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822 Nichtamtlicher Theil. .4.- 52, 4. März. berufen und Wieland war diesem Ruse gern gefolgt. „Der junge Fürst, bei dem ich bin", schreibt der Dichter in seiner ersten Weimarer Zeit an I. G. Zimmcrmann, „wollte schlechterdings einen Dänisch- wende*) für seinen eigenen Leib haben; er erbat mich von seiner lie benswürdigen Mutter und da seine Wünsche mit den ihrigen nie besser zusammengetroffen hatten, so winkte man mir und ich kam." Der neue Wirkungskreis, in den Wieland trat, war so er wünscht wie möglich und das umsomehr, als die Beschäftigung des Prinzenerziehcrs noch manche Stunde des Tages für die Familie übrig ließ. Und für Private literarische Thätigkeit. Denn als ver ständiger Hausvater zog unser Dichter die Aussicht auf weiteres Wachsen des Familienkreises in weise Berechnung. Aus dieser und der Freundschaft mit F. H. Jacobi entsprang der deutsche Merkur, der, was er nach Abzug der unumgänglich nöthigen Kosten einbrachte, vollständig seinem Herausgeber eintragen sollte. Denn dem Buch handel war beim Merkur nur die Rolle des Commissionärs zu gedacht. Als mit dem Ablauf des Jahres 1774 und den Reisen Karl Angust's und seines Bruders Konstantin Wieland's eigentliche Er- zieherthätigkeit ihr Ende erreicht hatte, folgten im Weiteren Jahre voll behaglichen Stilllebens für den Dichter. Dem genialischen Treiben des jungen Hofes ferner stehend, jedoch nicht aus Uebel- wollen, sondern in der richtigen Erwägung, daß alles seine Zeit habe, auch die Tollheit der Jugend, lebte nun Wieland mehr noch als früher seiner Familie und sich, ein in Deutschland wohlberühm ter Manu. Seit der Zeit, da er ausging, in Norddeutschland einen Verleger zu finden, war manches Jahr verflossen; er hatte seitdem schon viele und hohe Honorare von Weidmanns Erben und Reich bezogen und das Haupt dieser hoch angesehenen Firma, Herr Phi lipp Erasmus Reich, war ihm auch jetzt wieder, nach einer Unter brechung von einigen Jahren, der alte Freund und gutbezahlende Verleger geworden. Da trat eines Tages — April 1785 — bei Wieland ein junger Leipziger Buchhändler ein, in der Absicht, mit dem berühmten Dich ter eine geschäftliche Verbindung zu knüpfen. Wieland aber wich den Vorschlägen, die ihm gcthan wurden, aus. Solange Reich lebe, sagte er, werde er an den bestehenden Verhältnissen jedenfalls festhalten. Es entspann sich dann weiter ein Gespräch zwischen dem Dichter und dem jungen Leipziger, „aus welchem Wieland immer mehr erkannte, daß er keinen alltäglichen Buchhändler vor sich habe, sondern einen Mann voll Geist und vielseitigen Kenntnissen, der sich der Würde seines Berufes bewußt und entschlossen war, das Geschäft eines Buchhändlers in dem Sinn und Geist zu führen, wie Wieland selbst es hatte führen wollen, allerdings znm Gewinn für sich, aber auch stets zur Ehre für unsere Literatur, zum möglichsten Vortheil für die Schriftsteller und auch in typographischer Hinsicht zur Ehre Deutschlands". Noch waren Besuchter und Besucher in eifrigem Gespräch, als die Thüre sich öffnete und Wieland's Gattin eintrat. „In Augenblicken solcher Störung konnte nun Wieland sehr miß launig werden und ward es auch jetzt. Die Milde und sanfte Heiter keit aber, womit die Gattin augenblicklich sich entfernte, entzückte den jungen Buchhändler und er brach in die Worte ans: Herr Hofrath, welch einen Engel von einem Weibe haben Sie. Wieland sah ihn einige Augenblicke ernst an, stand auf, ging auf ihn zu und sagte: Junger Mann, Sie sind fähig, den Werth dieses Weibes zu erkennen, damit haben Sie auch mein Herz gewonnen. Hier meine Hand! Ist Reich gestorben, so wird kein andrer mein Verleger als Sie." So erzählt Gruber. Der junge Buchhändler, der auf solche Weise Wieland's Herz gewann, war Georg Joachim Göschen. Ans Bremen gebürtig, hatte *) Doctor Danischmende, Hofphilosoph Schah-Gebals, eine Figur in Wieland's Goldnem Spiegel. er nach Verlauf