicht aus andere Geschäftszweige entscheiden, denn — umgekehrt würden diese auf uns auch keine Rücksicht nehmen. Und da kann es sich m. E. sür uns nur darum handeln, nicht allein eine Einschrän kung der Verkaufszeit an Sonntagen, sonoern eine völlige Sonntagsruhe zu fordern. Wohl lein Berus ersordert eine so intensive Anspannung aller Kräfte, einen solch starken Verbrauch von Nervensubslanz, wie der unsrige. Darum wird man wohl schwerlich allzu viele Buchhändler finden, die noch nicht »nervös« sino. Wir haben daher nach 6 Arbeitstagen Anspruch aus einen vollen Ruhe- und Erholungstag, um das entsprechende Btbelwort zur Geltung zu bringen. Und jeder, der den Segen der völli gen Sonntagsruhe an seinem eigenen Leibe hat genießen kön nen, weiß, daß man am anderen Tage viel freudiger und mit weit größerer geistiger und körperlicher Frische an die Arbeit geht. Das trifft selbstverständlich sür die Geschäftsinhaber «.besonders sür die kleinen, die sich teures, zuverlässiges Per sonal nicht halten können und daher die Arbeit vielleicht mit einem Lehrling allein machen müssen) genau so zu, wie sür die Angestellten. Nun habe ich häufig die Beobachtung gemacht, daß man sozialpolitische Reformen im Handelsgewerve bei den Ge schäftsinhabern dadurch leicht in Mißkredit bringen kann, daß man sie als userlose Forderungen der Angestelllenverbände hinstelll. Besonders ist es der Deutschnationale Hanülungs- gehilfen-Verdand, der wegen seiner wirkungsvollen Vertretung oec Angestellten-Jnteressen bei manchen Geschäftsinhabern wie das rote Tuch auf den Stier wirkt. So ist mir ein Kaufmänni scher Verein bekannt, der eine Besprechung über die Sonntags ruhe angesetzt hatte, bei der verschiedene Geschäftsinhaber sich für die Sonntagsruhe auSsprachen. Als aber ein Gegner der selben erwähnte, daß diese Bestrebungen von den Deutsch- nationalen ausgingen, und daß die jungen Leute »bald gar nichts mehr tun wollten«, schlug die Stimmung ins Gegen teil um, und sogar die Mitglieder, die sich vorher sür die Sonntagsruhe ausgesprochen hatten, stimmten nun dagegen. Wahrlich kein Zeichen von selbständigem Denken und politischer Reise! > ^ Die Beurteilung dieser Fragen vom Standpunkt der An gestellten sei daher deren Verbänden überlassen, und hier die Frage gestellt: »Können wir Sortimenter ohne Gefährdung, ja auch nur ohne eine Schädigung unserer Existenz die völlige Sonntagsruhe befürworten?« Ich meine, bei keinem Geschäfts zweige des Kleinhandels liegt die Sache so klar, wie beim Buchhandel. Denn niemand wird behaupten wollen, daß es ein »dringendes Bedürfnis«, eine absolute Notwendigkeit ist, Bücher am Sonntag zu kaufen. Das Publikum, das heute noch ab und zu an Sonntagen kauft, wird sich nach Einführung der Sonntagsruhe sehr leicht und schnell daran gewöhnen, seine Büchereinkäufe wochentags zu erledigen. Der Umsatz würde daher aus leinen Fall zurückgehen. Falls aber wirk lich ein 10- oder 20 H-Heft weniger gekauft würde, so wird oieser Psennigaussall lOOsach dadurch ausgewogen, vag oer sonntag dem Geschäftsinhaber ganz gehören, er neue Kräfte ,ür die kommende Woche sammeln wird, er sich seiner Familie, nisvesonoere der Erziehung seiner Kinder besser wlomen kann ars bisher — also iveale Werte, die einen völligen Ersatz sür eventuell entstehende geringe materielle Verluste bieten. Daß nach Einführung oer Sonntagsruhe der Geschästs- umsatz in nennenswerter Weise zurückgehen würde, wie die Gegner derselben behaupten, ist nichts als eine Übertreibung, oie durch die Praxis gründlich widerlegt worden ist. Denn alle die Städte, die die völlige Sonntagsruhe Lurch Ortsstalul eingesührt haben, denken gar nicht daran, den alten Zustand wieoerherzuslellen, sonoern fühlen sich außeroroentlills woyi oabei. Las geht aus mancherlei Äusserungen der beteiligien Kreise deutlich hervor. So haben z. B. die selbständigen Kaus- leute des Kausmannsgerichts zu Frankfurt a. Ai. ihren Stand punkt mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht: »Den sreien Sonntag lassen wir uns nicht nehmen. Wir wollen an einem Tage freie Männer sein. Die kleinen De- taillislen, die befürchteten, einen Ausfall zu erleiden, fan den am Samstag vollen Ersatz. Wir wollen nur, alle Kollegen ständen einmal in einem Frankfurter Geschäft; sie würden sich überzeugen, daß der freie Sonntag durchführbar ist». Und der Inhaber eines Manusaklurwarengeschäfts in München sprach sich dahin aus: »daß die Einnahmen an den Wochentagen, besonders aber an den Sonnabenden und Montagen so gestiegen seien, daß das Mehrergebnis nicht allein den Ausjall der Sonn tagseinnahme deckte, sondern daß die Gesamteinnahme un Monat Juni sich um etwa 107» und im Juli um ca. 0—77° gegen gleiche Monate im Vorjahre vermehrt habe. Dazu kommt noch, daß die betreffende Geschäftsstraße sür ca. 14 Tuge sür den Wagenverkehr gesperrt war«. Diese Darstellung wird noch von einer großen Anzahl anderer Münchener Geschäfte, die ursprünglich zu den heftig sten Gegnern der Sonntagsruhe gehörten, und die deshalb eine genaue Statistik wegen des befürchteten Ausfalls führten, bestätigt. In diesem Bericht heißt es u. a.: »Wider alles Erwarten stellte sich nach probeweiser Einfüh rung der völligen Sonntagsruhe heraus, daß ein Minderum- satznicht eintrat, sondern daß sich der Umsatz während der zwei Tage Samstag und Montag sogar teilweise noch um 27» gegen früher gesteigert hatte. Das Publikum Paßte sich eben der Neuerung an, und so trat kein Ausfall, sondern nur eine Verschiebung e i n». Wenn nun also der befürchtete Rückgang des Geschäfts- Umsatzes selbst bei den Geschäften der Manusaklurwarenbranche nicht eingetreten ist, so wird kein Mensch behaupten können, daß eine Gefahr für uns Buchhändler besteht. In den ver schiedensten Städten sind ja schon längst die Kollegen zusam- inengetreten und haben einen freiwilligen Geschäftsschluß an Sonntagen beschlossen, ohne daß sie eine Einbuße an ihren Einnahmen zu verzeichnen hatten. Die grundsätzlichen Gegner der völligen oder teilweise» Sonntagsruhe sind in Wirklichkeit gar nicht so zahlreich, wie aus den vielen Eingaben geschlossen werden könnte. Es gibt aber in jeder Stadl ängstliche und kleinliche Ge schäftsinhaber, die sich durch die Praxis nicht belehren lassen wollen und die sür ihren Ort stets »ganz besondere Verhält nisse« konstruieren möchten, die eine Sonntagsruhe an ihrem Ort angeblich undurchführbar machen. Diese Herren sind es, die in den Versammlungen der Vereine und Verbände die Ge fahr in den schwärzesten Farben an die Wand malen. Und kommt es dann zur Abstimmung, so mögen die übrigen Mit-