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Kreisverein Mecklenburgischer Buchhändler. Bericht über die 42. ordentliche Hauptversammlung am Sonntag, dem 15. Juni 1924, in Teterow. Der Vorsitzende eröffnete um 9 Uhr die Versammlung, begrüßte die Anwesenden und verlas den folgenden Jahres bericht, der einstimmig genehmigt wurde. Jahresbericht, erstattet in der 42. Hauptversammlung am IS. Juni 1924 vom 1. Vorsitzenden H. Warte n tiea. Heute habe ich die Aufgabe, Ihnen über ein Geschäftsjahr zu be richten, das wohl als das wirtschaftlich schwerste seit langer Zeit be zeichnet werde» mich. Wir alle habe» aus dem Chaos nur Trümmer unserer Substanz gerettet und haben aus allen Geschehnissen erkennen müssen, wie arm wir geworden sind. Der Schleier der Inflation ist zerrissen, unsere Währung ist dahin, nun heisst es mit Hilfe der Rentenmark wieder aufbauen, wie schwer es auch sei. Wir müssen mehr wie je werbend für das Buch austrctcn. Schon rührt es sich allerorten, und wenn es auch scheinen will, als ob des Guten zuviel getan würde, so schadet cs nichts, es wird sich aus den, gärenden Most vielleicht mit der Zeit doch klarer Wein entwickeln. Die Lag« im Sortiment ist im letzten Jahr ganz außerordentlich starken Schwankungen ansgesetzt gewesen. Bis zur Hälfte des Jahres hatten wir einigermaßen stabile Verhältnisse; der Absatz war noch zufriedenstellend. Mit einem Schlage irat infolge des Währungsver falls eine Absatzstockung ein, von deren Ausmaßen man sich vorher ei» Bild zu machen nicht in der Lage war. Dazu die über alles Maß gehenden Steueranforderungen, die gerade in der Zeit größter Gc- schästsstille erfüllt werde» mußten. Nur durch den Umstand, daß der Sortimentsbuchhandel sich verhältnismäßig gesund erhalten hatte, wurde «in Zusammenbruch vermieden. Im November, nach Einfüh rung der Rentenmark, trat langsam eine Wendling zum Besseren ein. Das Weihnachtsgeschäft war erträglich; wohl blieben die Um sätze hinter denen des Friedens zurück, doch konnte man die Beobachtung machen, daß Käufer wieder zu uns kamen, die sich lange zurückgehalten hatten. Di« Befürchtungen, daß bas neue Jahr wiederum eine Absatzstockung bringen würde, sind glücklicherweise nicht eingetrofsen, sowohl das Konfirmations» als auch das Schul- bllchergefchäft haben unsere allerdings recht bescheiden gewordenen Erwartungen übertröffen. Der Verlag, sowohl der wissenschaftliche wie der schönwissenschast- liche und der Schulbücherverlag, hat natürlich nicht minidcr gelitten. Einschränkung der Produktion, Stockung des Absatzes, auch im Ausland, rigorose Forderungen der Buchdrucker und Buchbinder ließen den Ver lag in seiner Gesamtheit nicht zu stabilen Verhältnissen kommen. Dis Absatzstockung führte zu cinerAlnvandermig des Verkehrs über Leipzig; die Spesen waren einfach nicht mehr tragbar. Auch die BAG siel den Verhältnissen zum Opfer, glücklicherweise hat sie ihre» Betrieb wieder ausgenommen. Wir empfehlen Men unseren Mitgliedern, sofern sie noch nicht Genossen der BAG find, beizutreten. Der Ver kehr vollzieht sich nach unfern Erfahrung«» vollkommen reibungslos; das solide Sortiment begrüßt diese Einrichtung mit großer Freude, nachdem die Einigung zwischen dem Verein Leipziger Kommissionär« und der MW gelungen ist. Wir empfehlen unfern Mitgliedern auch de» Beitritt zur Sterbekasse des Buchhandels, die von Herrn Hermann- Bremen mit großem Geschick gegründet ist und schon in der kurzen Zeit ihres Bestehens Segen gestiftet hat. Das Verhältnis zwischen Verlag und Sortiment steht zurzeit im Zeichen des Kredilmangels. Dieser lähmt bis zu einem gewissen Grad« jegliche Unternehmungslust. Auf der einen Seite Verlangen nach so fortiger Zahlung, auf der andcrcnSeitc Krcditansordcrungen der Kund schaft. Diese beiden Faktoren zeitigen ein Mißverhältnis, dem aus die Dauer auch der bestsuiidierte Betrieb nicht gewachsen ist. Hier muß Wandel geschaffen werden, um einen gesunde» Wiederaufbau zu ermöglichen. Auch der Kommifsionsvcrkchr jür wissenschaftliche Lite ratur muß wieder einsetzcn, natürlich nicht in der Form der Vor kriegszeit, denn der hat sich tatsächlich überlebt, aber der Verlag wird im eigenen Interesse daraus bedacht sein müssen, Formen für den Kommissionsverkchr zu finden, die beide» Teilen, Verlag und Sorti ment, gleichermaßen tragbar erscheinen. — Ich habe nicht vor, im Nahmen des Jahresberichts zu Ihnen über den Spesenzuschlag zu sprechen. Ein Blick in die Tagesordnung zeigt Ihnen, daß wir diesen Punkt in möglichst erschöpfender Weise für sich behandeln wollen. Ebenso gebe ich Ihnen in dem nächsten Punkte der Tagesordnung de» Bericht über die Leipziger Kantatevcrhandlungen separat, da bei dem