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1975 83 1976 Schriften zu den Mitbürgern frei zu sprechen. Die Eensurfrei- heit für große Bücher ist die Preßfreiheit für Gelehrte, jene für Zeit- und Flugschriften ist die Preßfreiheit für die Bür ger, fürs bürgerliche Leben, die bürgerliche und die politi sche Preßfreiheit. In dem Sinne, wie wir hier in dieser Kammer von 1819 an für Preßfreiheit gesprochen haben, in dem Sinne, wie die Bundesacte und die Verfassungs- urkundc sie uns verheißen, ist sie recht eigentlich die Preß freiheit für die Zeitungen und Flugschriften; denn, meine Herren, dieses sind die Vortheile der Presse, daß der Bür ger zu dem Mitbürger spricht, daß die täglichen Erscheinun gen des politischen und bürgerlichen Lebens besprochen wer den können, daß auf die Mißgriffe der Verwaltung auf merksam gemacht wird, und daß jedes Unrecht, welches ge schieht, zu den Ohren der Regierung und der Volksvertre ter kommt. Es sind nur diese Blatter der Ort, wo über die täglichen Verhältnisse und Bedürfnisse des Lebens der Bürger gesprochen wird, wo er Kenntnis, Belehrung, Rath und Schutz finden kann. So wie früher die freie wechselseitige Mittheilung und Sprache Statt fand in den öffentlichen Volksverhandlungen, in welchen noch bis zum 15. Jahrhunderte mehr oder minder alle freien Männer Thcil an der Gesetzgebung und Rechtsprechung und Ver waltung nahmen, so soll jetzt die politische Preßfreiheit al len die Theilnahme am Gemeinschaftlichen sichern. Jetzt, meine Herren, bei dem Nepräsentativsystem bleibt der Bür ger zu Haus, er hat nicht mitzufprechen bei den öffentli chen Angelegenheiten und Gerichten, er hat nicht das Recht, hier öffentlich sich auszuspreche», nicht die Zeit und Gelegenheit, hier alles mit anzuhören. Die freie Presse der Zeitungen, Zeit- und Flugschriften muß ihm ersetzen, was jene allgemeine Theilnahme an den öffentlichen Geschäften früher allen freien Völkern, unfern Deutschen Vorfahren wie den Römern und Griechen leistete. Deshalb ist auch unsere heutige Repräsentativverfassung, wie der Abgeord nete Aschbach aufs Neue es ausgesprochen hat, eine Täu schung, wenn sich die Bürger nicht aussprechen und nichts hören dürfen über die Angelegenheiten des Tages. Der Hr. Präsident des Ministeriums des Innern hat ferner, um uns zur Zufriedenheit mit einer vielleicht etwas gemilderten Eensur zu stimmen, von Klagen über Mißbräuche der Presse in einzelnen Zeitungen gesprochen und gesagt, wie diese Mißbräuche wegen der auswärtigen Regierungen mit stren gen Eensurinstructionen abgestellt werden müssen. Meine Herren, ich weiß nicht, ob der Hc. Präsident des Ministe riums des Innern absichtlich oder zufällig hier zwei Verhält nisse etwas mit einander vermischt hat, die vor allen Din gen geschieden werden müssen, nämlich die Zeitungen in den fünf Monaten, als unsere Presse frei war, und die Zeit nachher. Was die Zeit der freien Presse betrifft, so hat hier, in diesem Saal ein Minister feierlichst erklärt, daß es keineswegs ein Mißbrauch der Presse sei, welcher die Re gierung genölhigt habe, das Preßgesetz zurückzunchmen, und daß man in Baden ohne Eensur völlig gnügende Mit tel hatte, alles Unpassende zu bekämpfen, und so geschah es denn auch wirklich. Einige Blätter, die, nicht zur besondecn Freude der wahren Freunde der Preßfreiheit, zu weit gin gen, wurden unterdrückt; andere waren daran, zu sterben, und zwar nicht durch gewaltsames Verfahren der Regierung, sondern durch das öffentliche Einschreiten der Gerichte. Es hat der Hr. Präsident des Ministeriums des Innern großes Gewicht darauf gelegt, auf die Möglichkeit, daß in Baden ein zu freies Wort gesprochen werden könne über auswärtige Verhältnisse und dadurch ein großes Mißverhältniß dem Staat entstehen müßte. Ich glaube mich nicht durch diese Besorgnisse abschrecken lassen zu müssen von den Federun gen und Wünschen der Kammer. Meine Herren, werfen Sie einen unbefangenen Blick auf Holland und Belgien und die Schweiz; Holland und Belgien und alle Schweizer Staaten sind auch kleine Staaten. Die Preßfreiheit aber, selbst nachdem Belgien und die Schweiz allen großen Mächten feindlich gegenüber standen, lebt dennoch in Bel gien und in allen Staaten der Schweiz, wie in Holland, und wird ferner dort leben. Die freie Presse wird den Frieden mit einer fremden Macht nicht stören. Die Presse der kleinen Königreiche von Dänemark, Schweden und Griechenland stört ebenfalls nicht den Frieden mit Europa, und der Friede mit der Schweiz wird auch nicht gestört, obgleich in Basel-Stadt und Basel-Landschaft, in Aargau und Genf vollständig frei über die ausländischen Angelegenheiten gesprochen wird. Warum aber wird dort nicht der Friede gestört? Weil dort Freiheit der Presse ist. Damit, meine Herren, hört aller Unfriede auf. Die freien Männer der sehr, sehr kleinen Schweizer Staaten wollten und wollen mit Entschiedenheit ihr heiliges Menschen- und Bürger recht, das Recht der Freiheit der Wahrheit. Sie wollten sie als Männer, und man mußte sie ihnen lassen. Und nun erst wird durch ihre Zeitungen der Friede mit ihren mächtigen Nachbaren nicht mehr gestört. Jede täglich neue Aumuthung und Beschwerde hört völlig auf. Aber bei uns wird Eensur im Namen des Großherzogs von Baden gehand- habt, es wird etwas gestrichen, etwas Anderes nicht gestrichen, dadurch wird erklärt, daß jedes verletzende Wort, das in dem Blatte steht, den Stempel der Regierung an sich trägt. Die Regierung selbst ist es nunmehr, welche verletzt und beleidigt; die ewig neuen Zumuthungen und Verdrießlichkeiten nehmen somit natürlich kein Ende. Das ist die unglückselige Folge der Eensur. Meine Herren, im Ganzen wird auch in unfern Blät tern in Baden, wenn man sie mit andern Deutschen Blättern vergleicht, keineswegs dieselbe Freiheit gefunden werden, wie z. B. in den Bairischen und Würtembergischen. (Fortsetzung folgt.) Civilverdienstliches. Se k. k. Apostel. Majestät haben den Herrn Eonrad Adolph Hartleben, Buchhändler in Pesth, als Anerkennung für das von ihm herausgegebene Pcachtwerk: „Panorama der österreichischen Monarchie" die große goldene Medaille, mit dem Bildnisse Sc. Maj. und der Unterschrift aus der Rückseite: ve arte moilto, zu verleihen geruht, und die Dedication dieses Werkes huld reichst angenommen. (K. p.iv. Wiener Zeitung). Verantwortlicher Rcdacteur: I. C. Stadler.