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Redaktioneller TeU. .X! 198. 26. August 1918. lieht, der ihn zu einer weitere» Steigerung des Ladenpreises zwingt. Dabei ist es natürlich auch durchaus gerechtfertigt, dag heute höhere Honorare gezahlt werden, um auch den Schriftstellern einen Ausgleich für die gestiegenen allgemeinen Preise zu bieten. Soviel über die Steigerung der Preise durch den Verleger, nun noch ein aussührlichcS Wort über das Verhältnis von Einkaufs- und Verkaufspreis beim Sortimenter: Die Preisbildung im Buchhandel beruht aus dem Grundsatz des schon erwähnte» sogenannten »feste» Ladenpreises«. Und zwar so: jeder Sortimenter (Buchhändler) ist verpslichtet, den nach den, Relchsgcscö über das Verlagsrecht vom Verleger zu bestimmenden Ladenpreis einzuhaltcn. Die Einhaltung dieser Verpflichtung überwacht der Bürscnvcrein der Deutschen Buch händler zu Leipzig, der i» den ihm gehörende» und für jeden bnch- händlcrischcn Betrieb durchaus unentbehrliche» Einrichtungen der Buchhändlerbörse zu Leipzig, dem »Börsenblatt für de» Deutsche» Buchhandel« und anderen die Machtmittel besitzt, seinen Forderungen beim ganze» deutsche» Buchhandel Geltung zu verschaffen. Dieser feste Ladenpreis ist nicht zun, wenigsten der Grund für de» berechtigte» Ruf der Solidität, den der Buchhändler bisher in der ganze» Käufcr- jchaft genossen hat. Denn tatsächlich ergibt sich durch die darin lie gende Gcsamtbürgschast des ganzen Buchhandels für den gleichen Preis des gleichen Buchs a» jedem Platz Deutschlands und Osterreich- llngarns eine Sicherung gegen irgend eine Übervorteilung für die Bücherläufcr, wie sie in kaum einer andere» Branche sonst zu finde» ist. Dieser nicht hoch genug cinzttschähcnde Vorteil des feste» Laden preises bedingt nun, daß ein Sortimentcr die an seinem Lager befind lichen Exemplare cines Buches jeweils »mzeichnet, wenn der Verleger de» Preis verändert, zurzeit also die Preise erhöht. Aus den gleiche» Standpunkt, wie er hier vertreten wird, hat sich bereits das Königliche Amtsgericht Berlin-Ritte gestellt, indem cs am 8. Mai die Firma Georg Stille (Berlin) frcisprach mit der Begründung, daß der Sor timenter berechtigt und im Interesse des einheitlichen Ladenpreises sogar verpflichtet sei, den Preiserhöhungen des Verlegers durch Ilm zeichnen seiner alten Lagervorräte zu folgen. Dieses Höherzeichnc» ist indessen praktisch von geringer Bedeutung, da die zusammengeschmolzc- nen Vorräte des Sortimenters die vom Publikum geargwöhnten Mehr gewinne natürlich unmöglich mache». Was de» zchnprozcntigen Tcucrungszuschlag des Sortimenters betrifft, so ist seine Berechtigung aus Grund der prozentual viel höher gestiegenen Unkosten — Gehälter, die für den Buchhändler besonders nnangcuchm in die Erscheinung tretenden Erhöhungen von Post- nnd Bahntarifen, Rollgeldern, Packmaterial, »och ganz abgesehen von der Verteuerung der persönlichen Lebenshaltung des selbständige» Buch händlers — wohl nachgerade von alle» Instanzen anerkannt worden. Zumal da der wirkliche Mehrgewinn des Sortimenters nach statistischen Berechnungen tatsächlich nicht 10 Prozent, sondern nur ö,tz Prozent ausmacht. Auch der Sortimenter ist heute gezwungen, zum überwiegende» Dell mit buchhändlcrisch nicht ansgebildctcn Kräfte» zu arbeiten, daher kommen tu seinem Betriebe mehr Fehler vor als sonst. So ist cs auch zu erklären, wen» sich gelegentlich Unterschiebe ln Büchcrpreisc» bei verschiedenen Sortimentern oder gar beim gleiche» an verschie denen Exemplaren desselben Buches finde». Solche Fehler liegen durchaus nicht im Interesse des Sortimenters, zumal wen» sic z» einer Verteuerung des betr. Buches führen, denn dadurch gerät er in den Ruf, der »teure Mann» zu sein. Nattirlich gibt es unter de» Ver legern wie unter de» Sortimentern so gut wie überall einige räudige Schafe, die Konjunkturgewinne z» machen sich nicht scheuen, aber che man diesen Vorwurf erhebt, sollte man sich sehr sorgfältig über die ganze» Verhältnisse unterrichte» und sich hüten, die Sünden einiger wenigcr dem ganzen Stande aufzubürde». Ich glaube, mancher Leser hat da seinem Buchhändler etwas abzubittcn und wird sei» früheres Urteil über dessen Redlichkeit gern wieder aufnehmcn. Und noch eins: Ziehen wir aus der Verteuerung des Buches nicht etwa die Lehre, nun unsere» Bücherctat einzuschränken, selbst wenn die materiell« Qualität des Buches, Papier, Einband, die gesamte Ausstattung sich verschlechtert hat und noch weiter sinkt! Vom Buch handel lebt nicht nur der Buchhändler, sondern auch der geistige Schöpfer des Buches, der Dichter, Schriftsteller, Herausgeber, uni wenn der Buchhandel zugrunde geht, muß die geistige Führerschaft unseres Volkes rettungslos mit zugrunde gehen. Dagegen rufen wir alle einsichtigen Kreise zu Hilfe! k>0 Der billige Geist!