späten Termin der diesjährigen Ostermesse die stenographischen Be richte noch nicht in Ihren Händen sind. Eine Herbstvcrsammlung fand in, vergangenen Jahre der hohen Kosten wegen nicht statt; an den Osterincßvcrsammlungen nahmen Ihr 1. Vorsitzender und Herr Felix H e d i cke - Wismar teil, Über unsere Vereinstätigkeit ist zu berichten, daß der Abgang a» Mitgliedern diesmal den Zugang überstiegen hat. Wir traten in das Vcreinsjahr ei» mit einem Mitgliederbestand von 1 Ehrenvorsitzen den, 3 Ehrenmitgliedern, S3 ordentlichen und 9 außerordentlichen Mitgliedern. Unser heutiger Bestand betragt 3 Ehrenmitglieder, 47 ordentliche und 9 außerordentliche Mitglieder. Es wurden aufgenom- mcn: Kran Elise Westphal i. Fa. E. Weftphals Buchhandlung in silostock, Herr Hermann Krcisc-Parchim, Krau Sanitütsrat Hojfmaiin i. Ka. Opitz L Co. in Güstrow und die Firma Lehmann L Bernhard in Schönbcrg. Dem steht ein Abgang von 19 Mitgliedern, teils durch Tod, teils durch Wegzug aus unscrm Vcreinsgebict, gegenüber. Auf nahme» ins-Adreßbuch haben uns verschiedene Vorgelegen; wir haben sie immer sorgfältig geprüft und sind nur in einem Falle zur Ab lehnung gekommen, ans der wir trotz des Einspruchs des Betroffenen beharren mußten, da er, wie wir einwandfrei festftelltcn!, stark unter bietet, also unlauter» Wettbewerb treibt. Eins unserer Mitglieder war wegen Wuchers in erster Instanz verurteilt und legte uns die Klagcsachc vor mit der Bitte um ein Gutachten. Wir haben das Gut achten erstattet, es lag nuferer Ansicht nach ei» Fehler der Wucher behörde vor; der Kollege ist dann in zweiter Instanz freigesprochen und die Kosten sind der StaatskSsse auferlegt worden. Leider erhebt die Schleuderei wieder ihr Haupt; in jüngster Zeit haben wir einen Kall gehabt, in dem der Roftocker Studentenschast ein Rabatt von 1S—W/ä augeboten war. Das Material haben wir dem Börfen- vcreinsrvrftanb cingcjchickt und hoffen, daß dieser krasse Fall für die Zukunft unmöglich gemacht wird. Bei dieser Gelegenheit möchten wir Misere Mitglieder warnen, von ihrem Lager in irgendeiner Form zu verschleudern; der augenblickliche Vorteil der Geldbeschaffung wiegt den Schaden nicht aus, der durch die Verminderung der Substanz entsteht. Die Krage der uns drückenden Steuern will ich ebenfalls hier n icht behandeln, es wird bei dem Punkt der Tagesordnung »Spefen- zuschlag« dazu Gelegenheit gegeben werden. Die finanzielle Lage unseres Kreisvereins war naturgemäß im vergangenen Jahre eine außerordentlich schwierige. Noch in der letzten Hauptversammlung hatten wir durch Umlage und Festsetzung des Jahresbeitrags de» Etat einigermaßen balanciert; die Inflation hat unsere ganzen Be rechnungen über den Haufen geworfen, und wir waren wiederholt genötigt, von unseren Mitgliedern Nachschllsse zu verlangen, um wenigstens einigermaßen unsere Geschäfte weitcrfllhrcn zu können. Unser Herr Schatzmeister wlrd Ihnen bei Punkt 3 der Tagesordnung diese Nöte vortragen. Mit Wehmut komme ich zu dem letzten Punkt meines Berichts. Wir haben im letzten Jahre durch den Tod treue Mitglieder unseres Vereins verloren. Am 24. Oktober 1928 verstarb Herr P a u l West phal i. Fa. E. WestphalS Buchhandlung in Rostock, ein speziell uns Nostockcrn lieber und bewährter Mllegc. Er war ei» eifriger Besucher unserer Versammlungen und bekundete reges Interesse an den Ver- einsangelegenheiten. Mit ihm ging ein Mann von treudeutscher Ge sinnung dahin. Vor wenigen Wochen verstarb Herr Carl Berger i. Fa. Wchdcmann's Buchhandlung in Parchim, fern der Heimat. Auch er hat in den letzten Jahre» wieder eifrigen Anteil an unfern Ver sammlungen genommen, nachdem der Krieg ihn während seiner ganzen Dauer daran gehindert halte. Den herbsten Verlust aber erlitt unser KrciZbercin durch das Hiirschciben seines Ehrenvorsitzenden, uuscrs lieben Kollegen Emil Opitz. Au der Wende des Jahres ist er bahingcfchiedcn, und am letzten Tage, am Silvestertage, haben wir ihn zur letzten Ruhe gebettet. Sie alle, ob alt oder jung, wissen, was dieser Mann für uns bedeutete; er hinterläßt bei uns eine Lücke, die sich nimmer schließt. Ihr Vorstand war bei der Beisetzung durch den 1. Vorsitzenden und den 2. Schriftführer vertreten; seine Ver dienste um den Krcisvcrei» haben wir durch einen Nachruf im Börsen blatt gewürdigt. Am Schluß meines Berichts muß ich bekennen, daß die Zukunft dunkel vor unS liegt. Wir wollen uns hüten einerseits vor unge rechtfertigtem Optimismus, denn wir wissen nicht, ob wir schon alle Schwierigkeiten hinter uns haben, andererseits wollen wir nicht blind lings den Schwarzsehern glauben, die uns eine neue Inflation prophe zeien. Alle Schwierigkeiten können wir nur überwinden, wenn wir