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^5 14g, 27. Juni 1924. Redaktioneller Teil. vsrMdlart r «. DNch». »Uchh»»d-!.ß885 einig zusammeichalten und alle unsere Kräfte uufbicten. Darum rufe ich Ihnen immer wieder zu: lassen Sie allen inneren Hader beiseite, arbeiten wir gemeinsam an umferm großen Ziel, dem Wiederaufbau unserer Wirtschaft! Der Kassenbericht ergibt einen Bestand der Kasse von 38 Mk. 50 Pf. Nach dem Bericht der Rechnungsprüfer wurde dem Schatzmeister für seine große Mühewaltung der Dank der Versammlung ausgesprochen und ihm Entlastung erteilt. Der Mitglicdsbeitrag beträgt jetzt 10 Mk., die Buße für unentschul- digtes Fernbleiben von der Hauptversammlung 5 Mk. Punkt 5 der Tagesordnung führte nach gründlichster Aussprache zu fol gendem Ergebnis: Der Spcsenzuschlag beträgt 10?S sür Bücher unter 10 Mk., 5^ für Bücher von 10 M.-30 Mk., 20°/» für Zeit schriften. Zuschlagsfrei sind alle Bücher über 30 Mk., die Werke wissenschaftlicher Verleger, mit denen Abkommen bestehen, Ne- clam, Kursbücher. Lebhafte Klage wurde geführt über die direkte Lieferung vieler Verleger an Wiederverkäufer mit vollem Rabatt. Man beschloß, ein Protestschreiben an den Verlegerverein zu richten, hoffentlich mit Erfolg. Gerade die Buchhändler in ^kleinen Städten, die erheblich unter der Konkurrenz der Auchbuchhänd ler leiden, müßten vom Verlag mehr gegen unlautere Konkur renz geschützt werden. Der warme Appell des Vorstandes, einen freiwilligen Bei trag zur Erhaltung des Deutschen Buch-Museums zu Leipzig zu leisten, sei auch hier allen Mitgliedern dringend in Erinnerung gebracht. Als Ort der nächsten Hauptversammlung wurde Wismar bestimmt. Nach Schluß der Versammlung vereinigte ein gemeinsames Mahl Mitglieder und Gäste, unter denen eine Reihe Damen der Einladung gefolgt war. Trotz der ernsten Zeit herrschte fröh liche Stimmung, gewürzt durch mancherlei Reden ernsten und heiteren Inhalts. Der Vorstand des Börsenvereins begrüßte die Versammlung durch ein Telegramm, für das wir an dieser Stelle herzlich danken. Nach Tische ging's hinaus in die schöne mecklenburgische Schweiz: nach Burg Schlitz, dem sagenumwobenen Besitztum der Grafen Bassewitz, ging die Fahrt. Wenn auch der Sonnenschein fehlte, so tat das der Stimmung keinen Abbruch. Voll befrie digt schieden am Abend alle Beteiligten aus dem gastlichen Tete row, mit herzlichem Dank an die Herren Gebrüder Belsen, die alles so vorzüglich vorbereitet hatten. H. W. Der Buchtitel auf dem Einband.*) Manche Autoren und Verleger lieben auf dem Einband den weit hin lesbaren Titel, der vom Schaufenster aus das Auge der Vorüber gehenden auf sich lenkt. Dem dadurch angelockten Käufer ist die dem Buchdeckel anhaftende Dauerreklamc nicht immer ebenso lieb. Es ist unbehaglich, wenn durch flüchtigen Blick des zufälligen Besuchers oder eines gleichgültigen oder unangenehmen Gegenübers in der Eisenbahn der Titel des Buches, das man in der Hand hält, entziffert werden kann. Auch zum Geschenk eignet sich der diskrete Halbleinenband mit hübschem Buntpapier besser als der Halbleinenband mit plakatgroßcr Schrift. Das Vernünftigste wäre ja nun, man druckte den auf Fern wirkung berechneten Buchtitel auf den Schutzumschlag statt ans den Einband selbst. Aber viele Sortimenter können diese Umhüllungen nicht leiden; gerade in den besseren Schaufenstern sieht man nur Bücher ausgestellt, deren nackter Leib eine wirksame Schattseite zeigt. Grundsätzlich läßt sich gegen diesen Aufdruck nichts einwenden, solange nicht etwa der Rücken ein aufgeklebtes Schild trägt oder architektonisch gegliedert ist. Vor einer solchen Zusammenstellung erschrickt schon der gute Geschmack, und bei einigem Nachdenken findet man, daß hier zwei sich ausschließende Auffassungen miteinander vermengt worden sind. Wir sind es gewöhnt, die Einbände nach den äußerlichsten Merk- rialicn: Leinen, Leder, Pergament usw. cinzuteilen. Wenn wir das < *) Mit gütig erteilter Erlaubnis der Verlagsbuchhandlung ent nommen dem neuesten Heft der Zeitschrift: Die Bücherstube. Blätter für Freunde des Buches und der zeichnenden Künste. Dritter Jahrgang, I. Heft 1924. (München, Buchenau L Reichert, Verlag.) Buch als eine künstlerische Leistung ansehcn, d. h. als die Verwirk lichung einer bestimmten, künstlerischen Absicht, so stoßen wir auf eine neue Einteilung. Es gibt dann einen architektonischen Typus, bei dem der Buchkörper selbst als dreidimensionales Gebilde gemeint ist und sichtbar gemacht wird; und einen graphischen, bei dem der Künstler die Oberfläche des Bandes gebraucht als