*) Ein Dialog. Personen: Er, ganz möglich ausschend. Sie, sogar hervorragend gut anssehend. Ort: Ein vornehmes Weinrestaurant. Zeit: Viertel nach 11 Uhr abends. Lie: Lie werden mir böse sein, aber ich habe das Buch, von dem wir das letzte Mal sprachen, bis heute noch nicht gelesen. Ich habe e.. von meiner Leihbibliothek noch nicht bekommen. Er (dunkelrot vor Zorn): Jetzt bin ich Ihnen aber ganz gewaltig böse. Muß ich Ihnen denn sagen, daß . . . Sie (abwehrend): Ich weiß schon, was Sie sagen wollen. Ein jedes Buch, das man liest, ohne cs zu kaufen, bedeutet einen Betrug am Autor, den man um sein Honorar bringt. Weiß ich alles. Aber ich kaufe keine Bücher mehr. Kein Mensch kann die heutigen BUcher- preise mehr zahlen. Darum habe ich ein Abonnement bei der Leih bibliothek genommen. Zehn Pfennig pro Band und Woche. Irgendwo muß der Mensch doch sparen in diesen Zeiten. Er: Und da fangen Sie bei den Büchern an. Natürlich, der Geist muß daran glauben. Essen und Trinken darf teurer werden, aber die geistige Nahrung nicht. Sie: Ich sage ja gar nichts dagegen, wenn Kaffee, Tee und Tabak teurer werden, weil halt nichts mehr hereinkommt. Aber die Bücher, das sehe ich wirklich nicht ein. Die Dichter produzieren wir doch sel ber. Jedes Jahr wachsen so und soviele neue empor im deutschen Dichterwald. Und Papier machen wir auch selbst. Dieses aus dem deutschen Fichtenwald. Er: Also passen Sie mal auf, gnädige Frau: Was zahlen Lie in Friedenszeiten für einen Kostümstosf? Lagen wir das Meter 10 Mark. Dafür bekamen Lie einen sehr schönen Stoff. Heute zahlen Sie für das Meter mindestens 50 Mark. Sie (unterbrechend): Wo denken Sie hin? Neunzig! Er: Ganz recht. Und ist meist Papier. Ebenfalls gewachsen im deutschen Fichternvald. Genau wie die Bücher. — Bedenken Sie doch, wie unsere Verleger daran sind. Das Papier kostet heute das Vier fache gegen den Frieden. Ein Buch zu binden kostete im Frieden viel leicht 30 Pfennig, jetzt kostet ein schäbiger Pappband dem Verleger selbst eine Mark. Ich will Sie nicht mit Zahlen ermüden. Aber glauben Sie mir, ein Buch, das der Verleger vor zwei Jahren im Buchladen mit zwei Mark verkaufen lassen konnte, kostet ihn heute selbst an reinen Herstellungskosten mindestens sechs Mark. Es ist wirklich kein Vergnügen, jetzt Verleger zu sein. Und da erhebt man ein Mordsgeschrei, wenn die Bücher um die Hälfte teurer werden. Sie: Ein Buch macht mir keine Freude, wenn es so teuer ist. Ich finde, gerade in diesen Zeiten, wo alles so teuer geworden ist, da sollte wenigstens der Geist billig bleiben. Er: Ist er doch auch. Der Geist ist ja das Billigste, was es heut zutage noch gibt. Eine Blumenfrau tritt an den Tisch. Sie: (wehrt zuvorkommend ab). Er: Ach, warten Sie mal, Frau. Was kosten die Rosen? Blumenfrau: Dös wissen der Herr scho eh, was die Blumen kosten heutzutag. Er: Aber mit welchem Recht sind denn die Blumen so teuer ge worden? Die läßt doch der liebe Gott wachsen, am selben Strauch, der schon voriges Jahr öastand. Blumenfrau: Ja mei, -Herr, in dene Zeit'« wär's kein Wunda, wenn der Herrgott auch tei'ra g'worö'n wär'. Er (zur gnädigen Frau): Da hören Sie. Volkesstimme, Gottes stimme. Der Herrgott selbst ist für die Teuerung. Nein, im Ernst. Überlegen Sie doch, der Geist ist heute tatsächlich noch das Billigste. Die armen Autoren sind nicht teurer geworden, die Verleger auch nicht. Es ist nur das verwünschte Material. Wenn das Material nicht wäre, kein Mensch dächte daran, die Bücher teurer zu machen. Der Oberkellner (legt die Rechnung diskret auf den Tisch): Ich muß die Herrschaften bitten, zu zahlen. Polizeistunde. Er: Ich will nicht so taktlos sein, die Rechnung zum Exempel zu machen. Aber Sie wissen cs ja selbst. Ein ganz anständiges Souper, das in Frieöenszeiten meinetwegen sechs Mark kostete, kriegt man heute nicht für dreißig. Sie (gelangweilt): Weiß ich ja. Er: Und der Wein! Denken Sie doch, unser deutscher Weink Früher trank man einen anständigen Dämmerschoppen für 50 Pfennig, jetzt kriegt man dasselbe Quantum nicht für drei Mark. Und wieviel Wein haben wir in Friedenszeiten exportiert, nach Amerika! Der bleibt jetzt alle im Lande, aber teurer wird er darum doch. *) Wird in einer der demnächst erscheinenden Nummern der Presse- Korrespondenz des Börsenvereins Aufnahme finden und damit für den Nachdruck in Zeitungen und Zeitschriften freigegeben werden.