der Lehr- und ersten Dienerzeit vorübergehend in der Dessaucr Gelehrtenbnchhandlnng gearbeitet und schon damals für eigene Rechnung Verlagsuntcrnchmnngcn gewagt. Nach seinem Abgang von Dessau hatte er sich dann in Leipzig etablirt und eben im besagten April 1785 war er auf der Antorenjagd auch nach Weimar gekommen, wo er dann den Dichter des Agathon zufällig von einer schwachen Seite zu fassen Gelegenheit fand. Denn die Hofräthin, die dem Gatten für gewöhnlich nichts war, als „die Mutter seiner Kinder", hatte durch die Macht der Gewohnheit all mählich einen großen und guten Einfluß auf diesen erlangt. „Niemand als sie, schreibt Schiller an Körner, die alle Ungewitter abwartet, kann in seiner Atmosphäre dauern." Und andrerseits gehörte nicht viel dazu, wie Schiller bestätigt, den gutmüthigen Wieland zu er obern. So war es wohl denkbar, daß Jemand, der des Dichters Schwächen einigermaßen vorher kannte, sich rasch in seine Gunst zu setzen verstand. Um wie viel mehr ein Mann von der äußern Ge- habung und innerlichen Bedeutung Göschen's. „Göschen hat ihn auch gleich weggehabt", sagt abermals Schiller. Vor 17 Jahren, da Wieland's Arbeiten durch die Empfehlung Riedel's und Weiße's an Weidmann's gelangten, hatten die Ver hältnisse anders gelegen als sie jetzt lagen. Damals war nicht der Verleger der Suchende, sondern der Schriftsteller. Und so herzlich Reich bald aus der zurückhaltenden Stellung des Geschäftsmannes heraus und dem Dichter entgegentrat, so verlieren wir doch das Gefühl nicht: Reich war seinem Freund Wieland in nicht Wenigem überlegen. Und Wieland, der dazu noch um 16 Jahre Jüngere, sah dies wohl ein. In dem freundschaftlichen Verkehr, wie da, wo ein mal der Zorn auslodert, erweist sich Reich als der, der seiner Ehre, wie der Ehre seiner Handlung nichts vergibt, der im schlimmsten Fall die sonst so werthe Verbindung mit unser». Dichter in die Schanze zu schlagen bereit ist. Wieland aber fügt sich dann regel mäßig, wenn auch mit einigem Brummen. Jetzt war das anders. Jetzt erschien nicht ein auf den ersten Sprossen der Ruhmesleiter stehender Poet, einen gutzahlenden Ver leger zu suchen, sondern ein junger Buchhändler, ein Anfänger in des Worts verwegenster Bedeutung, der, um geschäftlich in die Höhe zu kommen, die Gunst berühmter Männer erstrebte. Daß der Mann auf solchem Rundgang auch zu ihm gekommen war, mußte Wieland wohl schmeicheln. Und das umsomehr, als der junge Buchhändler mit vieler Andacht und beistimmender Gebcrde anhörte, was sein Gegenüber vom Buchhandel redete, und von dem, was dieser soll und nicht soll, als er auch die Gattin als einen Engel von einem Weibe Pries. Dazu kam dann noch als nicht unwichtig, daß der Buchhändler in der Thal, auch abgesehen von seinen Ansich ten über Buchhandel und Hofräthin, ein Mann schien von vielen Kenntnissen und Geist und guten zeitlichen Mitteln. So that Wieland einen Schritt, der ihm seine dermalige Ver bindung mit Reich und der Weidmannschen Buchhandlung nicht im geringsten gefährdete, ihm aber erlaubte, den Gönner zu spielen. Das machte ihm selbst und auch seinem Gast Freude. Er, der Dich ter, durfte ja bei alledem doch der weiteren Zukunft ruhig entgegensetze». Reich war zwar ein alter Herr von 68 Jahren, aber noch sehr rüstig. Und was konnte, bis er einmal starb, noch alles sich ereignen! Unter den Sorgen Wieland's war eine der geringsten gewiß die, ob sich das Vcrhältniß zu Herrn Göschen in Leipzig nicht vielleicht wie der vorzeitig zerschlagen könnte. Daß das nicht geschehe, war völlig Göschen's Sache. Und Göschen war der Mann, das in unserm Dichter für ihn erwachte Gefühl der Hochachtung zu erhalten und zu nähren. Zu nächst war Göschen Literaturfreund und als solcher ein eifriger Be wunderer Wieland's, des Poeten. Bei seinem Besuch hatte er dann ferner in dem verehrten Dichter eine höchst liebenswcrthc Persönlich keit gefunden. Und es ist daher wohl begreiflich, daß, als er nach