Fläche schlechthin; wie der Zeich ner das Blatt im Skizzenbuch, wie der japanische Lackmaler die Flächen des Holzkastens. Beide Typen, der architektonische wie der graphische, sind berechtigt, wenn sie folgerichtig durchgeführt sind. Das klassische Beispiel des architektonischen Typus ist der reich ornamentierte Ganzlederband, das des graphischen die Broschur. Wir können in der Tat unsere heute üblichen Einbandformen von diesen beiden Urtypen ableitcn. In der Dekoration des alten Ganzledcr- bandes ist jede der ihn begrenzenden Flächen gemeint in ihrer beson deren Höhe und Breite. Das Ornament sitzt nicht auf ihnen wie ein Eroberer auf fremdem Volk, sondern die Flächen selbst sind es, die durch das Ornamcut, das sie begrenzt und organisch gliedert, sichtbar werden; Ornament und Fläche sind ein und dasselbe, wie die Berufs stände das Volk sind. Ein Ornament ist gut, wenn man sich die orna mentierte Fläche anders gar nicht mehr vorstellen kann. Jedes andre ist vom Übel. Daß eine solche Einband-Dekoration auch nach zeichneri schen Entwürfen angefertigt wird, macht sie nicht zur Graphik; man fertigt auch Werke der Textil- oder Goldschmiedekunst nach Zeich nungen an. Mit dem Anschwcllen der Büchermassen zieht sich die künstlerische Gestaltung auf den Buchrücken zusammen, der zur Schauseite des in der Bibliothek cingercihten Buches geworden ist. Man beginnt Arbeit und Material auf den Deckclseiten zu sparen. Das glänzende, braune Niescl-Marmor-Papicr der ältesten Halblcderbände tritt unauffällig neben das marmorierte Rückenleder. Im neunzehnten Jahrhundert entsteht der Halbleinenband, das neue Material wird als genarbtes, ledervortäuschendes Kaliko eingeschmuggelt; die stoffliche Schönheit des Leinen wird erst später erkannt und gepflegt. Zu dieser Reihe gehören alle andern Einbandformen, welche sich zur Körperhastigkeit des Buches bekennen; bis herab zum Pappband mit aufgcklcbtem Schriftschild. Das Schild repräsentiert das Zweidimensionale, auf dem eine gra phische Leistuug möglich ist; es muß dem Körper erst aufgeklebt werden. Umgekehrt führt die graphische Reihe von der Broschur auswärts zum Pappband der Verleger. Wie die älteste Broschur nichts anderes ist als eine Wiederholung des Jnnentitels auf weniger rasch schmutzen dem Papier, so kann man den Vorderdecke! dieses Pappband^s ein »stabilisiertes« Titelblatt nennen. Und so geht das weiter zum Halb leinen-, Ganzleinen-, Halb- und Ganzpergamentband mit ausgedruckter »Einbandzeichnung«. Der Künstler, der schreibend oder illustrierend den »Einband entwirft«, meint gar nicht den Einband, meint gar nicht den Deckel, sondern was ans den Deckel kommen soll: seine Zeichnung, seine Schrift. Daß er sie ans dem gegebenen Formate geschmackvoll arrangiert, ändert daran nichts. Mag dies nun alles »nur Theorie« sein, so ergeben sich doch daraus praktische Folgerungen. Da beim graphischen Einbandtypus der Vorderdecke! passive Fläche ist, muß sein Material neutral und einheitlich sein. Leder, Leinen, Pergament des Rückens dürfen nicht mehr, als aus technischen Gründen erforderlich ist, auf die Deckel übergreifen. Leinen- und Lcöercckcn sind unmöglich; allenfalls kleinste, kaum sichtbare Pergamentccken. Ferner: die Voraussetzung, daß die Tiefe unbeachtet bleibe, ist nicht mehr gegeben, wenn die Bücher im Verhältnis zu ihrer Dcckelgröße allzu starken Umfang haben; da drängt sich die dritte Dimension von selbst dem Betrachten den auf. Hier und da kann ein gerader Buchrücken etwas retten, der sich dem senkrecht auf den Vorderdcckel treffenden Blick verbirgt. Doch ist bei großen nnd kleinen Wälzern die graphische Behandlung des Vordcrdcckels zu verwerfen. Und cs ist ein offenbarer Widersinn, durch frei auf den Vorderdcckel gesetzte Schrift oder Zeichnung das Buch zu einer Tafel, zum Medium einer graphischen Leistung zu machen, seine Körperhaftigkeit also zu unterschlagen und zugleich auf sie hinzuweisen durch die architektonische Gliederung des Buchrückens. Damit ist ja nicht behauptet, daß der architektonische Einbandtypus ans jede Schrift verzichten müsse. Aber sie muß dann aus dem Deckel sitzen, wie etwa das Supraexlibris auf dem Ganzlederband. Sie mnß Füllung sein eines für das Auge klar umrissenen, wenn auch nicht realiter mit Linien abgegrenztcn Teiles der Oberfläche, dessen wesens- notwcndigc Zugehörigkeit und Beziehung zu dem in dieser Höbe, Breite und Tiefe gegebenen Buchkörper auf den ersten Blick cinleuchtct. Die gut gelungenen Beispiele sind leider selten, an denen man dies aufzeigcn könnte. Paul Nenner. 1155